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Märchenstund' hat Blech im Mund

König Arindal ist in die Fee Ada verliebt. Bis sich die beiden schlussendlich streicheln dürfen, muss Arindal absurde Prüfungen absolvieren. Das ist der Stoff aus Wagners erster Oper.

Von Jörn Florian Fuchs | 18.02.2013
    Mit 20 Lenzen zählte Mozart schon zu den Großen und auch manch anderer Tonsetzer steuerte da auf seinen Zenit zu. Nicht so Richard Wagner, dem man, mit Blick auf seine frühen Werke, das Attribut 'Wunderkind' wahrlich nicht verleihen möchte. Wagners erste Oper blieb auch für seinen Urheber zeitlebens eine Wunde, vollständig wurde sie erst fünf Jahre nach dem Tod des Schöpfers aufgeführt. Eigentlich hatte Wagner das stürmerisch drängende Stück für Leipzig konzipiert, insofern macht es schon Sinn, ebendort einen neuen Blick darauf zu werfen.

    Glücklich wird man freilich mit all dem oberflächlichen Klamauk und der hemdsärmeligen Rahmenhandlung nicht. In einer schmucklos biederen Wohnstube von heute sitzt ein untersetzter Bücherleser und Pulliträger vor dem Radio. Aus selbigem ertönt die Übertragung einer frühen Wagneroper namens "Die Feen". Bald legt der Hörer seinen Roman beiseite und widmet sich der kruden Geschichte um König Arindal, indem er selbst dessen Rolle übernimmt. Arindal ist in die Fee Ada verliebt und bis sich die beiden schlussendlich streicheln dürfen, muss Arindal absurde Prüfungen absolvieren. So darf er Ada zum Beispiel nie verfluchen, denn dann wird sie 100 Jahre lang zu Stein. Natürlich verflucht er sie und natürlich versteinert sie nur vorübergehend. Arindal erlöst sie durch Gesang und Leierklang. Am Ende verliert Arindal zwar seine Krone, dafür gewinnt er Ada und kriegt sozusagen als Gimmick noch eine Portion Unsterblichkeit dazu. Und zwischen Menschen- und Feenreich herrscht – vermutlich – erstmal Frieden.

    Diesen Quatsch hat Richard Wagner selbst verzapft und in eine leicht auf Holländer, Lohengrin und Tannhäuser verweisende, aber noch sehr von Carl Maria von Weber und Zeitgenossen inspirierte Partitur gegossen. Auch Zauberflöten-Motive tauchen musikalisch und inhaltlich auf. Im Ganzen wirkt das Stück noch recht unfertig, wenig elegant und zu oft auf bloßen Effekt getrimmt.

    Ulf Schirmer veranstaltet mit dem Leipziger Gewandhausorchester leider fast ausschließlich groben Wagner-Krach. Man glaubt streckenweise, vor einem schlecht eingestellten Radio zu sitzen. Woher all das verzerrte Blech, all die schmirgelnden Streicher kommen, ist rätselhaft. Gegen das Graben-Gebrüll müssen sich der äußerst schwach disponierte, textlich praktisch unverständliche Chor sowie ein sehr wechselhaftes Solistenensemble behaupten. Am besten kontert noch Christiane Libor, die Adas teilweise sehr anspruchsvolle Kantilenen mit Ausdauer bewältigt.

    Arnold Bezuyens Pulli-Arindal singt konsequent zu hoch oder zu tief, immer um die richtigen Töne herum. Bei den kleineren Rollen überzeugten Jean Broekhuizen (als Fee Farzana), Detlef Roth (als Morald) sowie Jennifer Porto (als Drolla).

    Das kanadische Regieduo Barbe & Doucet versucht sich am Spiel mit unterschiedlichen Zeiten und Zeitebenen. In die heutige Welt brechen Feenreich und Hades ein, doch wirklich märchenhaft wird es eigentlich nie, weil die gesamte Bühnenästhetik technisch überkandidelt und kalt bleibt. Ausgerechnet der letzte, kürzeste Akt wird zur heftigsten Geduldsprobe, weil hier szenisch einfach gar nichts mehr stimmt und wirklich schauderhaft gesungen und musiziert wird.

    Bis zum Sommer steht in Leipzig lediglich noch eine überregional relevante Premiere an. Rosamund Gilmore, wahrlich keine Revoluzzerin, inszeniert Wagners Rheingold. Fast alle anderen Häuser haben ihren Ring bereits vollendet. Die Oper Leipzig ist nach dem Weggang des glücklosen Peter Konwitschny leider nach wie vor in der Krise.