Archiv


Malaysia vor der Wahl

Bei den bevorstehenden Wahlen in Malaysia könnte erstmals seit 1957 ein Regierungswechsel stattfinden. Junge Wähler werfen dem Premier Nagib Razak und seiner Koalition Machtmissbrauch und Korruption vor. Gegen ihn antreten wird Anwar Ibrahim, der früher selber Mitglied der Regierung war, bevor er in Ungnade fiel.

Von Udo Schmidt |
    Es sind die jungen Erstwähler unter den rund dreizehn Millionen Wahlberechtigten in Malaysia, deren Stimmen entscheidend sein werden bei der Frage, ob die letztlich seit der Unabhängigkeit Malaysias regierende Nationale Front, die Barisan Nasional, noch einmal den Regierungsauftrag erhält oder ob die Opposition unter Führung des populären Anwar Ibrahim erstmals in Kuala Lumpur die Macht übernimmt.

    Und diese Jungwähler sind kritisch, sie wollen ein Ende der Korruption, die auch in Malaysia den Alltag bestimmt, sie wollen mehr Transparenz und Meinungsfreiheit:

    "Ich denke, die Volksallianz, Pakatan Rakyat, die Opposition bietet uns mehr, also werde ich sie wählen. Außerdem hatte die Nationale Front jetzt 56 Jahre Zeit zu regieren. Also sollten wir nun der Opposition für fünf Jahre die Chance geben, zu handeln",

    sagt etwa der 25-jährige Razman Sofwan. Inhaltlich liegen die Regierung von Premier Najib Razak und Oppositionsführer Anwar Ibrahim nicht weit auseinander. Sie wollen das Wirtschaftswachstum fördern, es liegt derzeit bei etwa fünf Prozent, mehr Investitionen ermöglichen, die Korruption bekämpfen.

    Der 65-jährige Anwar Ibrahim, bis vor 15 Jahren selber Mitglied der Regierungskoalition, verspricht allerdings, die von der Nationalen Front geförderte Bevorzugung der malayischen Muslime im Land zu stoppen. Gut 50 Prozent der Bevölkerung sind Malaien und Muslime, 25 Prozent sind chinesischstämmig, knapp zehn Prozent haben in Indien ihre Wurzeln. Ibrahim Suffian leitet das unabhängige Merdeka-Institut:

    "Diese Wahl ist so knapp, weil es der Opposition offenbar gelingt, die Muslime, bisher treue Unterstützer der Regierung, für sich zu gewinnen. Die Regierung hat möglicherweise in der Vergangenheit zu viele Gruppen ausgeschlossen."

    Der Islam bestimmt in Malaysia mehr und mehr den Alltag. Nicht allen gefällt das, gerade die jungen Malaysier wollen mehr Einheit und Gemeinsamkeit, sagt etwa der 29-jährige Foong Kok Shen:

    "Ich hoffe, dass wir bald eine Regierung haben werden, die uns mehr Arbeitschancen bietet, insgesamt ein besseres Lebensumfeld. Und ich wünsche, dass alle Malaysier, egal welcher Herkunft, gleich sind."

    Premier Najib Razak malt das Schreckensgespenst des aufziehenden Chaos an die Wand, sollte die Opposition an die Macht kommen. Trotzdem liegt er in letzten Umfragen nur noch bei 48 Prozent Zustimmung. Anwar Ibrahim, die Macht vor Augen, verspricht ein modernes Malaysia:

    "Ich glaube, Malaysia kann sich schnell zu einem sehr, sehr wettbewerbsfähigen, demokratischen Land entwickeln. Ich bin da optimistisch."

    Beobachter werfen der Regierungskoalition vor, mehr und mehr autoritär zu regieren, das harte Vorgehen der Polizei gegen Demonstrationen in den vergangenen zwei Jahren ist da ein Beispiel. James Chin leitet die Hochschule für Kunst und Sozialwissenschaften:

    "Die meisten jungen Wähler haben völlig andere Ansichten und vertreten andere Werte als ältere Wähler und Menschen vom Lande. Sie setzen auf Transparenz und gute Regierungsführung. In diesen Punkten sieht die Regierungskoalition sehr schlecht aus. Allein, weil die Nationale Front seit der Unabhängigkeit an der Macht ist. Die jungen Wähler sagen, um das Land auf eine neue Ebene zu heben, braucht es eine totale Veränderung."

    Najib Razak, der 59-jährige Regierungschef, setzt auf die Angst vor Instabilität. Also warnt er auch davor, dass bei den gleichzeitigen Wahlen zu den Provinzparlamenten noch mehr Bundesstaaten an die Opposition fallen. Schon jetzt sind vier Bundesstaaten in der Hand der Volks-Allianz.

    "Wir bieten den Menschen doch viel mehr als die Opposition. Wenn die Zentralregierung und die Regierungen der Bundesstaaten in verschiedenen Händen sind, dann bringt das doch nur Probleme",

    ruft Najib Razak seinen Anhängern zu. Es wird knapp, sehr knapp, das weiß er und daher gab es in den vergangenen Wochen zahlreiche Wahlgeschenke. Die Angestellten der staatlichen Ölfirma Petronas erhielten Gratifikationen, Beamte dürfen sich über höhere Bezüge freuen, Bedürftige erhielten Bargeld. Es wirkt:

    "Najib ermutigt die Menschen und hatten vielen von uns geholfen",

    sagt etwa Mafus Sabron. Ob es reicht, die Wahlen noch einmal knapp zu gewinnen? Sollte es noch einmal die Nationale Front werden, die in den kommenden fünf Jahren die Regierungsgeschäfte in Malaysias Hauptstadt Kuala Lumpur lenkt, dann wird es wohl eine schwache Regierung sein, eine mit nur knapper Mehrheit.