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Mais im Tank oder Gas aus Biomüll

Zwei Drittel des deutschen Energieverbrauchs entstehen im Verkehr, 90 Prozent der Treibstoffe bestehen aus Erdöl. Das soll sich ändern. In ihrer neuen Kraftstoffstrategie will die Bundesregierung ehrgeizige Klimaziele und wachsendes Verkehrsaufkommen unter einen Hut bringen.

Von Manuel Waltz | 11.06.2013
    Ein Industriegebiet am Rande der Hauptstadt. Behutsam steuert der Fahrer seinen Müllwagen rückwärts an den riesigen Sammeltrog aus Beton. Die Klappe öffnet sich und der wertvolle Rohstoff fällt gut fünf Meter in die Tiefe. Mikroorganismen produzieren aus dem Biomüll Gas, mit dem künftig die Müllwagen der Stadtreinigung angetrieben werden: ein millionenschweres Hightech-Projekt. In der nagelneuen Anlage, dem ganzen Stolz der Berliner Stadtreinigung, riecht es nach Bauernhof.

    "Bauernhof ist natürlich ein guter Vergleich, weil der biologische Prozess im Fermenter ist genau das Gleiche, was im Verdauungstrakt eines Wiederkäuers einer Kuh passiert. Das heißt: Im Fermenter haben Sie im Prinzip einen riesengroßen Kuhfladen."

    Thomas Rücker ist der Projektleiter und hat die Anlage maßgeblich geplant. Tatsächlich ist die grundlegende Technik nicht neu, die Anwendung aber und die Umsetzung sind bisher einzigartig. Denn anstatt aus dem gewonnenen Biogas Strom und Wärme zu gewinnen, nutzt die Stadtreinigung es, um Diesel zu sparen.

    "150 gasbetriebene Müllsammelfahrzeuge fahren damit im Jahr. Das sind rund zweieinhalb Millionen Kilometer, Sammelkilometer, die wir damit fahren und damit können wir rund 60 Prozent des kommunalen Abfalls in Berlin klimaneutral sammeln und transportieren."

    Der Verkehr ist in Deutschland für etwa ein Drittel des Energieverbrauchs verantwortlich. Zu mehr als 90 Prozent wird diese Energie immer noch aus Erdöl gewonnen. Daran muss sich etwas ändern, will das Land seine Klimaschutzziele erreichen: Denn die Bundesregierung hat sich dazu verpflichtet, den Energieverbrauch im Verkehrssektor bis 2050 um 40 Prozent und den CO2-Ausstoß um 80 Prozent zu verringern. Gerade das Biogas-Projekt der Berliner Stadtreinigung zeigt aber, dass es für einen klimaschonenden, CO2-armen Verkehr nicht eine einzige Lösung geben kann. Denn der Müll aus der Hauptstadt kann nicht einmal Treibstoff für alle Lastwagen liefern, die ihn einsammeln. Neue Technologien, Energieträger und Fahrzeuge werden nötig sein, um auch auf Deutschlands Straßen die Energiewende voranzubringen.

    Morgen wird die Bundesregierung eine Nationale Mobilitäts- und Kraftstoffstrategie vorstellen. Rainer Bomba ist Staatssekretär im federführenden Bundesverkehrsministerium. Für ihn war dabei die Frage zentral, ...

    "… mit welchen Mobilitäts-, mit welchen Antriebskonzepten und mit welchen neuen Kraftstoffen gehen wir in die Zukunft, was können wir dem Bürger bieten, dass er sichere, saubere und bezahlbare Kraftstoffe hat?"

    Das Strategiepapier der Bundesregierung ist ein erster Versuch, einen umfassenden Überblick über den Verkehr, die Fahrzeuge und unterschiedliche Energieträger zu geben. Sie spannt darin den Bogen von normalen PKWs über Bahnen, den Schwerverkehr, die Schifffahrt bis zum Flugverkehr. Im Mittelpunkt steht die Einschätzung, dass der Verkehr in Zukunft wesentlich differenzierter werden wird: Elektromobilität, Brennstoffzellen, Gasantriebe, all das wird eine Rolle spielen. Auch der Einsatz von Biokraftstoffen, diese mittlerweile höchst umstrittene Technologie, wird für den deutschen und europäischen Verkehr in den kommenden Jahren unverzichtbar sein, so ist dort zu lesen.

