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"Maison de Plaisance": Ernste Werke im Lustschloss

Das städtische Museum im Leverkusener Schloss Morsbroich zeigt in einer gemeinsamen Ausstellung Werke von Rosemarie Trockel und Paloma Varga Weisz. Dabei lassen sich sowohl formale wie auch thematische Ähnlichkeiten bei beiden Künstlerinnen entdecken, besonders im Bezug auf eine intensive Auseinandersetzung mit dem menschlichen Körper.

Christiane Vielhaber im Gespräch mit Stefan Koldehoff | 18.06.2012
    Stefan Koldehoff: Das kleine städtische Museum im Leverkusener Schloss Morsbroich hat sich in den vergangenen Jahren zu einem Ort für häufig ganz großartige Ausstellungen entwickelt – zuletzt mit der Erstpräsentation einer neuen Werkgruppe des Fotografen Michael Schmidt. Nun sind dort zwei Künstlerinnen zu sehen, bei denen ich ehrlich gesagt nicht unbedingt von mir aus auf die Idee gekommen wäre, sie gemeinsam auszustellen: Rosemarie Trockel nämlich, deren Werke gern mal handfest, ironisch, politisch, feministisch sind, und Paloma Varga Weisz, in deren Plastiken und Ensembles gern auch schon mal Märchenwesen eine Rolle spielen.

    Wenn ich dann noch im Pressetext lese, Christiane Vielhaber, dass das barocke Lustschloss als titelgebendes "Maison de Plaisance, das intellektuelle Spiel der Ähnlichkeiten und Unterschiede in Gang setzen" soll, dann kling auch das ein bisschen unverbindlich und ein wenig nach: "Eigentlich wollten wir immer schon gerne zusammen". Belehren Sie mich gern eines Besseren.

    Christiane Vielhaber: Letzteres stimmt. Die beiden haben sich wohl – ich weiß jetzt nicht, auf welchen Ausstellungen, Gruppenausstellungen die zusammen mal was gemacht haben, denn Frau Paloma Weisz ist Jahrgang 66, Frau Trockel Jahrgang 52, sie kann also bei Frau Trockel nicht in Düsseldorf studiert haben. Hingegen gibt es drei Meisterschüler von Frau Trockel, die im Park jetzt etwas Lustiges machen.

    Herr Koldehoff, ich habe auch nach Ankündigung Lustschloss und so gedacht, das wird jetzt ganz lustig. Es geht ziemlich ernst zu. Aber dann gibt es gleich zu Anfang den ersten Raum, da sind beide gemeinsam drin mit einer Arbeit, und wenn Sie dann rechts gehen, sind lauter Aquarelle von Frau Weisz. Und in dem Moment, als ich da rein ging – es waren noch keine Beschriftungen da, und das ist das Tückische in unserem Beruf manchmal -, ich war ganz sicher, dass das Aquarelle von Rosemarie Trockel waren.

    Zum Beispiel ein rauchender Busen, wo richtig aus der Brustwarze so eine Zigarette kommt oder ein Mann mit Karottennase oder mit Hitler-Bärtchen oder phallische Symbole, und immer wieder Tiere, und von der Art des Aquarells – das mögen mir beide jetzt übel nehmen -, es hätte auch Frau Trockel sein können.

    Während im Raum daneben dann, wo Frau Trockel ihre Editionen zeigt, die haben eigentlich etwas mit dieser Ausstellung zu tun, wo die beiden zusammenspielen, die haben etwas mit Geben und Nehmen zu tun. Wenn sie bei ihrer Galeristin Monika Sprüth etwas gemacht hat, dann hat Monika Sprüth ihr ein Foto gegeben, dann hat sie was mit Kippenberger gemacht, also man erkennt bestimmte Leute auf diesen Editionen.

    Aber was beiden gemeinsam ist, ist die Auseinandersetzung - vielleicht bei Paloma Varga Weisz nicht unbedingt mit der eigenen Geschlechtlichkeit oder mit feministischen Forderungen oder Ansprüchen, sondern die Arbeit mit Keramik, die Lust an der Keramik, das muss man schon sagen, und die Auseinandersetzung mit dem menschlichen Körper.

    Koldehoff: Sie haben beschrieben, dass es formale Ähnlichkeiten gibt, die selbst Sie noch zur Verwirrung gebracht haben.

    Vielhaber: Ja!

    Koldehoff: Was ist mit den Themen? Gibt es da Ähnlichkeiten? Sie haben gerade gesagt, es liegt eigentlich eine Generation oder eine Halbe zwischen beiden. Haben sie gleiche Themen?

    Vielhaber: Bei Frau Varga Weisz ist es eigentlich doch so, dass vieles sehr biografisch ist. Sie haben einen großen Raum, und dann liegt auf dem Boden aus Keramik abgeformt eine alte Frau. Wie zu erfahren war, ist das ihre Mutter, die eigentlich schon da liegt wie eine Leiche, und sie ist übrigens auch vor ganz kurzer Zeit gestorben. Sie hat in den oberen Räumen, was wir beide eigentlich nur von Hodler in dieser Intensität kennen, das Sterben ihres Vaters mit dem Bleistift dokumentiert, bis er wirklich völlig eingefallen ist. Das ist anrührend.

    Auf der anderen Seite gibt es aber auch ein Thema, wo ich das Gefühl habe, beide sind mit diesem Schloss umgegangen – nicht im Sinne, dass da früher die Leute Spaß gehabt haben, dass das ein Lustschloss war, sondern dass jemand dafür gearbeitet hat. So gibt es zum Beispiel von Rosemarie Trockel eine Voliere mit drei Vögeln darin und der eine kleine wetzt immer hin und her, von Maschinen getrieben, zack, zack, zack, zwei größere sitzen oben, die drehen sich nur mal so um, und dann ist in diesem Käfig noch eine Klingel, wie man sie vom Hotel kennt, wenn keiner in der Rezeption ist, und dann klingelt man da, und man hört es auch und dann, wie dieser kleine Vogel hin und her und hin und her.

    Oder von Rosemarie Trockel ein isoliertes Bein mit Netzstrumpf, aber dann Flip-Flops an, und dann sehen Sie schon, dass diese Person offenbar, die zu diesem Bein gehört, auch hin- und herwetzen muss und eigentlich auch dienen muss. Also das sind so Sachen – vielleicht sind sie mir nur eingefallen im Sinne von Schloss, aber dieses gefangen sein, das kommt häufiger.

    Koldehoff: Also verlassen wir uns nicht unbedingt auf die Texte von Pressemitteilungen und auf die Titel von Ausstellungen. "Maison de Plaisance" heißt die Ausstellung von Rosemarie Trockel und Paloma Varga Weisz in Leverkusen im Schloss Morsbroich. Vielen Dank, Christiane Vielhaber.