Am anrührendsten sind immer noch die "Heldenbilder" aus den 1960er-Jahren, unförmige, verstümmelte, von der Sexualität gepeinigte Soldatengestalten, Davongekommene, die in ein ziviles Leben nicht recht zu passen scheinen. Ihnen ist im Burda-Museum ein ganzer Stock gewidmet.
Versehrte sind aber auch die aus Holz gefertigten Skulpturen, manche von ihnen überlebensgroß. Ihre Haut hat Schrunden und Risse, Einkerbungen, Wunden. Zwei von diesen melancholischen Riesen hocken einsam im großen Saal der Baden-Badener Kunsthalle wie Wartende in einem Beckett-Stück, zwei Nackte im leeren Raum.
Es sind sehr schöne, vorsichtige Inszenierungen, mit denen hier zwei Kuratoren auf das Werk von Georg Baselitz zurückblicken. Götz Adriani hat im Burda-Museum die Malerei arrangiert - er beginnt im Souterrain mit den Bacon-artig gequetschten Köpfen und den ersten, provokativen (und einstmals sogar beschlagnahmten) Onanierbildern, viel rohes Fleisch und drängende jugendliche Wut; und er endet in der großen Halle mit den gelassen-hellen Remix-Arbeiten des Alterswerks, in denen Baselitz abgespielte Themen neu sampelt.
Karola Kraus in der Kunsthalle dagegen hat, nach dem grandiosen Wartesaal mit den zwei Schmerzensmännern zur Begrüßung, einen eher thematischen Skulpturen-Parcours eingerichtet, in dem der Besucher alle wichtigen Baselitz-Motive kennenlernt: den Einfluss der afrikanischen Plastik, die Verwirrungen der Zweigeschlechtlichkeit, die Köpfe mit den nach außen gestülpten Augenkugeln, die verschobenen Gesichtszüge, den Kinder-Humor bei Riesenformaten wie "Meine neue Mütze", der durch versteckte Totenköpfe im Rücken der Figur gleich wieder relativiert wird.
Dass hier ein 71-Jähriger gefeiert wird, der seit 50 Jahren malt und seit 30 Jahren mit Kettensäge und Meißel Figuren aus Bäumen schneidet, ist nicht ohne Weiteres sichtbar: Gerade die letzten, überlebensgroßen Plastiken sind, selbst in ihrer Verstümmelung, noch kraftstrotzend; und die neuesten Ölbilder, in denen alte Ehepaare in den Dämmer blicken und der Maler selber im Pollock-artig verspritzten Blut der Geschichte watet, haben im Gegensatz zu den traurigen Themen eine große Lockerheit.
Dabei ist Georg Baselitz nur bedingt ein gegenständlicher Künstler. Als er 1957 die DDR verließ und in Westberlin Malerei zu studieren begann, wurde er schockartig überfallen von Minimal Art und Abstraktem Expressionismus. Obwohl ihn das faszinierte, sah er sich handwerklich in der ostdeutschen Maltradition; in der Figuration konnte er seine Traumata (Nazismus, DDR, westdeutsche Prüderie) besser abarbeiten – noch in einem kopfstehenden Familienbild aus dem Jahr 1996 trägt sein Vater, der ein bekennender Nazi war, einen Hitlerbart. Andererseits sind die Figuren bei Baselitz nur Vorwand für expressive Farblandschaften, die ebenso gut abstrakt gelesen werden können. Seine Entwicklung seit Mitte der 60er-Jahre, als er mit dem sogenannten Frakturbild die streifenartige Zerstückelung der Motive begann, führt dann zu jenen auf dem Kopf stehenden Motiven, die sein Markenzeichen wurden.
Man mag das für einen werbewirksamen Spleen halten; wahr ist aber auch, dass das Auge auf diese Weise weniger von der Figur gefangen wird als von den Farbgebirgen und ihrer Komposition. Außerdem: Sind Kopfstehende, Hängende nicht adäquate Repräsentanten unserer Zivilisation? Auch in der Skulptur geht es Baselitz vor allem um die zerklüftete Außenhaut und das Torso-hafte, um abstrakte Qualitäten. Die Verletzungen, die er den Figuren einfräst, die Volumina, die er mit körperlicher Arbeit aus dem Baum schneiden muss, entsprechen den Farbwühlereien in den Bildern, aus denen dann doch noch Gegenstände hervorleuchten.
