"Die Auswahl enthält alle möglichen Filme: aus Israel, aus Palästina, aus Afrika, das unabhängige amerikanische Kino, einen von einem Türken gemachten deutschen Film. Die Filme, die wir zeigen, umfassen alle Genres, Stilrichtungen, Tendenzen, Diskurse, einfach alles."
So äußerst sich Iván Giroud, der Leiter des berühmten Internationalen Filmfestivals in Havanna, gern. Nur vergisst er hinzuzufügen, dass diese breite Palette politisch korrekt, opportun sein muss, dass Kritik nur erlaubt ist, solange sie den kubanischen Autoritäten ins Konzept passt, das heißt Fidel Castros Revolution nicht tangiert. Das aber unternehmen die beiden deutschen Filmemacher Florian Borchmeyer und Matthias Hentschler in ihrem langen Dokumentarfilm "Havanna: Die neue Kunst, Ruinen zu schaffen". Florian Borchmeyer:
"Die Idee, überhaupt einen Film über die Ruinen Havannas zu machen, ist ungeheuer alt. Sie entstand vor zirka acht Jahren, als ich selbst in Havanna gelebt und studiert habe und genau in diesem zerfallenden Stadtzentrum, in Centro Habana, gelebt habe und dort einfach sah, wie in meiner Nachbarschaft ganze Bauwerke einbrachen und Leute unter sich begruben."
Eine Hand voll Kubaner, die in solchen prekären Verhältnissen wohnen, äußern sich über ihre meist auch gescheiterten Leben. Der Film zeigt ihr soziales Umfeld in außerordentlichen Bildern von großer Eindringlichkeit. Sie können kaum Stein des Anstoßes sein, denn längst gibt es üppig aufgemachte Bildbände wie den des kanadischen Fotografen Robert Polidori über das zerfallende Havanna. Der sieht die Dekadenz jedoch mit einem eher nostalgischen Blick, während Florian Borchmeyer und Matthias Hentschler eine politische Absicht verfolgen, zu der ihnen der Schriftsteller José Antonio Ponte die Theorie geliefert hat
"Er bezeichnet sich selbst beruflich als Ruinologen, und er betrachtet den ruinösen Zustand der Stadt Havanna als Metapher für den ruinösen Zustand des ganzen Landes, des politischen Systems, aber auch der gesellschaftlichen Struktur und des Lebens der einzelnen Personen. Er sieht also Kuba als komplette Ruine, indem der kaputte Zustand der Bauwerke einhergeht mit den zerrütteten Leben und dem zerrütteten zivilen Bewusstsein."
Doch die beiden Autoren lassen Ponte noch einen Schritt weitergehen.
"Daraus ergibt sich ein Gedanke, den wir alle haben: Wir brauchen uns um nichts mehr zu kümmern, es wird schon selbst zusammenfallen. Lasst auch Fidel Castro sterben, denn Fidel Castro ist die große Ruine dieses Landes, nicht nur, weil er so viel ruiniert hat, sondern weil er selbst am Einstürzen ist."
Das hat José Antonio Ponte zwar vor gut einem Jahr gesagt, als der Comandant' noch bei bester Gesundheit schien. Aber es ist ein Sakrileg, über das keine offizielle kubanische Institution hinwegsieht. Ponte wurde wegen solcher Äußerungen, die er lange vor dem Film verbreitet hatte, aus dem Schriftsteller-Verband ausgeschlossen und hat praktisch Berufsverbot.
Nun wollte die Havanner Repräsentanz des Goethe-Instituts diese "Neue Kunst, Ruinen zu schaffen" innerhalb der Deutschen Reihe des Filmfestivals zeigen. Alle Verantwortungsträger der deutschen Diplomatie vor Ort kennen und loben das Werk, genauso wie sie Havannas wichtigstes Kulturereignis als ein offenes Schaufenster schätzen. Nur haben sie wohl den Sprengstoff des einen wie die Liberalität des anderen verkannt.
"Was dann geschah, ist, dass der Film dem Leiter des Filmfestivals, Iván Giroud, vorgelegt wurde, und der sagte, dieser Film sei ihm schon bekannt, da er im ICAIC auf einer Giftliste oder Verbotsliste stehe und deshalb von ihm als Filmfestivalleiter nicht programmiert werden könne. Er hat damit zugegeben, erstens, dass es diese Liste gibt, und zweitens, dass er als Filmfestival-Direktor keine unabhängige Institution ist, sondern von einem staatlichen Organ, nämlich dem kubanischen Filminstitut, in seiner Programmierung abhängt."
Zwölf Jahre lang ist die Deutsche Reihe auf dem Havanner Festival ohne Eingriffe von Seiten der Kubaner, allerdings auch ohne kritische Filme über Kuba gelaufen. Nun hat sie das erlebt, was Journalisten, Künstlern, Intellektuellen häufig widerfährt, die die Toleranz des Regimes auszuloten gedenken. Im Übrigen sind Florian Borchmeyer und Matthias Hentschler nicht die einzigen, die an der mangelnden Meinungsfreiheit auf diesem 28. Internationalen Filmfestival in Havanna gescheitert sind. Auch der bekannte kubanische Regisseur Rolando Díaz, ganz und gar kein Dissident, sondern ein Arbeitsexilant, darf seinen Spielfilm "Cercanía" nicht zeigen, weil in seiner Geschichte über das problematische Zusammentreffen eines alten Kubaners mit seinen Angehörigen in Miami einige allzu irritierende Sätze über die Verhältnisse auf der Insel fallen. Dafür können die Besucher der Deutschen Reihe sich unter anderen. an deutschen Märchenfilmen erfreuen.
