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Magnetisch durchs Herz

Medizin. - Untersuchungen mit dem Herzkatheter zählen zur medizinischen Routine. Dabei führt der Arzt eine Art dünnen Schlauch über die Blutgefäße bis ins Herz, um dort zum Beispiel gefährliche Engstellen aufzuweiten. Kardiologen in Hamburg testen nun – als erste in Europa - eine neue Art von Katheter: ein System, dass sich per Maus oder Joystick präzise fernsteuern lässt.

    Von Frank Grotelüschen

    Lange genug hat sich Frau Mackenroth mit ihrem Herzrasen rumgeärgert. Immer wieder, ohne erkennbaren Auslöser, sprang der Puls auf 160 – um sich nach ein paar Minuten wieder zu beruhigen. Nun liegt Frau Mackenroth auf einem OP-Tisch des Krankenhauses St. Georg in Hamburg und wird an Kabel angeschlossen. Etwas nervös ist sie schon. Ihr steht eine neuartige Katheteruntersuchung bevor. Assistenzärztin Sabine Ernst versucht sie zu beruhigen:

    Diese Art von Herzrhythmussstörungen, die wir hier behandeln, sind in fast allen Fällen heilbar. Es verbleibt nach Ende des Eingriffs kein Katheter, kein Herzschrittmacher, nichts im Herzen des Patienten. Sondern der Patient ist danach geheilt. Das ist das Grandiose dieser Behandlung, dass wir eine Heilung fast garantieren können.

    Eine halbe Stunde später. Frau Mackenroth schläft tief und fest, ihr Herz schlägt normal. Von dem, was jetzt passiert, bekommt sie nichts mehr mit. Sabine Ernst reißt eine Plastikfolie auf und holt eine Art Draht hervor, den Katheter. An einem Ende ist ein Handgriff. Dreht man daran, setzt sich ein Zugseil in Bewegung, und das andere Ende krümmt sich wie ein Wurm. Über die Leiste führt Ernst den Katheter in den Körper ein und schiebt ihn durch die Vene bis zum Herzen. Ein Monitor zeigt das Röntgenbild. Das Herz ein grauer Schatten, darin windet sich der Katheter wie eine Schlange. Ernst:

    Jetzt habe ich hier ein bisschen ein Problem, dass ich in einen Seitenast hineingekommen bin. Ich versuche, das jetzt nach oben zu drehen. So, jetzt gelingt das auch.

    Eine Viertel Stunde später sind drei Katheter eingeführt. Und plötzlich schlägt das Herz von Frau Mackenroth wie wild, der Puls springt auf 160. Doch das ist keine Komplikation, sondern Absicht. Um der Ursache auf die Spur zu kommen, hat Sabine Ernst das Herzrasen künstlich ausgelöst. Sie schaut auf einen Flachbildschirm, auf die Kurven und Zacken des EKG – und sieht ihren Verdacht bestätigt:

    Es ist eine AV-Knoten-Enkidapathie vom gewöhnlichen Typ. So nennt sich das.

    Bislang war alles Routine, doch jetzt beginnt das Neue. Sabine Ernst holt einen Spezialkatheter aus der Tüte und führt ihn in die Vene ein. Das Ding sieht aus wie eine lange, weichgekochte Spaghettinudel. In seiner Spitze verbirgt sich ein kleiner Magnet. Von der Seite fahren zwei wuchtige Gehäuse auf den OP-Tisch zu. Darin stecken große Magneten. Sie sind so stark, dass sie den kleinen Magneten in der Katheterspitze quasi in die Zange nehmen - und höchst präzise durch das Herz von Frau Mackenroth navigieren. Der Arzt bewegt den Katheter also nicht mechanisch per Handgriff, sondern ferngesteuert mit Hilfe der Magneten. Ernst:

    Der Vorteil ist, dass der Untersucher nicht mehr am Patiententisch sein muss. Sondern er kann im Kontrollraum sitzen und das Ganze über einen Joystick führen. Das macht die Sache viel genauer steuerbar. Hier kann ich millimetergenau die Orientierung des Katheters einrichten. Ich kann Millimeter für Millimeter das Herz abtasten.

    Im Kontrollraum lenkt Sabine Ernst per Joystick den Katheter genau an die Stelle im Herzen, von der das Rasen ausgeht:

    Wunderbar. Jetzt bin ich sehr zufrieden. Dann sind wir schon soweit, dass wir jetzt an der richtigen Stelle des Herzens angelangt sind, von der wir glauben, dass wenn wir jetzt hier veröden, wir das Herzrasen der Patientin terminieren können.

    Veröden – das bedeutet, dass der Katheter das kranke Herzgewebe erhitzt und dadurch unschädlich macht. Ein paar Mal wiederholt sich die Prozedur. Dann lehnt sich Ernst zufrieden zurück:

    Die ist sehr erfolgreich verlaufen. Wir haben vier Mal das Herz von innen verödet, an vier kleinen Stellen. Und wir können das Herzrasen der Patientin nicht mehr auslösen.

    Frau Mackenroths Herzrasen ist für die Ärzte ein relativ einfacher Fall. Im nächsten Jahr aber wollen sie mit dem Magnetkatheter auch deutlich komplexere Rhythmusstörungen heilen, insbesondere das Vorhofflimmern. Erst dann dürften sich die 2,5 Millionen Euro wirklich rentieren, soviel kostet der Magnetkatheter. Und irgendwann soll er – so die Hoffnung – dann sogar manch einen Eingriff am offenen Herzen überflüssig machen.