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Mäzen oder Abzocker?

15,5 Millionen - das ist eine Reizzahl in der Thüringer Kulturlandschaft. Für 15,5 Millionen Euro hat sich der Freistaat Thüringen freigekauft von den Rückübertragungsansprüchen der Nachfahren des Herzoghauses Sachsen-Weimar und Eisenach.

Von Ulrike Greim |
    15,5 Millionen Euro kostete also die Rechtssicherheit für: Goethe- und Schiller-Archiv, das Inventar von Wartburg, Wittumspalais Weimar, Schloss Tiefurt und Liszt-Haus Weimar, zentrale Bestandteile der Kunstsammlungen zu Weimar, die Fürstengruft in Weimar sowie unentbehrliche Teile des Thüringischen Hauptstaatsarchivs.

    Prinz Michael hatte nach langen und zähen Verhandlungen seine Ansprüche zurückgezogen, und sich gütlich mit dem Land geeinigt. Eben für 15,5 Millionen Euro. Dafür, so rechnet es heute die "Thüringer Allgemeine" bissig vor, könnte man: ein Jahr lang sämtliche Musikschulen im Freistaat finanzieren, die wegrationalisierte Schauspielsparte im Theater Erfurt mit 10 Ensemblemitgliedern wiedererstehen lassen, den Jahresetat der Klassikstiftung Weimar nebst dem geschlossenen Stadtmuseum und dem gekürzten Goethemuseum Stützerbach begleichen.

    Auf diese Weise "gratuliert" die Zeitung ihrem "Lieblingsprinzen" zu dessen Ehrung als Mäzen. Nicht, ohne zu erwähnen, wen die Autoren als tatsächliche Mäzene sehen, nämlich die - übrigens an gleicher Stelle geehrte - Clara Freirau von Arnim, die unter anderem zugunsten des Goethe- und Schillerarchivs ohne Gegenleistung auf Rückübertragungsansprüche verzichtete, obwohl die rechtlich unumstritten waren.

    Der Arbeitskreis selbstständiger Kulturinstitute ehrt mit Prinz Michael einen Mann, der beispielgebend verzichtete, so heißt es in der Begründung. Laudator Kurt Biedenkopf - seinen damaligen Thüringer Amtskollegen Bernhard Vogel hätte der Arbeitskreis für diesen Part mit Sicherheit auch nicht gewonnen - verteidigt die Entscheidung, Prinz Michael habe auf ein paar hundert Millionen Euro verzichtet, sagt er. Prinz Michael reagiert seinerseits in der "Thüringischen Landeszeitung" gereizt:

    "Diejenigen, die mir eine Vorbildeigenschaft bezüglich der Zustiftung unseres unschätzbaren Kunst-Vermögens aus unserem privaten Eigentum in öffentlich rechtlichen Besitz absprechen, meinen wohl, ich wäre besser beraten gewesen, diese Zustiftung zu unterlassen und diese Kunstwerte aus Weimar zu entfernen."

    Mit solchen Worten verstärkt Prinz Michael den ohnehin ausgeprägten antiaristokratischen Beißreflex vieler Thüringer. Die betroffenen Einrichtungen, wie die Klassikstiftung Weimar und die Wartburg, die ja selbst dem Arbeitskreis angehören, üben sich grundsätzlich in vornehmer Zurückhaltung, immerhin gehört Prinz Michael den jeweiligen Stiftungsräten an. Trotzdem bestätigt Wartburgchef Günter Schuchardt, dem Arbeitskreis-Vorstand von der Auszeichnung abgeraten zu haben.

    "Ich hab ihm auch gesagt, dass unsere Thüringer das als instinktlos aufgreifen könnten - und verstehen müssten. Denn für mich waren Maecenas-Ehrungen immer Auszeichnungen von Menschen, die sich aktiv in Prozesse eingebracht haben, um Gutes zu erhalten oder Neues zu schaffen."

    Beispiele für solcherart verstandenes Mäzenatentum gibt es in Thüringen genügend. Der Wartburg stiftete ein Anonymus 30.000 Euro. Einer Pößnecker Kirche finanzierte ein gebürtiger Pößnecker mit 75.000 Euro eine Orgel, und der Medizintechnikunternehmer Hans B. Bauernfeind spendete 470.000 Euro für die Sanierung seiner Taufkirche in Zeulenroda.