Archiv


Mageres Windows 2000

Selten verläuft die Entwicklung von Betriebssystemen wirklich planmäßig. Auch der Branchenführer Microsoft bleibt davon nicht verschont. Um das neue Windows 2000 wie angekündigt im kommenden Januar vom Stapel laufen zu lassen, greifen die Redmonder Produktmanager zu einem Trick: Noch nicht fertiggestellte Teile des Betriebssystems fehlen in der ersten Version und sollen erst später nachgereicht werden.

Peter Welchering, Manfred Kloiber |
    Auf einer Microsoft-Entwickler-Konferenz bekräftigte Bill Gates, man wolle an dem anvisierten Einführungstermin für Windows 2000 im Januar kommenden Jahres festhalten. Um den Zeitplan noch einhalten zu können, bedient sich Microsoft eines Tricks: Das Betriebssystem wird nicht vollständig ausgegeben. Noch nicht fertiggestellte Teile der Software sollen demnach im Herbst nächsten Jahres nachgereicht werden.

    Seit Jahren ist dieses Verhalten in der Branche durchaus üblich: Unausgereifte Programme werden vorzeitig auf den Markt gebracht, deren Fehler dann erst durch eine Fülle von Nachbesserungen bereinigt werden. Ein Beispiel dazu war bereits Windows 98, das zunächst sehr instabil war und nur unter Schwierigkeiten in ein vollwertiges Programm überführt werden konnte. Um diese rufschädigende Panne nicht zu wiederholen, soll die verbleibende Zeit bis Januar genutzt werden, um die bestehenden Systembestandteile von Windows 2000 eingehend zu testen. Die seit Mittwoch verfügbare Testversion "RC2" ermöglicht jetzt Herstellern von Hard und Software die Prüfung ihrer Treiber und Schnittstellen für das neue Microsoft-Produkt. Dabei dürften die gröbsten Fehler bereits beseitigt werden.

    Die technische Zuverlässigkeit wird allerdings damit erkauft, dass das Betriebssystem letztlich nicht leistet, was Gates immer wieder versprochen hatte: Die sogenannte Lastverteilung, die die einzelnen Rechenaufgaben auf verschiedene Prozessoren verteilt, wird nicht in der ersten Vertriebsversion enthalten sein. Dadurch ist Windows 2000 auch nicht clusterfähig und verliert damit erheblich an Attraktivität für den Einsatz im professionellen Bereich.

    Die nachträgliche Aufrüstung von Windows mit dieser Eigenschaft ist allerdings keine triviale Angelegenheit, zumal dieser Eingriff bei Unternehmen im laufenden Betrieb stattfinden müsste. Unterbrechungen der wichtigen Datenverarbeitung bei mittleren oder größeren Unternehmen zögen erhebliche Ausfallkosten nach sich. Ein weiteres Problem: Wahrscheinlich müssen die Firmen für diese Nachlieferung aus Redmond erneut tief in die Finanzkasse greifen, denn Microsoft betrachtet diese Leistung, den sogenannten "Application Center Server", als ein eigenständiges Paket.. Argument des Branchenführers: Da durchaus nicht alle Kunden die Clusterfähigkeit des Betriebssystems benötigten, biete man diesem Benutzerkreis so ein schlichteres Betriebssystem zu einem geringeren Einstiegspreis.