    Bis vor Kurzem sah es noch so aus, als seien Biokraftstoffe, gewonnen aus Mais, Raps und anderen Energiepflanzen, die Lösung aller Probleme. Alle schienen zu profitieren: die Landwirte, die Umwelt und letztlich über den Preis auch die Autofahrer. Doch schon bald folgte die Ernüchterung: Statt Nahrungsmittel wurden Pflanzen für den Tank angebaut, die Nahrungsmittelpreise auf den Weltmärkten stiegen und steigen nach wie vor, Regenwälder werden für die zusätzlich benötigten Äcker gerodet. Rechnet man diese Effekte mit ein, haben Biokraftstoffe teilweise eine schlechtere CO2-Bilanz als Benzin oder Diesel. Entsprechend skeptisch waren die Autofahrer, als im Jahr 2011 das neue E10 Benzin mit zehn Prozent Bioethanol eingeführt wurde. Rainer Bomba:

    "Und ich kann die Menschen verstehen, wenn wir vor Augen haben, dass wir in den nächsten Jahren wieder eine Milliardengrenze überschreiten bei der Weltbevölkerung. Ganz klar geht eins vor: Die Menschen müssen ausreichend und gut ernährt werden."

    Dennoch sieht die Realität so aus, dass auf Deutschlands und Europas Straßen jede Menge Biokraftstoffe verbrannt werden: E10 enthält bis zu zehn Prozent, normales Benzin etwa fünf Prozent Ethanol und Diesel acht Prozent Pflanzenöle – allesamt angebaut auf Flächen, die genauso gut Nahrungsmittel liefern könnten.

    Diese Biokraftstoffe sind zertifiziert, ihre Nachhaltigkeit ist damit nachgewiesen. Allerdings hängt das davon ab, was man in die Rechnung mit einbezieht. Das meiste Ethanol für E10 wird in Deutschland selbst hergestellt, meist aus Mais oder Zuckerrüben. Parallel dazu importiert das Land enorme Mengen Futtermittel, beispielsweise Soja aus Brasilien. Würde der heimische Mais nicht für die Kraftstoffgewinnung, sondern als Futtermittel genutzt, könnten die Soja-Importe deutlich reduziert werden. Das würde den Druck, Wälder im brasilianischen Amazonas-Gebiet zu roden, verringern. Diese Rechnung bringt Lars Mönch vom Umweltbundesamt zu einer einfachen Schlussfolgerung:

    "Wir sehen in biogenen Rohstoffen keinen nennenswerten Anteil zur regenerativen Energieversorgung. Abfall und Reststoffe nutzen ja, aber eben die anbaubasierte Biomasse, da sage ich einmal, muss es eigentlich einen strukturierten Ausstieg geben."

    Mit dieser Forderung, mittelfristig ganz auf Kraftstoff aus Mais und Raps zu verzichten, steht das Umweltbundesamt derzeit auf Regierungsebene noch recht alleine. In Deutschland ist in den vergangenen Jahren eine gewaltige Industrie für Biosprit entstanden. Ein großer Teil von ihnen ist im Bundesverband der deutschen Bioethanolwirtschaft organisiert. Dessen Vorsitzender Dietrich Klein sieht die Zukunft des Biosprit naturgemäß ganz anders als das Umweltbundesamt.

    "Für Benzin ist Bioethanol praktisch die einzige Alternative zum Erdöl, Bioethanol kann heute schon bis zu zehn Prozent Benzin ersetzen, in den nächsten Schritten gehen wir weiter in Größenordnungen von 20, 25 Prozent."

    Für Dietrich Klein besteht bisher kein erwiesener Zusammenhang zwischen der großflächigen Nutzung von Biosprit in den Industrieländern und Hunger in der Dritten Welt, im Gegenteil:

    "Dadurch, dass wir unsere Agrarprodukte nicht in Entwicklungsländer exportieren, sondern sie selber verbrauchen, dadurch erhält die Landwirtschaft dort die Möglichkeit, sich zu entwickeln."

    Die Kraftstoffstrategie der Bundesregierung sieht nicht vor, künftig mehr anbaubasierten Biosprit für PKW zu nutzen. Aber dennoch wird künftig eher mehr als weniger Energie aus Biomasse genutzt werden. Denn neben dem Verkehr auf der Straße muss auch der Schiff- und Flugverkehr seinen CO2-Ausstoß drastisch reduzieren.

    "Im Flugbereich, glaube ich, wird es mittel- und langfristig in Richtung Biokraftstoffe laufen oder Biokraftstoffbeimischung."

