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Magische Datenkompression

Mit sogenannten Metamaterialien lassen sich optische Bauteile konstruieren, die geradezu fantastische Eigenschaften besitzen. Im Fachmagazin "Science" stellen US-Forscher nun eine Art Blende aus Metamaterialien vor, die in der Lage ist, Bilddaten automatisch zu komprimieren.

Von Frank Grotelüschen |
    Ein Druck auf den Auslöser, und das Bild ist im Kasten, oder genauer gesagt auf dem Chip. Und da heute selbst preisgünstige Kameras eine Riesen-Auflösung bieten, hat so eine Bilddatei oft eine ordentliche Größe, schnell kommen da mehrere Megabyte zusammen. Zu groß zum Versenden im Internet – und so lässt man eine Datenkompression auf das Bild los, etwa das JPEG-Verfahren. Dieses macht die Datei deutlich kleiner, wobei es die Bildqualität einigermaßen beibehält, sagt Alex Mrozack von der Duke University im US-Bundesstaat North Carolina.

    "Bei der klassischen Datenkompression nimmt man sämtliche Daten auf. Danach sortiert ein Computer-Algorithmus all jene Daten aus, die redundant sind, also mehrfach vorkommen. Bei einer weißen Wand etwa werden nur deren Ränder detailliert gespeichert – die Mitte dagegen weniger detailliert, sie ist ja nur weiß. Wir verfolgen eine andere Strategie: Wir erfassen von vornherein nur einen Teil der Daten. Daten, die ausreichen, um das volle Bild zu rekonstruieren."

    Also keine Datenkompression im nachhinein, sondern schon während der Bildaufnahme. Um das zu schaffen, mussten Mrozack und seine Kollegen ein völlig neues Bauteil konstruieren – eine Daten komprimierende Blende. Die Technik dahinter basiert auf einer noch jungen Materialklasse, den Metamaterialien. In diesem Fall sind es lange Kupferstreifen, in die lauter winzige, rechteckige Muster eingestanzt sind. Ein wenig erinnern sie an Ornamente aus dem alten Ägypten. Auf elektromagnetische Wellen haben diese Ornamente einen geradezu magischen Effekt: Sie wirken wie eine Blende mit eigenartigen Eigenschaften.

    "Die Linse einer Fotokamera bündelt das Licht auf einen Fleck. Unsere Blende macht genau das Gegenteil: Sie verteilt die Strahlen auf mehrere Flecken. Verändern wir dann die Frequenz der Strahlen, die auf die Blende fallen, verändert sich auch das Fleckmuster, das die Blende erzeugt."

    Die Folge: Ein und derselbe Gegenstand, etwa eine Metallbox vor einer Wand, liefert für verschiedene Frequenzen ganz unterschiedliche Muster.

    "Wir nehmen also nicht das Bild direkt auf, sondern eine Reihe von Frequenzmustern. Und wenn man diese Frequenzmuster dann geschickt kombiniert, lässt sich das eigentliche Bild rekonstruieren."

    Der Clou: Trotz dieser Mehrfach-Aufnahmen in verschiedenen Frequenzbereichen nimmt das System viel weniger Daten auf als ein normaler Bildsensor, und zwar nur ein Vierzigstel der ursprünglichen Datenmenge – eine eingebaute Datenkompression. Allerdings klappt das Kunststück nicht für sichtbares Licht, sondern nur für Radarwellen. Und genau dafür, sagt Mrozack, sei die Sache auch gedacht. Der Grund:

    "Sensoren für Radarwellen sind extrem teuer. Während der Kamerachip in Ihrem Handy nur ein paar Dollar kostet, müssen Sie für einen Radarsensor mehrere 1000 Dollar ausgeben. Und wollen Sie mit einem solchen Sensor dann ein Bild aufnehmen, müssen Sie ihn mechanisch hin- und herfahren."

    Genau das soll das neue Verfahren überflüssig machen, sagt Mrozack. Erstens nimmt es wegen der eingebauten Datenkompression nur ein Vierzigstel der Datenmenge auf, und das spart Zeit und Kapazität. Und zweitens muss es, da es Frequenzen abscannt und keine Bildpunkte, nicht mehr mechanisch hin- und hergefahren werden. Damit könnten Radarsensoren in Zukunft deutlich billiger und kompakter werden. Anwendung könnten sie in jenen Körperscannern finden, die gerade auf immer mehr Flughäfen aufgestellt werden.

    "Heute sind das große Käfige, in die man sich hineinstellen muss, und eine Art Roboterarm dreht sich um einen herum und macht das Bild. Mit unserem System könnte man das deutlich kompakter bauen, ohne Roboterarm. Eine andere Anwendung wären Abstandssensoren für Autos, die Kollisionen verhindern. Mit unserer Technik ließen sie sich preiswerter und gewichtssparender bauen als heute."

    Doch bevor es soweit ist, müssen die Experten ihr Verfahren noch deutlich verfeinern. Bislang nämlich liefert es nur recht grobe, zweidimensionale Radarbilder. Gefragt aber sind halbwegs scharfe Aufnahmen in 3D.