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"Magna steckt gerade mitten in einem Sparprogramm"

Der Wiener Autoexperte Leo Szemeliker ist skeptisch gegenüber einem möglichen Einstieg des Autozulieferers Magna bei Opel. Magna leide mit der Autokrise mit und müsse "derzeit ein Sparprogramm fahren". Fiat, der andere Interessent für den Rüsselsheimer Autokonzern, habe "die Sanierung ja schon hinter sich", betonte Szemeliker.

Leo Szemeliker im Gespräch mit Silvia Engels |
    Silvia Engels: Ob Fiat bei Opel zum Zuge kommt oder nicht, ist nicht nur eine Frage der Ökonomie; es ist eine hoch politische Frage, denn ein ernsthafter Übernahmeinteressent des Rüsselsheimer Konzerns könnte auf deutsche Staatsbürgschaften hoffen. Wirtschaftsminister zu Guttenberg ist deshalb neben der Opel-Mutter General Motors ein interessanter Gesprächspartner für die Bewerber. Gestern war deshalb Fiat-Chef Marchionne in Berlin. Die Gesprächsergebnisse wurden anschließend allerdings verschieden interpretiert. Wir haben es gerade gehört: Fiat ist nicht der einzige Interessent an Opel; der österreichisch-kanadische Autozulieferer Magna hat offiziell Interesse an einem Einstieg bei Opel signalisiert. Diese Variante ist bereits in den vergangenen Tagen von SPD-Kanzlerkandidat Steinmeier favorisiert worden. Aber wer ist die Firma Magna? Am Telefon ist nun Leo Szemeliker. Er ist Wirtschaftsredakteur und Autoexperte der österreichischen Zeitung "Der Standard". Guten Tag, Herr Szemeliker.

    Leo Szemeliker: Guten Tag!

    Engels: Wie groß ist Magna und wie verdient diese Firma ihr Geld?

    Szemeliker: Na ja, Magna ist sicher einer der wichtigsten Automobilzulieferer der Welt, kann man sagen. Die Bezeichnung österreichisch-kanadischer Konzern ist vielleicht ein bisschen übertrieben. Die Zentrale ist eindeutig in Kanada. Es war nur ein österreichischer Auswanderer aus der Steiermark, der ähnlich wie Arnold Schwarzenegger in Übersee Karriere gemacht hat, und das war der Herr Frank Stronach. Er hat in seinem Heimatland einiges investiert. Es gibt also einige Magna-Werke auch in Österreich.

    Engels: Welche Art von Zulieferung macht Magna und wie ist der Konzern in der Wirtschaftskrise im Moment aufgestellt?

    Szemeliker: Magna hat begonnen als, wenn ich mich recht erinnere, Hersteller von Schiebefenstern, also von Dachfenstern in den 60er-Jahren, und damals war der Hauptkunde hauptsächlich General Motors und General Motors ist bis heute auch Hauptkunde geblieben, woraus man auch sieht, was eines der Hauptprobleme für Magna sein könnte. Aber Magna baut in Österreich ganze Autos. Sie sind quasi auftragsfertig, so ähnlich wie es Karman in Osnabrück war oder noch ist. Sie bauen alle möglichen Komponenten, von Karosserien, Fahrwerke, elektronische Teile. Magna könnte ein Auto unter der Marke Magna bauen. Sie bauen im Wesentlichen eigentlich alles.

    Engels: Wie gut passen dann Ihrer Einschätzung nach Opel und ein Autozulieferer wie Magna, der auch eigene Wagen bauen kann, zusammen?

    Szemeliker: Könnte! Er könnte eigene Wagen bauen. Er hat bisher nur Concept-Cars auf diversen Motor-Shows vorgestellt, zuletzt auch in Genf wieder. Da war es ein Elektroauto. Zusammenpassen? Für Magna wäre es ein Paradigmenwechsel. Sie würden von einem Zulieferer - sie haben auch immer betont, sie seien ein Zulieferer, der mit allen Autofirmen dieser Welt im Prinzip Geschäfte machen kann und das auch tut - zu einem sogenannten OEM, Original Equipment Manufacturer, zu einem klassischen Autohersteller werden und das würde eigentlich die Firma auf den Kopf stellen, wenn man das so will. Aber andererseits: Magna leidet mit der Autokrise mit. Das ist klar. Wenn General Motors ein Werk zusperrt, muss das daneben gelegene Magna-Werk auch zusperren, um es jetzt extrem zu formulieren. Insofern muss Magna schauen, dass es sich ein Zukunftskonzept zurecht legt.

    Engels: Der Opel-Betriebsrat in Deutschland ist skeptisch gegenüber einem Fiat-Einstieg. Das wird unter anderem damit begründet, weil Fiat hoch verschuldet ist. Wie solvent ist denn die Firma Magna?