    Prognostiziert Rainer Bomba aus dem Bundesverkehrsministerium. Denn der Energiebedarf eines Passagier- oder Transportflugzeugs ist enorm, es bedarf daher eines Kraftstoffs mit sehr hoher Energiedichte, elektrische Antriebsformen oder ein Gasbetrieb ist in absehbarer Zeit nicht möglich. Im Strategiepapier der Bundesregierung ist das so formuliert:

    "Die Herausforderung besteht für den Luftfahrtbereich darin, kerosingeeignete Biomasserohstoffe zur Verfügung zu haben, die nicht nur die Nachhaltigkeitsanforderungen erfüllen, sondern bei denen die daraus hergestellten Kraftstoffe auch den strengen Kraftstoffqualitätsanforderungen des Luftverkehrs entsprechen."

    Doch selbst wenn heute EU-weit alle Pflanzenöle und Fette, die sich für die Kerosinherstellung eignen, für den deutschen Flugverkehr genutzt würden, so könnte damit nur etwa zehn Prozent des Bedarfs gedeckt werden. Hinzu kommt, dass es immer mehr Flugzeuge am Himmel gibt, Tendenz weiter stark steigend. Um die Klimaziele im Flugverkehr zu erreichen – dazu zählt ein CO2-neutrales Wachstum bis 2020, nur noch halb so viel CO2-Ausstoß bis 2050 – sind also enorme Anstrengungen nötig.

    Vor diesem Hintergrund hat man sich verstärkt auf die Suche nach alternativen Biokraftstoffen gemacht. Günther Oettinger, der europäische Energiekommissar, sieht die Zukunft vor allem im Meer und in den Wäldern: Holz und Algen sollen saubere Energie für den Verkehr liefern. Franziska Müller-Langer ist Wissenschaftlerin am Deutschen Biomasseforschungszentrum in Leipzig. Sie schraubt die Erwartungen an diese vermeintlichen Heilsbringer aus dem Meer deutlich zurück.

    "Wir haben das also hier im Haus auch gemacht, dass wir auf Basis verfügbarer Algen, die hatten wir von einem Projektpartner zur Verfügung gestellt bekommen, hier mal versucht haben, den Nachweis anzutreten, ist es wirklich so einfach, Biodiesel aus Algen zu machen, was ja stark auch in den Medien propagiert wurde und mussten feststellen, dass das also mitnichten so ist. Wir haben da wirklich im Reagenzglasmaßstab versucht da Öl zu extrahieren, das ist also keineswegs trivial."

    Zudem sind Algen derzeit noch viel zu teuer. Eine Tonne kostet etwa 4000 bis 7000 Euro. Um wirtschaftlich Biokraftstoff daraus herstellen zu können, müsste der Preis um die 50 Euro liegen, schätzt Franziska Müller-Langer, also bei rund einem Hundertstel des heutigen Preises. Realistisch ist das in den kommenden Jahren nicht.

    Müll dagegen ist zwar günstig, steht aber nur in sehr begrenztem Umfang zur Verfügung. Er wird vermutlich nur in kleineren Kreisläufen sinnvoll genutzt werden können, wie bei der Berliner Stadtreinigung oder in der Landwirtschaft beispielsweise. Holz oder Stroh sind heute schon zu einem guten Preis zu haben. Sie könnten theoretisch so angebaut werden, dass sie nicht in Konkurrenz zu Nahrungsmitteln treten – auf sogenannten "degradierten Flächen". Das sind Böden, die nicht als Acker verwendet werden können. Es gibt Studien, die zum Beispiel in der Ukraine riesige Potenziale ausmachen. Doch auch hier ist Lars Mönch vom Umweltbundesamt skeptisch.

    "Auch die Holzproduktion hat natürlich ihre Vor- und Nachteile. Und es wird ja auch immer von dem Potenzial der degradierten Flächen gesprochen, obwohl es eben noch keine eindeutige Definition gibt, was ist eigentlich eine degradierte Fläche. Also in sofern hat man dort eine große Breite an Flächenpotenzialen je nachdem die, sagen wir mal, je nach Interessenslage stark schwanken kann."

