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Makaken als Rattenfänger
Affenart könnte Palmöl-Produktion nachhaltiger machen

Der sogenannte Südliche Schweinsaffe, eine Makaken-Art, hat sich auf die Rattenjagd auf Palmöl-Plantagen spezialisiert. Mit dem Einsatz der Tiere könne die Palmöl-Produktion nicht nur nachhaltiger, sondern auch effizienter werden, sagte die Biologin Anja Widdig im Dlf. Und auch die Affen könnten profitieren.

Anja Widdig im Gespräch mit Michael Boeddeker | 23.10.2019
Südlicher Schweinsaffe (Macaca nemestrina), Männchen, Vorkommen auf der Malaiischen Halbinsel
Eine Gruppe von Südlichen Schweinsaffen kann bis zu 3.000 Ratten pro Jahr auf einer Palmöl-Plantage töten - und so die Ernteschäden minimieren (imago / imagebroker)
Michael Boeddeker: Palmöl steckt in vielen Nahrungsmitteln, in Waschmitteln und auch in Bio-Kraftstoffen. Der Bedarf an Palmöl ist also hoch. Für die Umwelt ist das schlecht. Denn oft wird für Palmöl-Plantagen Regenwald abgeholzt. In Malaysia zum Beispiel.
Und was noch dazu kommt: Ein großer Teil der Palmöl-Ernte geht regelmäßig verloren, weil er von Ratten gefressen wird. Um die Ratten auf den Plantagen loszuwerden und so den Anbau zumindest etwas effizienter zu machen, sollten die Plantagenbesitzer auf andere Tiere setzen. Das besagt eine neue Studie im Fachblatt "Current Biology". Denn eine bestimmte Makaken-Art, der Südliche Schweinsaffe, könnte beim Kampf gegen die Ratten helfen.
Eine der Autorinnen ist Verhaltensbiologin Anja Widdig von der Universität Leipzig. Ich habe sie gefragt, was denn diese Affen auf den Plantagen bewirken können.
Anja Widdig: Was wir jetzt in der Studie gefunden haben, und was uns sehr überrascht hat, ist, dass die Affen die Ratten fressen. Normalerweise ist diese Makaken-Art eher als fruchtliebend charakterisiert. Und wir konnten anhand unserer Hochrechnungen feststellen, dass eine Gruppe pro Jahr sogar 3.000 Ratten konsumiert.
Eine Luftaufnahme zeigt Palmöl-Plantagen in Indonesien. Palmöl steckt in Kosmetik, in Schokolade und - trotz seines Rufs als Klimakiller - in Biokraftstoffen.
Bis zu zehn Prozent der Palmöl-Ernte wird jährlich von Ratten gefressen (dpa / EPA / Bagus Indahono)
Widdig: Affen jagen im Team
Michael Böddeker: Also eine ganze Menge Tiere. Wie schaffen die Affen das? Ratten sind ja ziemlich schnell. Wie schaffen die das, die Ratten zu fangen? Haben Sie die mal beobachtet dabei?
Widdig: Genau. Ein Teil der Arbeit beruht ja auf Verhaltensbeobachtungen. Das Besondere daran ist, dass sie aktiv nach den Ratten suchen und dabei sehr zielgerichtet vorgehen. Das heißt, sie klettern auf diese Palmen hinauf und entfernen den Blattgrund von bereits abgefallenen Palmenblättern - an den Stämmen der Palmen bleiben diese ja zurück.
Und da verstecken sich die Ratten tagsüber. Und so gelangen sie an diese Ratten heran und können die direkt festhalten, bevor die Ratten fliehen. Manchmal bei den Fang-Aktionen fallen die Ratten aber auch von den Palmen hinunter. Und da warten dann schon andere Tiere, die zu bequem sind, hochzuklettern. Meist sind es die ranghohen Tiere, also die, die das Sagen in den Gruppen haben. Die sitzen dann meist unten neben den Palmen und warten darauf, dass die Ratten vom Himmel fallen.