So sind dies zwei durchdachte und aufeinander bezogene Ausstellungen, die auch Georg Baselitz als großen Zweisamen zeigen: Immer wieder ist seine Frau sein Modell, und die Malerei-Ausstellung endet mit einigen großartigen Diptychen, die Stilleben und nackte Figur kombinieren.
Versehrte sind aber auch die aus Holz gefertigten Skulpturen, manche von ihnen überlebensgroß. Ihre Haut hat Schrunden und Risse, Einkerbungen, Wunden. Zwei von diesen melancholischen Riesen hocken einsam im großen Saal der Baden-Badener Kunsthalle wie Wartende in einem Beckett-Stück, zwei Nackte im leeren Raum.
Es sind sehr schöne, vorsichtige Inszenierungen, mit denen hier zwei Kuratoren auf das Werk von Georg Baselitz zurückblicken. Götz Adriani hat im Burda-Museum die Malerei arrangiert - er beginnt im Souterrain mit den Bacon-artig gequetschten Köpfen und den ersten, provokativen (und einstmals sogar beschlagnahmten) Onanierbildern, viel rohes Fleisch und drängende jugendliche Wut; und er endet in der großen Halle mit den gelassen-hellen Remix-Arbeiten des Alterswerks, in denen Baselitz abgespielte Themen neu sampelt.
Karola Kraus in der Kunsthalle dagegen hat, nach dem grandiosen Wartesaal mit den zwei Schmerzensmännern zur Begrüßung, einen eher thematischen Skulpturen-Parcours eingerichtet, in dem der Besucher alle wichtigen Baselitz-Motive kennenlernt: den Einfluss der afrikanischen Plastik, die Verwirrungen der Zweigeschlechtlichkeit, die Köpfe mit den nach außen gestülpten Augenkugeln, die verschobenen Gesichtszüge, den Kinder-Humor bei Riesenformaten wie "Meine neue Mütze", der durch versteckte Totenköpfe im Rücken der Figur gleich wieder relativiert wird.
Dass hier ein 71-Jähriger gefeiert wird, der seit 50 Jahren malt und seit 30 Jahren mit Kettensäge und Meißel Figuren aus Bäumen schneidet, ist nicht ohne Weiteres sichtbar: Gerade die letzten, überlebensgroßen Plastiken sind, selbst in ihrer Verstümmelung, noch kraftstrotzend; und die neuesten Ölbilder, in denen alte Ehepaare in den Dämmer blicken und der Maler selber im Pollock-artig verspritzten Blut der Geschichte watet, haben im Gegensatz zu den traurigen Themen eine große Lockerheit.
Dabei ist Georg Baselitz nur bedingt ein gegenständlicher Künstler. Als er 1957 die DDR verließ und in Westberlin Malerei zu studieren begann, wurde er schockartig überfallen von Minimal Art und Abstraktem Expressionismus. Obwohl ihn das faszinierte, sah er sich handwerklich in der ostdeutschen Maltradition; in der Figuration konnte er seine Traumata (Nazismus, DDR, westdeutsche Prüderie) besser abarbeiten – noch in einem kopfstehenden Familienbild aus dem Jahr 1996 trägt sein Vater, der ein bekennender Nazi war, einen Hitlerbart. Andererseits sind die Figuren bei Baselitz nur Vorwand für expressive Farblandschaften, die ebenso gut abstrakt gelesen werden können. Seine Entwicklung seit Mitte der 60er-Jahre, als er mit dem sogenannten Frakturbild die streifenartige Zerstückelung der Motive begann, führt dann zu jenen auf dem Kopf stehenden Motiven, die sein Markenzeichen wurden.
Man mag das für einen werbewirksamen Spleen halten; wahr ist aber auch, dass das Auge auf diese Weise weniger von der Figur gefangen wird als von den Farbgebirgen und ihrer Komposition. Außerdem: Sind Kopfstehende, Hängende nicht adäquate Repräsentanten unserer Zivilisation? Auch in der Skulptur geht es Baselitz vor allem um die zerklüftete Außenhaut und das Torso-hafte, um abstrakte Qualitäten. Die Verletzungen, die er den Figuren einfräst, die Volumina, die er mit körperlicher Arbeit aus dem Baum schneiden muss, entsprechen den Farbwühlereien in den Bildern, aus denen dann doch noch Gegenstände hervorleuchten.
So sind dies zwei durchdachte und aufeinander bezogene Ausstellungen, die auch Georg Baselitz als großen Zweisamen zeigen: Immer wieder ist seine Frau sein Modell, und die Malerei-Ausstellung endet mit einigen großartigen Diptychen, die Stilleben und nackte Figur kombinieren.