    Neben den Unsicherheiten über die Fläche für die Holzproduktion zeichnen sich bereits jetzt große Probleme beim Anbau ab. Britische Wissenschaftler haben gezeigt, dass der großflächige Anbau von schnell wachsenden Hölzern wie Pappeln, Weiden oder Eukalyptus dazu führt, dass die Umgebung stark mit Ozon belastet wird. Das Gas ist für Menschen und Tiere giftig. Zudem müssten auch in großem Maße Pestizide und Herbizide eingesetzt werden, um gute Erträge zu erreichen.
    Und schließlich ist man auch hier noch weit von einer industriellen Produktion entfernt. Choren, ein Unternehmen, das sich daran vor einigen Jahren versucht hat und an dem große Konzerne wie Daimler und Volkswagen beteiligt waren, musste den Gang in die Insolvenz antreten und dient in der Branche als abschreckendes Beispiel. Franziska Müller-Langer vom Leipziger Biomasseforschungszentrum sieht ähnliche Schwierigkeiten.

    "Was man auch klar noch mal sagen muss, wenn ich auf andere Rohstoffe gehe, wie sie ja auch der EU-Vorschlag vorsieht, dann kann ich nicht ohne Weiteres bestehende kommerziell etablierte Verfahren einsetzen. Weil die sind immer auf einen bestimmten Rohstoff bezogen oder auf eine bestimmte Rohstoffbandbreite. Und ich kann das nicht mal eben übertragen und davon ausgehen, dass ich dann zu gleichen Kosten einen gleich-qualitativen Kraftstoff bekomme."

    Biomasse ist nicht gleich Biomasse, die verschiedenen Ausgangsstoffe – Müll, Mais, Raps, Holz oder Algen – liefern immer nur bestimmte Kraftstoffe. Oder aber das Verfahren ist so aufwendig, dass es nicht wirtschaftlich betrieben werden kann.

    Thomas Rücker von der Berliner Stadtreinigung blickt in das Herz der Biogasanlage: Riesige Stahlschaufeln wenden die braune Masse. Auch er hatte mit diesem Problem zu kämpfen. Denn er verfügt nur über einen einzigen Rohstoff: Biomüll. Daraus kann man Biomethan herstellen, nichts anderes, so Thomas Rücker.

    "Leider haben wir noch keine Mikroorganismen, die Diesel sozusagen, oder einen flüssigen Kraftstoff herstellen können, sonst würden wir das natürlich machen, aber das geht biologisch nicht."

    Daher musste die Stadtreinigung, neben den Investitionen in die Anlage selbst, auch einen großen Teil ihrer Müllwagenflotte auf Gasbetrieb umstellen und noch mal viel Geld ausgeben.

    Die Mobilitäts- und Kraftstoffstrategie der Bundesregierung versucht, all diese Hindernisse und Probleme aufzuzeigen und vermeidet es, falsche Hoffnungen zu wecken. Formulierungen wie diese über die Potenziale von Biokraftstoffen im Flugverkehr finden sich an vielen Stellen des Dokuments:

    "Das sind jedoch Optionen, die heute noch mit großen Unsicherheiten verbunden sind und wirtschaftliche sowie umweltseitige Risiken bergen."

    Deutlich wird, dass weder auf der Antriebs- noch auf der Kraftstoffseite eine einfache Lösung in Sicht ist, wie im Verkehrssektor die Klimaschutzziele erreicht werden können. Die Regierung hat sich bemüht, vorbehaltlos alle technischen Möglichkeiten aufzuzeigen und die Risiken zu benennen, oder wie Staatssekretär Rainer Bomba es formuliert:

    "Wir gehen technologieoffen an die Thematik heran, das heißt, wir probieren momentan sehr vieles aus."

    Die Pläne der Bundesregierung sind als so genannte "lernende Strategie" angelegt. Das heißt, man will sich nicht festlegen und sich der laufenden Entwicklung und neuen Erkenntnissen immer wieder anpassen. Diese Offenheit führt aber dazu, dass man eine eindeutige Richtung oder klare Zielsetzungen, wo genau die Entwicklung hingehen soll, nur an wenigen Stellen findet.
    "Ich bin der Meinung, wir werden die Biokraftstoffe langfristig einsetzen, aber nicht überall, sondern nur da, wo es sinnvoll erscheint."