Böddeker: Also auch Teamwork ein Stück weit.
Widdig: Ja.
Ernte-Schaden durch Ratten kann bis zu zehn Prozent betragen
Böddeker: Jetzt ist es ja so, dass die Landwirte die Affen bisher auch eher als Schädlinge sehen, denn die fressen ja auch die Früchte der Ölpalmen. Ist das nicht genauso schlecht für den Anbau, wenn die Affen die Früchte fressen, als wenn die Ratten die Früchte fressen?
Widdig: Na ja, die Literatur sagt, dass der Schaden durch die Ratten bis zu zehn Prozent der Ernte ergeben kann. Für die Makaken konnte man ermitteln, dass es eigentlich nur 0,65 Prozent des gesamten Ertrages ausmacht in den Gebieten, wo Affen vorkommen.
Böddeker: Das heißt, unter dem Strich bleiben so mehr Früchte übrig, wenn die Affen vorhanden sind?
Widdig: Genau. Man könnte durch die erfolgreichen Jagdstrategien sogar eine Ertragserhöhung von sieben Prozent erreichen.
Eulen könnten Affen bei der Rattenjagd unterstützen
Böddeker: Jetzt gibt es auch noch die Idee, dass noch andere Raubtiere mithelfen könnten, die Ratten zu bekämpfen, Raubvögel nämlich, Eulen. Wie ist das? Würden sich da nicht die Eulen und die Affen Konkurrenz machen um die Ratten?
Widdig: Eigentlich nicht, weil die Eulen nachtaktiv sind und die Makaken tagaktiv. Das wäre also eine sehr gute Ergänzung in der Bekämpfung dieser Schädlinge.
Böddeker: Also eine gute Arbeitsteilung. Was wäre denn die Schlussfolgerung aus all dem, was wäre die Lösung? Wie könnten Landwirte und Makaken am besten zusammenleben und voneinander profitieren?
Widdig: Unser Wunsch ist, dass die Besitzer von Plantagen hier auch eine Möglichkeit einer Win-win-Situation erkennen - nämlich für die Biodiversität, aber auch für die Palmölindustrie. Das heißt, auf der einen Seite den Makaken zum Beispiel durch Wildtierkorridore das Überleben dieser Population zu sichern. Denn durch die Fragmentierung ihres Lebensraumes ist dies auch extrem gefährdet. Auf der anderen Seite: Durch die Möglichkeit der natürlichen Schädlingsbekämpfung, hier nachhaltiger Palmöl zu produzieren, denken wir, dass es ein ganz wichtiger Ansatz ist für die Biodiversitätserhaltung unseres Planeten.
Böddeker: Wenn Sie Wildtierkorridore sagen, wie muss ich mir das vorstellen? Ist das dann ein Weg von einer Plantage zur anderen, den die Makaken gehen könnten?
Widdig: Zum Beispiel, genau. Und damit würde der genetische Austausch zwischen fragmentierten Populationen ermöglicht sein, was ganz extrem wichtig ist für das Überleben einer Art, die in einem fragmentierten Raum vorkommt.
Böddeker: Ja, Sie sagen es auch, diese besondere Affenart, dieser Südliche Schweinsaffe, der gilt ja auch als gefährdet. Könnte das auch helfen, am Ende die Art zu stabilisieren?
Widdig: Auf jeden Fall! Und die Daten, die wir momentan vorliegen haben, sind schon zehn Jahre alt. Und in den letzten zehn Jahren ist das Gebiet von Malaysia mit so viel weiteren Hektar Palmölplantagen überrannt worden, so dass wir gar keine aktuellen Zahlen haben, wie viele von den Wildtierarten oder Populationen, einschließlich unserer Makakenart, überhaupt noch vorkommen. Und damit, mit solchen Wildtierkorridoren, könnten wir die Wanderbewegung, die zu dem natürlichen Genaustausch zählt, natürlich optimieren.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.