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Magnetwirbel als Datenspeicher

Physik. - Grundlagenforschung kann sich durchaus schnell in der Technik durchsetzen. Der Riesenmagnetowiderstand, für den in dieser Woche der Physiknobelpreis verliehen wurde, ist ein Beispiel. Vor diesem Hintergrund macht es hellhörig, dass ein junger Bonner Professor jetzt im Fachmagazin "Nature" berichtet, er habe – gemeinsam mit Kollegen – einen weiteren spannenden Magneteffekt nachgewiesen. Spätere Anwendung in der Datenspeicherung nicht ausgeschlossen.

Von Ralf Krauter | 12.10.2007
    Universität Bonn, Institut für Strahlen- und Kernphysik. Professor Manfred Fiebig öffnet eine der schweren Metalltüren im Kellergeschoss.

    "”Ok… Tür geht auf… So jetzt haben wir hier das Labor, in dem die Experimente gemacht wurden. Und zwar: Also dahinten haben wir das Lasersystem, vielleicht gehen wir mal kurz um den Tisch rum.""

    Auf einer schwingungsgedämpften Platte ist ein Laser montiert, dessen Licht diverse Linsen und Spiegel in einen grauen Stahlbehälter lenken. Fiebig:

    "”Der Tank, das ist ein Kryostat. Das ist eigentlich nur ein Thermoskanne mit Fenstern. Es ist eine teure Thermoskanne, weil hier möchte man nicht nur eisgekühlte Getränke drin haben, sondern hier möchte man Temperaturen drin haben, die knapp über der Weltraumtemperatur liegen: Also minus 270 Grad etwa.""

    Bei solch niedrigen Temperaturen passieren in den violett schillernden Lithium-Kobalt-Phosphat-Kristallen, für die sich die Bonner Forscher interessieren spannende Dinge. Fiebig:

    "”Wir machen Fotos. Der einzige Unterschied ist, dass die Art Fotos, die wir machen, etwas spezieller ist. Aber im Grunde: Hier steht ein herkömmliches Objektiv, so wie man’s im Laden kauft. Hier hinten steht eine Digitalkamera. Und dann fotografieren wir diese Ordnungsstrukturen, die wir in den Proben sehen einfach ab.""

    Manfred Fiebig ist Experte für die magnetische Ordnung in Kristallen. Gemeinsam mit Kollegen in Berlin und in Genf hat er nun etwas vor die Linse bekommen, was vorher noch keiner gesehen hatte: Magnetische Wirbelstrukturen nämlich, die sich fundamental von dem unterscheiden, was im Inneren eines gewöhnlichen Stabmagneten aus Eisen zu beobachten ist. Fiebig:

    "”Bei einem Ferromagneten, da sind eben alle atomaren Elementarmagnete in einer Richtung ausgerichtet. So wie bei einer Autobahn. Alles fährt eben in eine Richtung. Und jetzt haben wir eben so was wie einen Kreisverkehr. Das heißt also magnetische Atome stehen in einem Kreis. Und dieser Kreis hat eine Drehrichtung.""

    Die Atome im Kristall bilden also rechts- oder linksdrehende Magnetwirbel. Interessant ist das zunächst einmal nur für die Grundlagenforschung. Aber die Magnetwirbel haben zwei Eigenschaften, die sie für künftige Anwendungen in der Speichertechnologie interessant machen. Zum einen lassen sich in ihnen digitale Informationen speichern, indem zum Beispiel ein linksdrehender Wirbel eine Null repräsentiert, ein rechtsdrehender eine Eins. Zum anderen ließen sich die so gespeicherten Magnetinformationen erstmals auch mit elektrischen Feldern auslesen. Heutige Festplatten benutzen ausschließlich magnetische Leseköpfe. Und die haben – selbst nach der Optimierung durch Peter Grünberg – immer noch Nachteile. Fiebig:

    "”Einmal: Wenn Sie mit dem gleichen Prozess etwas auslesen, wie sie’s schreiben, besteht immer auch die Gefahr, sie zerstören das. Zum anderen: Magnetfelder sind eine relativ träge Sache. Man muss einen Strom fließen lassen, um ein Magnetfeld zu erzeugen. Das kostet Zeit. Jetzt hat man sich überlegt: Mach’ ich’s mit einem elektrischen Feld. Ich lege ein elektrisches Feld an, greife auf meine magnetische Information zu. Einmal besteht durch das elektrische Feld nicht so sehr die Gefahr, dass ich meine magnetische Information zerstöre. Und zum anderen: Ich kann viel schneller ein elektrisches Feld erzeugen als ein magnetisches.""

    Will heißen: Künftige Festplatten auf Basis von Magnetwirbeln ließen sich im Prinzip deutlich schneller beschreiben und auslesen als heute möglich. Auch die neue Entdeckung aus der magnetischen Grundlagenforschung könnte also durchaus einmal ihren Weg in jeden PC finden. Voreilige Erwartungen dämpft Manfred Fiebig aber lieber. Den von einer Wochenzeitung verliehenen Ehrentitel des Mr. Festplatte werde er Peter Grünberg sicher nicht streitig machen, sagt er. Fiebig:

    "Wir haben im Moment diese Ordnungsstruktur beobachtet. Also wir haben nicht in das System eingegriffen. Wir haben uns nur angesehen, was macht die Natur da für sich. Jetzt müssen wir aber noch praktisch den Schreibprozess realisieren. Das heißt: Wir müssen wirklich das System von außen verändern. Mit anderen Worten: Wir müssen den Drehsinn in diesem Kreisverkehr im Uhrzeiger- oder gegen den Uhrzeigersinn gezielt setzen können. Nur dann kann man von einem Schreibprozess sprechen. Und das haben wir noch nicht gemacht. Und das brauche ich natürlich, wenn ich eine Festplatte baue."