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Malawi
Wenn Schwulsein kriminell ist

Im südostafrikanischen Malawi ist Homosexualität strafbar. Wer als Politiker für die Rechte Schwuler und Lesben eintritt, macht sich keine Freunde. Die meisten Homosexuellen leben extrem zurückgezogen und in ständiger Angst - wer sich outet braucht viel Mut.

Von Jan-Philippe Schlüter | 04.03.2016
    Schwule und lesbische Aktivisten im August 2012 tanzen bei der Gay-Pride-Parade im Botanischen Garten von Ugandas Hauptstadt Entebbe.
    Wie in Malawi, steht auch in Uganda Homosexualität unter Strafe. (picture alliance / dpa / Rachel Adams)
    Einen Christopher Street Day Demonstrationszug von Schwulen und Lesben in der malawischen Hauptstadt Lilongwe? Da muss Dunker Kamba lachen. Nein, sagt er, das kann er sich in absehbarer Zukunft nicht vorstellen. Ihm würde es schon reichen, wenn Nicht-Heterosexuelle nicht mehr diskriminiert würden.
    Dunker Kamba arbeitet für die malawische Menschenrechtsorganisation "Zentrum für die Entwicklung der Menschen", die sich für die Rechte Homosexueller einsetzt. In Malawi ist das ein riskanter Job, denn Homosexualität ist hier strafbar.
    "Wir hatten einige Fälle, in denen Leute, die gleichgeschlechtlichen Sex hatten verhaftet und verurteilt wurden. Es gibt ein Paar, das zu 14 Jahren Gefängnis verurteilt wurde, der gesetzlichen Höchststrafe. Das hat sogar dazu geführt, dass UN-Generalsekretär Ban Ki Moon nach Malawi gekommen ist, um mit unserem Präsidenten zu reden. Immerhin sind die zwei Männer danach begnadigt worden."
    Die Paragraphen 153 und 156 des malawischen Strafgesetzbuches stellen nicht Homosexualität an sich unter Strafe. Sondern den sogenannten "carnal knowledge" – gleichgeschlechtlichen Sex. Was schon mal die Frage aufwirft, wie die Polizei das mitbekommen will. Schließlich findet der Geschlechtsverkehr nicht in der Öffentlichkeit statt, sondern in der Privatsphäre der eigenen Wohnung.
    Aberglaube und konservative Ansichten sind verbreitet
    Malawi ist eines der ärmsten und am wenigsten entwickelten Länder der Welt. Die Verfassung ist zwar fortschrittlich und verbietet Diskriminierung aus den unterschiedlichsten Gründen. Aber Aberglaube und traditionelle konservative Ansichten sind in der Gesellschaft weit verbreitet. Wer als Politiker für die Rechte Schwuler und Lesben eintritt, macht sich keine Freunde, meint Dunker Kamba.
    "Sie denken, dass sie Wählerstimmen verlieren, wenn sie Homosexualität legalisieren. Kirchenführer würden sie dann angreifen und viele andere Menschen. Sie würden an Beliebtheit einbüßen. Deshalb hat der Präsident erst mal ein Moratorium beschlossen."
    Dass Moratorium besagt, dass homosexuelle Handlungen zwar illegal sind, aber vorerst nicht verfolgt werden. Eine scheinbar bequeme Lösung für die Regierung. Allerdings hat vor kurzem ein Gericht geurteilt, dass das Moratorium illegal sei. Der Präsident könne nicht einfach so existierende Gesetze außer Kraft setzen.
    Hassparolen bleiben ohne Konsequenzen
    Für Homosexuelle in Malawi ist das eine schlechte Nachricht. Denn Dunker Kamba ist sich sicher: Erst wenn das Gesetz aus der britischen Kolonialzeit abgeschafft ist, wird sich auch die Stimmung in der Gesellschaft wandeln.
    Wer sich heutzutage in Malawi als schwul oder lesbisch outet, braucht viel Mut. Die Stimmung in der malawischen Gesellschaft gegenüber Schwulen und Lesben ist so aufgeheizt, dass die meisten in ständiger Angst extrem zurückgezogen leben.
    Einen Tag nach dem Gespräch mit Dunker wird klar, warum. In der Zeitung "The Daily Times" steht auf Seite 2 unter der fett gedruckten Überschrift "Schwuler aus Lilongwe verprügelt":
    "Eine Gruppe unbekannter Männer hat am Montagabend einen bekannten Schwulen in Lilongwe zusammengeschlagen und ihn mit einer klaffenden Gesichtswunde zurückgelassen. Der Mann hat angeblich den Zorn der Menschen provoziert, weil er gesehen wurde, wie er bei sich zu Hause einen Mann geküsst hat."