So äußerst sich Iván Giroud, der Leiter des berühmten Internationalen Filmfestivals in Havanna, gern. Nur vergisst er hinzuzufügen, dass diese breite Palette politisch korrekt, opportun sein muss, dass Kritik nur erlaubt ist, solange sie den kubanischen Autoritäten ins Konzept passt, das heißt Fidel Castros Revolution nicht tangiert. Das aber unternehmen die beiden deutschen Filmemacher Florian Borchmeyer und Matthias Hentschler in ihrem langen Dokumentarfilm "Havanna: Die neue Kunst, Ruinen zu schaffen". Florian Borchmeyer:
"Die Idee, überhaupt einen Film über die Ruinen Havannas zu machen, ist ungeheuer alt. Sie entstand vor zirka acht Jahren, als ich selbst in Havanna gelebt und studiert habe und genau in diesem zerfallenden Stadtzentrum, in Centro Habana, gelebt habe und dort einfach sah, wie in meiner Nachbarschaft ganze Bauwerke einbrachen und Leute unter sich begruben."
Eine Hand voll Kubaner, die in solchen prekären Verhältnissen wohnen, äußern sich über ihre meist auch gescheiterten Leben. Der Film zeigt ihr soziales Umfeld in außerordentlichen Bildern von großer Eindringlichkeit. Sie können kaum Stein des Anstoßes sein, denn längst gibt es üppig aufgemachte Bildbände wie den des kanadischen Fotografen Robert Polidori über das zerfallende Havanna. Der sieht die Dekadenz jedoch mit einem eher nostalgischen Blick, während Florian Borchmeyer und Matthias Hentschler eine politische Absicht verfolgen, zu der ihnen der Schriftsteller José Antonio Ponte die Theorie geliefert hat
"Er bezeichnet sich selbst beruflich als Ruinologen, und er betrachtet den ruinösen Zustand der Stadt Havanna als Metapher für den ruinösen Zustand des ganzen Landes, des politischen Systems, aber auch der gesellschaftlichen Struktur und des Lebens der einzelnen Personen. Er sieht also Kuba als komplette Ruine, indem der kaputte Zustand der Bauwerke einhergeht mit den zerrütteten Leben und dem zerrütteten zivilen Bewusstsein."
Doch die beiden Autoren lassen Ponte noch einen Schritt weitergehen.
"Daraus ergibt sich ein Gedanke, den wir alle haben: Wir brauchen uns um nichts mehr zu kümmern, es wird schon selbst zusammenfallen. Lasst auch Fidel Castro sterben, denn Fidel Castro ist die große Ruine dieses Landes, nicht nur, weil er so viel ruiniert hat, sondern weil er selbst am Einstürzen ist."
Das hat José Antonio Ponte zwar vor gut einem Jahr gesagt, als der Comandant' noch bei bester Gesundheit schien. Aber es ist ein Sakrileg, über das keine offizielle kubanische Institution hinwegsieht. Ponte wurde wegen solcher Äußerungen, die er lange vor dem Film verbreitet hatte, aus dem Schriftsteller-Verband ausgeschlossen und hat praktisch Berufsverbot.
Nun wollte die Havanner Repräsentanz des Goethe-Instituts diese "Neue Kunst, Ruinen zu schaffen" innerhalb der Deutschen Reihe des Filmfestivals zeigen. Alle Verantwortungsträger der deutschen Diplomatie vor Ort kennen und loben das Werk, genauso wie sie Havannas wichtigstes Kulturereignis als ein offenes Schaufenster schätzen. Nur haben sie wohl den Sprengstoff des einen wie die Liberalität des anderen verkannt.
"Was dann geschah, ist, dass der Film dem Leiter des Filmfestivals, Iván Giroud, vorgelegt wurde, und der sagte, dieser Film sei ihm schon bekannt, da er im ICAIC auf einer Giftliste oder Verbotsliste stehe und deshalb von ihm als Filmfestivalleiter nicht programmiert werden könne. Er hat damit zugegeben, erstens, dass es diese Liste gibt, und zweitens, dass er als Filmfestival-Direktor keine unabhängige Institution ist, sondern von einem staatlichen Organ, nämlich dem kubanischen Filminstitut, in seiner Programmierung abhängt."
Zwölf Jahre lang ist die Deutsche Reihe auf dem Havanner Festival ohne Eingriffe von Seiten der Kubaner, allerdings auch ohne kritische Filme über Kuba gelaufen. Nun hat sie das erlebt, was Journalisten, Künstlern, Intellektuellen häufig widerfährt, die die Toleranz des Regimes auszuloten gedenken. Im Übrigen sind Florian Borchmeyer und Matthias Hentschler nicht die einzigen, die an der mangelnden Meinungsfreiheit auf diesem 28. Internationalen Filmfestival in Havanna gescheitert sind. Auch der bekannte kubanische Regisseur Rolando Díaz, ganz und gar kein Dissident, sondern ein Arbeitsexilant, darf seinen Spielfilm "Cercanía" nicht zeigen, weil in seiner Geschichte über das problematische Zusammentreffen eines alten Kubaners mit seinen Angehörigen in Miami einige allzu irritierende Sätze über die Verhältnisse auf der Insel fallen. Dafür können die Besucher der Deutschen Reihe sich unter anderen. an deutschen Märchenfilmen erfreuen.