    Szemeliker: Na ja, Magna hatte bis vor kurzem einen russischen Partner, den Oligarchen Oleg Derepaska. Der ist wieder ausgestiegen. Man hat sich davon einige Projekte in Russland beziehungsweise natürlich auch Unterstützung finanzieller Art erwartet. Der ist wieder weg. Magna muss derzeit ein Sparprogramm fahren. Fiat hat die Sanierung ja schon hinter sich und Magna steckt gerade mitten in einem Sparprogramm. In Österreich zum Beispiel ist gestern bekanntgegeben worden, dass 85 Prozent aller Angestellten auf einen ziemlichen Teil ihrer Gehälter verzichten, und zuvor sind schon tausende, abertausende Leute europaweit in den Magna-Werken in Kurzarbeit geschickt worden. Also Magna geht es entsprechend der Krise auch nicht schlecht. Den Schuldenstand weiß ich jetzt nicht auswendig, aber das müsste man sich anschauen.

    Engels: Das klingt aber nach einer Art Notübernahmeversuch, eher als nach einer naheliegenden Fusion.

    Szemeliker: Wie gesagt, Magna ist sehr restriktiv, was die Kommunikationspolitik betrifft. Sie haben möglicherweise gesagt, dass es ein Interesse gibt, aber nähere Details weiß man nicht. Notübernahme ist vielleicht ein bisschen ein hartes Wort, aber Magna sucht nach einer Zukunft in einer Autowelt, die nicht mehr so aussehen wird, wie sie vor der Krise ausgesehen hat. Dazu gehört auch, dass man möglicherweise nicht mehr so viele Fertigungsaufträge von den Originalherstellern bekommt, weil die haben ja zum Beispiel in Graz BMW gebaut, Mercedes, Chrysler, Saab, Peugeot, Aston-Martin. Die bauen sie teilweise natürlich noch immer, aber ein Trend in der Automobilindustrie derzeit ist Insourcing. Das heißt, die Automobilhersteller versuchen, ihre eigenen bestehenden Kapazitäten auszulasten, und das, was sie in Spitzenzeiten an Auftragsfertiger wie Magna und Karman et cetera ausgelagert haben, wird wieder zurück in die Stammwerke geholt. Darauf muss sich Magna künftig einstellen.

    Engels: Herr Szemeliker, Sie haben es eben schon angedeutet: Es gab einen russischen Geldgeber, auf den auch in Deutschland sehr stark spekuliert worden ist, nämlich mit ihm sei die Perspektive verknüpft, dass hier ein Standbein im wachsenden russischen Automarkt geschaffen werden könnte, wenn Magna und Opel zusammengehen. Erscheint das aussichtsreich?

    Szemeliker: Na ja, Russland ist natürlich vor allem derzeit hauptsächlich ein potenzieller Markt. Das heißt, wenn jemand mit einer russischen Perspektive irgendwo in der Welt heute einsteigt, kann er eines bieten: einen riesigen Markt, der - Krise hin, Krise her - sich weiter rasant entwickeln wird. Die Frage ist natürlich, wie das in Zukunft sein wird mit Kreditfinanzierungen et cetera. Das wissen wir alle nicht, wie das sein wird. Aber Russland ist ein großer Markt - Punkt!

    Engels: Wie wird es denn in Österreich gesehen, dass dieser Konzern Magna vor hat, so zu expandieren? Sorgt man sich, dass man sich übernimmt, oder ist man optimistisch?

    Szemeliker: Das Übernehmen müssen die Finanzmanager des Herrn Stronach beziehungsweise des Herrn Wolf, also seines CEO, lösen. Worüber man sich in Österreich Sorgen macht, sind zwei Dinge natürlich. Das eine ist der Standort Graz. Magna ist in Graz so was wie ein Leitbetrieb. Die haben dort in den 90er-Jahren das Steier-Daimler-Buch-Werk übernommen. Das hat eine große Tradition. Da gibt es eine große Maschinenbautradition in Graz, große Engineering-Tradition. Man hat Angst, wenn Opel von Magna übernommen wird, dass sich quasi der Fokus von Graz nach Rüsselsheim bewegt, was ja auch verständlich wäre. Das ist das eine und das zweite ist: Innerhalb der Gewerkschaften gibt es Skepsis gegenüber den Magna-Plänen, kolportierten Magna-Plänen muss man sagen, vor allem deswegen, weil man einerseits von den Mitarbeitern verlangt, dass sie Kurzarbeit akzeptieren, dass sie Gehaltskürzungen akzeptieren, aber andererseits offensichtlich die Kriegskasse voll ist, um sich einen deutschen Automobilhersteller zu kaufen.

    Engels: Leo Szemeliker, Wirtschaftsredakteur und Autoexperte der österreichischen Zeitung "Der Standard". Wir sprachen mit ihm über den Autozulieferer Magna, der ja auch möglicherweise Interesse an Opel hat. Vielen Dank für das Gespräch.