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Maler von ambivalenter Vielfalt

Viele Künstler verbrachten die Nazizeit im US-Exil. Otto Dix dagegen zog sich in die sogenannte "Innere Emigration" zurück und blieb daher in den USA einigermaßen unbekannt. Eine große Werkschau in der "Neuen Galerie" in New York soll das nun ändern.

Von Sacha Verna | 23.03.2010
    Anita Berber ist überall. Auf Bannern, Katalogumschlägen und Postkarten kündigt das berühmte in flammendem Rot gehaltene Bild der sogenannten Tänzerin des Lasters der Weimarer Republik den ersten Soloauftritt von Otto Dix in einem amerikanischen Museum an. Ob man dem Maler damit einen Gefallen tut, ist fraglich. Zwar wird niemand bestreiten, dass der neben Georg Grosz wohl bedeutendste Vertreter der Neuen Sachlichkeit eine Einzelausstellung in der Neuen Galerie verdient. Doch räumt der Kunsthistoriker und Kurator der Schau Olaf Peters ein:

    "Es ist natürlich auch eine gewisse Problematik, ihn zum Symbol dieser Weimarer Republik zu stilisieren. Einzelne Bilder zum Symbol dieser Weimarer Republik zu stilisieren, wie die Anita Berber oder das Großstadtryptichon beispielsweise."

    Auch das Großtadttriptychon zeigt die Neue Galerie, im Treppenhaus, in Form einer Art Leuchtreklame, weil das Original im Kunstmuseum Stuttgart viel zu fragil ist, um über den Atlantik geschickt zu werden.

    Dennoch haben sich die Organisatoren bemüht, Otto Dix dem amerikanischen Publikum in seiner ganzen durchaus ambivalenten Vielfalt vorzustellen. Versammelt sind über 100 Werke: Von den fünf zwischen 1916 und 1918 entstandenen Kriegsmappen über die Landschaftsmalerei vom Bodensee der 30er-Jahre bis hin zur christlichen Ikonografie und dem Heiligen Christophorus von 1939, einem Bild, das man in seiner alpinen altmeisterlichen Groteskheit eigentlich fast nicht mehr anzuschauen wagt.

    Eine Besonderheit bildet die Fülle von Druckgrafik und Aquarellen:

    "Diese beiden Medien waren extrem wichtig zu einer Zeit, als Otto Dix angesichts der Inflation und der wirtschaftlichen Umstände der frühen Weimarer Republik nicht in der Lage war, Gemälde zu verkaufen. Deshalb gibt es für den Zeitraum 1921 bis 1923 eine unglaubliche Fülle an Aquarellen. Er war unglaublich produktiv. Das bricht dann auch später ab wieder. Hängt aber mit den wirtschaftlichen Umständen zusammen. Denn sein Händler Karl Nierendorf reiste mit einem dicken Koffer mit diesen Aquarellen durch Deutschland und konnte die verkaufen."

    In diesen Aquarellen zeigt Otto Dix die ganze Palette seiner technischen Fertigkeiten: Manche Blätter sind zeichnerisch und farblich aufs Feinste ausgearbeitet wie jenes mit dem sehr passenden Titel "Sadisten gewidmet". Andere sind wild kolorierte Mord- oder Hafenszenen. Wieder andere wirken wie liebevolle Kinderbuchillustrationen, grausige Karikaturen oder, ja, auch das, Arbeiten eines mittelmäßigen Kunstgewerbeschülers.

    Die Dix'schen Nackten und Toten fehlen ebenfalls nicht, die Prostituierten und die Opfer, seien es jene des Ersten Weltkrieges oder die der sozialen Umstände der Weimarer Republik:

    "Man ist natürlich immer versucht, Otto Dix als einen eminent politischen, auch politisch Stellung beziehenden Künstler wahrzunehmen. Und ich glaube, dass das in Teilen auch richtig ist, das zu machen. Wir versuchen, das auch in dieser Ausstellung zu unterstreichen. Dass es da einen wichtigen Strang im Grunde gibt und auch ein politisches Selbstverständnis durchaus gegeben hat. Das darf allerdings nicht als ein politisches im Sinne des parteipolitischen Selbstverständnisses gedeutet werden. Das heißt, er ist im Unterschied zu einem Künstler wie Georg Grosz kein Mitglied der Kommunistischen Partei. Er provoziert seine Künstlerkollegen beispielsweise auch damit, dass er sagt, also das Geld für die politische Partei der Kommunisten, die fünf Mark, die spare ich mir, dafür gehe ich lieber ins Bordell."

    Was diese Ausstellung dominiert, sind freilich die Porträts: Da ist das frühe Porträt des Malers Franz Schulte von 1921. Da ist der unheimlich grünliche Psychiater Dr. Heinrich Stadelmann, dem der Beruf "Seelensauger" buchstäblich zwischen die überdimensionierten Ohren geschrieben steht. Da ist das beinahe an American Folk Art gemahnendes Bildnis des Dresdener Geschäftsmannes Max Roesberg. Und da ist natürlich die Frau in Rot. Wer ein bisschen Anita Berber mit nach Hause nehmen möchte, kann sich im Museumshop sogar einen speziell für diese Schau entwickelten "Berlin Red"-Lippenstift und einen "Berlin-Red"-Schminkspiegel besorgen.

    "Otto Dix" ist bis am 30. August in der Neuen Galerie in New York zu sehen.