Archiv


Männerfantasien

Mel Ramos malt seit 50 Jahren Pin-ups - und das mit großem Erfolg: Er ist mittlerweile eine Marke geworden. Das macht es zumindest für ihn erträglicher, dass in seinem Werk keine Entwicklung festzustellen ist.

Von Christian Gampert |
    Ein Hauch Kalifornien weht derzeit durchs winterliche Tübingen: In der Kunsthalle hat eine ganze Kollektion nackter Models Platz genommen - vor leuchtend monochromen Hintergründen in Tiefblau, Grellgrün, Zartrosa, Sonnengelb und dergleichen, die alle das Gute-Laune-Feeling kalifornischer Strände und milden Lichts, des Easy-Going in die Ölbilder holen.

    Mel Ramos, der seit 50 Jahren perfekte Frauenkörper in lasziven Posen malt, verbindet die Girls und ihre Signale sexueller Verfügbarkeit meist mit Industrieprodukten wie Tabakwaren, Tomatenketchup oder zuckerhaltigen Coffeingetränken. Sex und Limonade - das eine hat mit dem anderen zwar nichts zu tun, wird nach dem Prinzip der Kontiguität jedoch psychologisch verknüpft – bis heute die wirksamste Strategie der Werbebranche.

    Als Mel Ramos in den 1960iger Jahren die ersten "Commercial Pin-ups" malte, war das noch kritisch gemeint: Einerseits plädierten diese knackigen Körper durch ihre pure Präsenz für die sexuelle Befreiung, andererseits waren sie natürlich selbst schon zur Ware geworden, und ihre Befriedigung schien von so banalen Phalli wie Havanna-Zigarren oder Campari-Flaschen abzuhängen.

    Die kühle, künstliche Alltagsnähe dieser Figuren führte dazu, dass Ramos bereits 1963 zusammen mit Andy Warhol, Roy Lichtenstein und James Rosenquist ausstellen durfte und fortan als Pop-Artist galt. Wenn jemand aber im Jahre 2007 immer noch fotorealistische Pin-ups vor Warhols Suppendosen stellt (deren Provokationspotenzial heute gegen Null tendiert), dann fragt man sich schon: Was hat der denn zwischendrin gemacht?

    Nicht viel. Die Ausstellung zeigt ein paar sogenannte Landschaftsbilder, in denen zum Beispiel zwei minutiös gestaltete Palmen den Ausblick in ein monochromes Gelb begrenzen; ein paar Aquarelle; einige Skulpturen, in denen Ramos' weibliche Warenästhetik sich in unveränderter Stilistik dreidimensional weitet; schließlich ein paar kunsthistorische Bezüge (vor allem auf Matisse) und einige "unfinished paintings", in denen Ramos Anschluss an die Skizzenhaftigkeit der Postmoderne sucht.

    Im Grunde aber hat er immer dasselbe gemacht: Girls, Girls, Girls. Und ist gut damit gefahren: Er war und ist eine Marke. Wenn um die Moral besorgte Gutmenschen sich über ihn empörten, sagte er einfach: Wieso, ich male keine nackten Frauen, ich male Bilder von Bildern nackter Frauen. Das war insofern richtig, als Ramos' Frauenklischees Zitate sind und sich immer an Pin-up-Fotografien oder Zeichnungen orientierten, wie sie schon in den 1950iger Jahren in Zeitschriften erschienen.

    Warf man ihm Banalität vor, so konterte er mit dem Verweis auf Kunstgeschichte und Aktmalerei, die er von ihrer Patina befreit und in die Moderne gerettet habe. In der Tat findet sich in der Ausstellung eine Variation von Jacques-Louis Davids "Amor und Psyche", die Davids Klassizismus in die bunte Banalerotik der Playboymagazine übersetzt, mit Ramos selbst als Hauptfigur: hübsch und harmlos.

    Was aus ihm hätte werden können, zeigen – verschämt – zwei ganz frühe, gestisch gemantschte Bilder, die sich auf de Kooning beziehen und die Verletzbarkeit des Individuums thematisieren. Dann aber ging Ramos den einfacheren, den modischen Weg: Er malte Comicfiguren wie Batman und Wonder Woman, Captain Midnight und Hawkman, und als man ihm riet, den immer noch wulstigen Pinselduktus zu glätten, landete er bei den kühlen Kommerzikonen, für die er heute steht.

    Mittlerweile malt er direkt für den Sponsor: knackige Weiber, die am Hintern das Firmenlogo eines Bekleidungskonzerns tragen, welchselbiger dann nicht nur die Tübinger Schau, sondern gleich die ganze Ausstellungstournee unterstützt. Da nutzt dann das Ganze kunsthistorische Brimborium wenig, das die Tübinger Kunsthalle auffährt, der Verweis auf Duchamp, Lautréamont, Matisse oder Mondrian, vor dessen abstrakten Rechtecken Ramos' Frauen sitzen.

    Nein, hier hat sich einer an den Erfolg verkauft. Ein Foto im Katalog zeigt Melvin John Ramos im Jahr 1975: ein schnurrbärtiger Hippie mit Afrofrisur, Hawaii-Hemd und weißem Zuhälter-Anzug. Verheiratet übrigens mit einer früheren "Miss California". Kann ja ganz schön sein. Wenngleich nicht für die Kunst.