"1990 ging ich an das Massachusetts Institute of Technology in den USA, um mein Arbeitsgebiet zu wechseln. In Boston beschäftige ich mich seither mit ultrakalten Atomen und ihren außergewöhnlichen Zuständen", erzählt Wolfgang Ketterle, Professor für Physik am MIT in Cambridge/USA. Die Bose-Einstein-Kondensation, bei der Atome so kalt sind, dass sie sich nur noch in einem einzigen Quantenzustand befinden, sei damals ein Traumziel gewesen, das unerreichbar weit entfernt schien. Doch der Traum von Wolfgang Ketterle erfüllte sich nicht nur, er trug ihm sogar den Physiknobelpreis ein. Zusammen mit dem gebürtigen Heidelberger wurden heute ebenfalls die beiden US-Amerikaner Eric Cornell sowie Carl Wieman von der Königlich Schwedischen Akademie der Wissenschaften mit der höchsten Auszeichnung ihres Faches geehrt. Alle drei hatten dazu beigetragen, den theoretischen Zustand von Materie im Bose-Einstein-Kondensat experimentell zu verwirklichen.
Bereits 1924 postulierten Albert Einstein und sein indischer Kollege Satyendra Nath Bose einen Zustand von Materie, der fortan zu einem Gral der Physik wurde. 1995 schließlich gelang es Cornell und Wieman erstmals, ein Bose-Einstein-Kondensat von rund 2 000 Rubidiumatomen bei einer Temperatur nur ein winziges Stück vom absoluten Nullpunkt entfernt herzustellen. Dazu sperrten die US-Physiker eine kleine Wolke aus Gasatomen quasi in eine Falle und kühlten sie mit Hilfe von Laser-Licht bis fast auf Minus 273 Grad Celsius herunter. Auf dem Weg hinunter zu der nötigen Rekordtemperatur verhalten sich die Atome nahezu wie bei Zimmertemperatur - sie bewegen sich chaotisch umher. Mit dem Erreichen der kritischen Schwelle bei etwa 50 Milliardstel Grad Kelvin aber verändert sich ihre Bewegung schlagartig und sie beginnen quasi in einer perfekten Choreografie zu tanzen. In diesem Zustand marschieren die Teilchen in einheitlichem Gleichschritt. Der Effekt beruht auf der Zwitternatur der Atome, die einerseits Quantenteilchen darstellen, andererseits aber auch Wellencharakter besitzen.
Unter der extremen Kälte dominieren aber schließlich die Welleneigenschaften und rufen die Phänomene des Bose-Einstein-Kondensats hervor. Dabei beginnen die Wellen der einzelnen Atome, sich gegenseitig zu überlagern wie kräuselnde Wasserwellen, bis sie schließlich eine einzige große Welle bilden, in der alle Atome gleich schwingen. Um überhaupt derart tiefe Temperaturen zu erreichen, kommen zwei verschiedene Kühlmethoden zum Einsatz: Ein Schritt besteht darin, die Atombewegung der Gaswolke durch gebündeltes Laserlicht abzubremsen. Die Lichtteilchen wirken dabei quasi als Gegenwind, der den Gasatomen ihre Fahrt nimmt. Bei der Verdampfungskühlung werden dagegen die jeweils schnellsten Gasatome aus der Wolke heraus gelassen, während die langsameren gefangen bleiben. Der Durchbruch zum Bose-Einstein-Kondensat kam, als es Cornell und Wieman erstmals gelang, beide Kühlmethoden erfolgreich miteinander zu kombinieren und so unvorstellbare Milliardstel Kelvin zu erreichen.
Wolfgang Ketterle verpasste den Wettlauf um diese Pionierleistung nur sehr knapp. Allerdings konnte der Forscher die Vorstellung von Bose-Einstein-Kondensaten noch vertiefen und seine Chance auf den Nobelpreis wahren, indem es ihm gelang, zwei solcher Wolken aus Natriumatomen zu überlagern. Dabei entstanden sehr klare Interferenzmuster, etwa vergleichbar mit jenen zweier Steine, die nebeneinander in einen ruhigen See geworfen werden. Damit konnte der Physiker beweisen, dass die Atome im Kondensat wirklich absolut koordiniert schwingen. Überdies gelang es dem deutschen Wissenschaftler 1996 erstmals, sogar einen feinen Strom von Atomen aus der Kältefalle entweichen zu lassen und damit quasi einen "Laser" aus Materie zu erzeugen. Wie bei einem Laser, in dem die Lichtteilchen im Gleichklang schwingen, tanzten die viel schwereren Atome aus ihrem kalten Verlies. Das Experiment eröffnet völlig neue Anwendungen, weil auf diese Weise Atome auf Oberflächen geschrieben werden könnten.
Inzwischen konnten Wissenschaftler vom Max-Planck-Institut für Quantenoptik (MPIQ) in München einen Chip herstellen, mit dem Bose-Einstein-Kondensate zukünftig wesentlich einfacher als bisher geschaffen werden sollen. Damit rücken praktische Anwendungen in greifbare Nähe, wie etwa hochgenaue Messverfahren, sagt Jakob Reichel vom MPIQ: "Weil Atome wesentlich kleinere Wellenlängen als Licht besitzen, können so genannte Atominterferometer bestimmte Phänomene um Größenordnungen genauer messen als Laserinterferometer."