    Darunter fällt laut Staatssekretär Rainer Bomba der Flugverkehr. Der Einsatz in PKWs ist nach Meinung der meisten Experten dagegen nicht sonderlich sinnvoll, da Biomasse nur sehr begrenzt zur Verfügung steht. Im Individualverkehr gibt es bessere Alternativen: Brennstoffzellen oder Elektroantriebe beispielsweise. Das zeigt eine Vergleichsrechnung: Für ein Elektroauto, das im Jahr 14.000 Kilometer fährt, reicht die Energie einer Fotovoltaik-Anlage, die 20 Quadratmeter einnimmt. Ein Verbrennungsmotor mit derselben Leistung braucht dagegen Biosprit aus Raps, der auf 5000 Quadratmetern angebaut wird. Bärbel Höhn, die für die Grünen im Bundestag sitzt, vermisst bei der Regierungspolitik klarere Vorgaben an die Industrie, wie die Klimaschutzziele zu erreichen sind.

    "Also, es ist eindeutig so, dass von der Politik auch Leitplanken festgelegt werden müssen, und innerhalb dieser Leitplanken muss es dann einen Wettbewerb und einen Markt geben. Das ist eigentlich das Allerbeste."

    Unter solchen Leitplanken versteht die Grünen-Politikerin beispielsweise ambitionierte Vorgaben an die Automobilindustrie zum CO2-Ausstoß. Beim Thema Elektromobilität sieht sie gar Deutschland den Anschluss verlieren, da die Regierung zwar viele schöne Worte, aber wenig Konkretes biete. Insgesamt vermisst sie eine ordnende Hand in dem unübersichtlichen Markt. Denn nicht nur die Verbraucher haben Probleme zu überblicken, wie der Verkehr der Zukunft aussehen wird: Auch in der Industrie herrscht bisher eher eine abwartende Haltung, keiner will viel Geld in die Hand nehmen und damit womöglich auf das falsche Pferd setzten. Zu unübersichtlich sind die Möglichkeiten, welche Systeme sich künftig für welchen Sektor durchsetzen werden.

    In dem Papier der Bundesregierung wird immer wieder auf das Henne-Ei-Problem verwiesen. Dabei geht es um die Frage, was zuerst da sein muss: die Infrastruktur, die dafür sorgt, dass die unterschiedlichen Energieträger aufgenommen werden - oder die entsprechenden Antriebstechnologien. Ein Beispiel macht das Dilemma deutlich: Elektroautos haben eine geringe Reichweite, brauchen folglich ein besonders dichtes Netz von Stromzapfsäulen. Doch das Gegenteil ist der Fall, es gibt sie kaum. Daher sind Elektroautos bisher eher Ladenhüter. Das wiederum führt zu einer geringen Nachfrage nach Elektrozapfsäulen, und ihre Zahl steigt weiterhin nur sehr langsam. Der Regierung ist das Problem bewusst. Rainer Bomba will aber vermeiden, sich durch eine zu frühe Festlegung auf bestimmte Techniken vereinnahmen zu lassen.

    "Da spielen gerade bei einem solchen Milliardenmarkt, Sie müssen sich ja überlegen, das ist ein riesen Markt, die Kraftstoffe und neue Mobilitätskonzepte, spielen unwahrscheinlich viele Interessen eine Rolle und die Politik muss hier sehr genau aufpassen, dass sie nicht zu sehr in gewisse Interessenskonflikte reingezogen wird."

    Die sauberste Energie, da sind sich Opposition und Regierung einig, ist die, die gar nicht verbraucht wird. Umwelt- und klimaschonender Verkehr umfasst daher wesentlich mehr, als nur Antriebe und Kraftstoffe. Die Stadt der kurzen Wege beispielsweise, mehr Fahrten mit dem Fahrrad, auch der Kauf regionaler Produkte reduzieren den Energieverbrauch. Aber es wird weiterhin eben auch den Individualverkehr geben, Flugzeuge, Schiffe und Bahnen genauso wie den Last- und Fernverkehr. Wohin die Reise gehen wird, welche Technologien wo am besten eingesetzt werden, oder wie das Henne-Ei-Problem zu lösen ist: An all diese Weichenstellungen wagt sich die Bundesregierung nicht heran mit ihrer "Mobilitäts- und Kraftstoffstrategie":

    "Wir haben uns erst einmal dafür entschieden, dass wir die Forschung und Entwicklung unterstützen, und zwar mit nicht wenig Geld. Und wenn wir merken, dass der Markthochlauf und die Marktdurchdringung nicht erfolgt, sagt die Kanzlerin sehr deutlich, werden wir uns zusammensetzen, werden überlegen, ob wir nicht auch monetäre Anreize schaffen, aber das ist momentan nicht der Fall, darüber haben wir nicht geredet, wir beobachten jetzt erst mal."