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Make-up für die Ewigkeit

Chemie. – Vor Jahrtausenden entwickelten Kulturvölker Methoden, um die Leichname ihrer Verstorbenen für die Ewigkeit zu konservieren. Doch der umgekehrte Weg, heute diese Verfahren und die Geheimnisse um geeignete Substanzen und Chemikalien zu rekonstruieren, bereitet Forschern Kopfzerbrechen. Jetzt werteten Wissenschaftler aus Tübingen und München antike Texte aus und analysierten gleichzeitig mit modernen biochemischen Methoden die Grabbeigaben einer Mumie. Erstmals konnte auf diese Weise nachgewiesen werden, mit welcher Substanz die alten Ägypter ihre Mumien einbalsamierten. Überdies konnte die Arbeit, die in der aktuellen Ausgabe des britischen Forschungsjournals ''Nature'' veröffentlicht wurde, eine schlichte, aber lange bestehende Verwechselung ausräumen.

    Ramses II. ging in die Geschichte als einer der bedeutendsten Pharaonen ein. Um seinen Körper für die jenseitige Welt zu erhalten, bereiteten Priester den Leichnam des Ramses nach alter Prozedur vor, schildert Ulrich Weser, Professor für anorganische Biochemie an der Universität Tübingen: "Sein Bauch wurde mit einem rituellen, äthiopischen Steinmesser aufgeschnitten, die Eingeweide entnommen und in so genannten Kanopengefäße - Vasen aus Alabaster – gelegt, bevor sie dann mit Konservierungsstoffen behandelt wurden." Anschließend wurde der Körper mit Salzen, Natron und auch Borsäure entwässert. Doch über die beim Einbalsamieren verwendeten Substanzen herrschte bis heute Unklarheit. Ein Grund dafür lag ganz einfach an einem Übersetzungsfehler: "Es gibt die kleine oder Spanische Zeder mit dem Namen Juniperus oxycedrus. Man spricht von Zeder, aber es sollte eine Art Wacholder sein." So wurde fälschlicherweise Wacholder übersetzt. Für zusätzliche Verwirrung sorgte, dass vielen Mumien in Öl eingelegte Wacholderbeeren in die Hände gegeben worden waren. Dies habe aber nicht der Konservierung, sondern eher der Parfümierung gedient, so Weser.

    Den Durchbruch brachte dann die gaschromatographische und massenspektrometrische Analyse von unbenutztem Balsamierungsmaterial, das den Forschern von der ägyptischen Abteilung des Metropolitan-Museum in New York zur Verfügung gestellt wurde. "In diesem erhärteten Teerfragment fanden wir keinerlei Hinweise auf Wacholder." Dafür stieß die Gruppe auf Guajakol, das bei der Verschwelung von Zedernholz austritt - ein besonders widerstandsfähiges, weil noch immer aktives Enzym: "Im Schatzkästchen der molekularen Archäologie, nämlich in mumifizierten Knochen, konnten wir bis in die Zeit des alten Reiches vor etwa 4000 Jahren ein Knochenenzym mit voller immunologischer Aktivität isolieren." Das aufgespürte Guajakol, so fanden die Molekulararchäologen heraus, besitzt erstaunlich konservierende Wirkung, indem es Bakterien effektiv abtötet. Der Befund decke sich mit einer Schilderung von Plinius dem Älteren, so Ulrich Weser: "Plinius beschreibt, dass Zedernholz in Stückchen gehackt und Feuer draußen herumgelegt wurde. Daraus wurde eine scharfe, wässrige Flüssigkeit gewonnen. Dieses Cedrium, so nennt er es, sei hervorragend geeignet, um die Toten zu konservieren."

    Mit dieser Rezeptur bewaffnet, besorgte sich der Tübinger Biochemiker drei Schweinerippen und präparierte die Knochen außerordentlich erfolgreich mit Zedern-Guajakol. In Amsterdam schloss schließlich Kommissar Zufall den Indizienbeweis, denn in einem großen Schuhgeschäft entdeckte Weser Schuhspanner aus Zedernholz. "Da hat es bei mir geklingelt, dass die Schimmelbildung oder vielleicht sogar Fußpilz damit vernichtet wird. Es ist damit sozusagen die Brücke von antiken Texten bis hin zum einundzwanzigsten Jahrhundert geschlagen, wo wir Texte der Antike mit modernen naturwissenschaftlichen Methoden verifizieren können."

    [Quelle: Klaus Herbst]