[Quellen: Uli Blumenthal, Frank Grotelüschen, Ralf Krauter, Mathias Schulenburg]
Mehr dazu im Internet: http://www.nobel.se/physics/laureates/2001/press-ge.html
DeutschlandRadio Online ist nicht verantwortlich für die Inhalte externer Links.
Bereits 1924 postulierten Albert Einstein und sein indischer Kollege Satyendra Nath Bose einen Zustand von Materie, der fortan zu einem Gral der Physik wurde. 1995 schließlich gelang es Cornell und Wieman erstmals, ein Bose-Einstein-Kondensat von rund 2 000 Rubidiumatomen bei einer Temperatur nur ein winziges Stück vom absoluten Nullpunkt entfernt herzustellen. Dazu sperrten die US-Physiker eine kleine Wolke aus Gasatomen quasi in eine Falle und kühlten sie mit Hilfe von Laser-Licht bis fast auf Minus 273 Grad Celsius herunter. Auf dem Weg hinunter zu der nötigen Rekordtemperatur verhalten sich die Atome nahezu wie bei Zimmertemperatur - sie bewegen sich chaotisch umher. Mit dem Erreichen der kritischen Schwelle bei etwa 50 Milliardstel Grad Kelvin aber verändert sich ihre Bewegung schlagartig und sie beginnen quasi in einer perfekten Choreografie zu tanzen. In diesem Zustand marschieren die Teilchen in einheitlichem Gleichschritt. Der Effekt beruht auf der Zwitternatur der Atome, die einerseits Quantenteilchen darstellen, andererseits aber auch Wellencharakter besitzen.
Unter der extremen Kälte dominieren aber schließlich die Welleneigenschaften und rufen die Phänomene des Bose-Einstein-Kondensats hervor. Dabei beginnen die Wellen der einzelnen Atome, sich gegenseitig zu überlagern wie kräuselnde Wasserwellen, bis sie schließlich eine einzige große Welle bilden, in der alle Atome gleich schwingen. Um überhaupt derart tiefe Temperaturen zu erreichen, kommen zwei verschiedene Kühlmethoden zum Einsatz: Ein Schritt besteht darin, die Atombewegung der Gaswolke durch gebündeltes Laserlicht abzubremsen. Die Lichtteilchen wirken dabei quasi als Gegenwind, der den Gasatomen ihre Fahrt nimmt. Bei der Verdampfungskühlung werden dagegen die jeweils schnellsten Gasatome aus der Wolke heraus gelassen, während die langsameren gefangen bleiben. Der Durchbruch zum Bose-Einstein-Kondensat kam, als es Cornell und Wieman erstmals gelang, beide Kühlmethoden erfolgreich miteinander zu kombinieren und so unvorstellbare Milliardstel Kelvin zu erreichen.
Wolfgang Ketterle verpasste den Wettlauf um diese Pionierleistung nur sehr knapp. Allerdings konnte der Forscher die Vorstellung von Bose-Einstein-Kondensaten noch vertiefen und seine Chance auf den Nobelpreis wahren, indem es ihm gelang, zwei solcher Wolken aus Natriumatomen zu überlagern. Dabei entstanden sehr klare Interferenzmuster, etwa vergleichbar mit jenen zweier Steine, die nebeneinander in einen ruhigen See geworfen werden. Damit konnte der Physiker beweisen, dass die Atome im Kondensat wirklich absolut koordiniert schwingen. Überdies gelang es dem deutschen Wissenschaftler 1996 erstmals, sogar einen feinen Strom von Atomen aus der Kältefalle entweichen zu lassen und damit quasi einen "Laser" aus Materie zu erzeugen. Wie bei einem Laser, in dem die Lichtteilchen im Gleichklang schwingen, tanzten die viel schwereren Atome aus ihrem kalten Verlies. Das Experiment eröffnet völlig neue Anwendungen, weil auf diese Weise Atome auf Oberflächen geschrieben werden könnten.
Inzwischen konnten Wissenschaftler vom Max-Planck-Institut für Quantenoptik (MPIQ) in München einen Chip herstellen, mit dem Bose-Einstein-Kondensate zukünftig wesentlich einfacher als bisher geschaffen werden sollen. Damit rücken praktische Anwendungen in greifbare Nähe, wie etwa hochgenaue Messverfahren, sagt Jakob Reichel vom MPIQ: "Weil Atome wesentlich kleinere Wellenlängen als Licht besitzen, können so genannte Atominterferometer bestimmte Phänomene um Größenordnungen genauer messen als Laserinterferometer."
[Quellen: Uli Blumenthal, Frank Grotelüschen, Ralf Krauter, Mathias Schulenburg]
Mehr dazu im Internet: http://www.nobel.se/physics/laureates/2001/press-ge.html
DeutschlandRadio Online ist nicht verantwortlich für die Inhalte externer Links.