Archiv


MAGIC macht's möglich

Astronomie. - Die Kanarischen Inseln sind derzeit nicht nur beliebtes Ziel für Urlauber, sondern auch für Astronomen. Denn die Vulkanberge von La Palma und Teneriffa bieten die besten Sichtbedingungen in ganz Europa. Auf dem Berggipfel von La Palma treffen sich heute und morgen Astronomen aus aller Welt zu einer kurzen Tagung, um ein neues Teleskop einzuweihen. Es erforscht die energiereichste Strahlung, die aus dem All zu uns kommt: Gamma-Strahlung.

Dirk Lorenzen |
    Das Teleskop heißt MAGIC - und der Name scheint Programm: Denn das Teleskop beobachtet Teilchen, die gar nicht bis ins Teleskop gelangen - und die in einem Bereich leuchten, den das Teleskop gar nicht sieht. Das klingt in der Tat ganz schön magisch - doch die Astronomen tricksen nicht, sie nutzen einfach ein paar physikalische Effekte, erklärt Rudolf Böck vom Münchner Max-Planck-Institut für Physik. Denn rast so ein Teilchen der Gammastrahlung aus den Tiefen des Alls in die Atmosphäre, dann zerstrahlt es:

    Das fängt in 12 Kilometern Höhe und geht dann vier, fünf Kilometer lang, bis eigentlich von dem ursprünglichen Teilchen nichts mehr da ist als immer mehr und immer nieder energetischere Teilchen, die in der Atmosphäre langsam versickern eigentlich. Nur: Teilchen einer bestimmten Art, nämlich besonders leichte - Elektronen zum Beispiel -, geladene Teilchen, die strahlen, während sie durch die Atmosphäre laufen. Sie strahlen nach einem Effekt, den ein russischer Physiker vor langem entdeckt hat, Cherenkov, und das sind optische Quanten. Und diese Quanten kommen zu uns, weil für optische Strahlung ist die Atmosphäre durchlässig. Und das ist das, was wir beobachten - und dadurch kann man rekonstruieren, was sich da oben ereignet hat.

    MAGIC beobachtet also die Teilchen der Gammastrahlung nicht direkt - dazu müsste es im Weltraum stationiert sein -, sondern blickt gleichsam auf die Lawine von neuen Teilchen, die jedes Gammateilchen in großer Höhe auslöst.

    Das MAGIC-Teleskop ist ein internationales Projekt unter Führung des Max-Planck-Instituts für Physik. Es ist eine offene Gitterkonstruktion, die nicht in einer Kuppel, sondern einfach so im Freien steht. MAGIC besteht aus 1000 kleinen Aluminiumspiegeln, jeder etwa 50 Zentimeter groß. Böck:

    Der ganze Gesamtspiegel hat eine Fläche von 240 Quadratmeter und fokalisiert auf diese Kamera mit Photozellen, in der man dann ein Bild dessen sieht, was sich in der Atmosphäre als Überrest angekündigt hat.

    Um überhaupt etwas vom schwachen blauen Blitzen in der Atmosphäre zu sehen, muss MAGIC an einem perfekt dunklen Standort stehen - La Palma ist da europaweit die erste Wahl. Beobachtet wird zudem nur in wirklich dunklen Nächten rund um Neumond. Und selbst dann bekommen Rudolf Böck und seine Kollegen nur einen Hauch von Information...

    Das Bild besteht aber aus sehr wenig Photonen. Wenn man optisch, zum Beispiel mit unserem Auge in den Himmel sieht, dann sieht man sehr viel Licht. Das sind unglaublich viele Photonen und deshalb sehen wir wunderschöne Bilder. Die Bilder, die wir in diesem Gammateleskop sehen, die bestehen aus wenigen hundert Photonen, das sind also ganz kurze und total unsichtbare Lichtblitze, aber die Photozellen sind schlau genug, die aufzunehmen und in den Computer zu leiten und daraus kann man rekonstruieren.

    So aufwendig die Beobachtung ist, so faszinierend ist die Forschung, die sich mit Gammateleskopen machen lässt: Gammastrahlung - soviel ist klar - entsteht nicht in "normalen" Objekten wie der Sonne, sondern nur bei ganz außergewöhnlichen physikalischen Bedingungen. Über diese ganz energiereichen Phänomene im Weltall wissen die Astronomen bisher nicht viel. Böck:

    Im Augenblick gibt es relativ wenige Quellen, die schon beobachtet sind bei diesen höheren Energien. Das sind aktive Kerne von Galaxien, typischerweise denkt man, dass das fast ausschließlich von Schwarzen Löchern im Zentrum von Galaxien kommt. Das ist also eine Quelle - eine andere sind Überreste von Sternen, die implodiert sind und dabei sich zerstrahlen, Supernova. Und dann bleiben da drin typischerweise Neutronensterne oder andere sehr, sehr dichte Materieansammlungen, die Gammas strahlen.

    Neuartige Teleskope haben bisher immer auch ganz neue Objekte gezeigt - und so erwarten die Forscher, völlig unbekannte Gamma-Objekte zu entdecken. Auf La Palma öffnet sich mit dem MAGIC-Teleskop gleichsam ein neues Fenster hinaus ins All, durch das die Astronomen einen Blick auf die energiereichsten Prozesse im Kosmos haben.