Sonntag, 12. Mai 2024

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Mallorca
Historisches Gemäuer mit Geheimadresse

Mallorca abseits des Massentourismus: Das Weingut „Mandia Vell“ liegt so versteckt, das es eigentlich kaum zu finden ist. Das Suchen lohnt sich aber. Nicht nur des Weins wegen, für den inzwischen ein Pfälzer Winzer verantwortlich ist, denn die Finca blickt auf eine lange Geschichte zurück.

Von Alfried Schmitz | 30.12.2018
    Das Weingut Mandia Vell. Ein altes Steinhaus im typsch mallorcinischen Still. Kleine Fenster schauen auf den gepflasterten Vorhof in dem Mimosenbäume wachsen.
    Ein echter Geheimtipp: Das Weingut Mandia Vell liegt versteckt zwischen Manacor und Porto Cristo auf der Insel Mallorca. (Alfried Schmietz)
    Es ist zum Verrücktwerden. Auf der breiten Straße zwischen Manacor und Porto Cristo weist kein Schild auf das geheimnisvolle Weingut hin. Ein paar Mal wende ich genervt auf dem vielbefahrenen Insel-Highway, frage mich in gebrochenem Spanisch durch und stehe endlich vor einem geschlossenen Gatter, hinter dem sich ein ziemlich langer Weg, vorbei an Rebstöcken, bis zu einem herrschaftlich wirkenden Weingut empor schlängelt. Nachdem ich mich am Gatter per Mobil-Telefon bei Thomas Wambsganss angemeldet habe, holt der mich mit dem Traktor ab. Der bärtige, drahtige Mittvierziger trägt kurze Hosen, ein verwaschenes Hemd und auf dem Kopf eine Baseball-Kappe. Man sieht es sofort: Der kommt nicht aus dem Liegestuhl, sondern direkt von der Arbeit aus dem Weinhang. An dem historischen Gebäudekomplex angekommen, beginnt der unkomplizierte Winzer sofort mit der Führung.
    "Die Finca ist eines der drittältesten Grundstücke auf der Insel. Erstmals erwähnt 1263. Die Insel war ja bis 1259 in maurischer Hand. Und 1259 hat Jaime I. von Aragon die Insel erobert. Und in diesem Krieg hat sich ein Soldat namens Pere von Mandia bewährt und der hat dieses Grundstück hier geschenkt bekommen von diesem König für seine Dienste in diesem Krieg."
    Einige der Gebäudeteile sind aber sogar noch ein paar hundert Jahre älter.
    "Hier bei den Häusern auf der linken Seite haben wir ein arabisches Lazarett aus dem neunten Jahrhundert. Und hier auf der rechten Seite haben wir eine der ersten Kapellen drin, die es auf der Insel gab. Ein Drei-Kreuz-Gewölbe, eine recht kleine. Und die war sogar vor zwanzig Jahren noch in Betrieb. Da findet man noch Mallorquiner, die da drin geheiratet haben oder getauft wurden."
    Die Finca liegt auf einem Hügel in 97 Metern Höhe. Die Hauptgebäude, aus massivem Stein erbaut, wirken wie eine kleine Festung.
    "Und die Vorderfront, die ist Kategorie 4 Denkmalschutz, wie der Kölner Dom. Und das ist der älteste Teil, was übrig ist von dem Ganzen, was erhalten ist. Innen drin haben wir noch einen Gewölbekeller, wo man noch schön sieht, wie die Mauren mit Bast und Lehm das Gewölbe gemacht haben. Also das ist sensationell."
    Prähistorische Maske als Markenzeichen
    Dass auf diesem Hügel aber schon viel früher Menschen gesiedelt haben, beweist ein sensationeller Fund aus prähistorischer Zeit. Bei Aufräumungsarbeiten auf dem Gelände wurde ein geheimnisvolles Steinrelief entdeckt. Eingeritzt in einen Fels, am Rand eines der Weinhügel, die das Anwesen umgeben, sind die Konturen eines Gesichts zu erkennen. Unheimlich sieht es aus.
    "Diese Maske ist 3.000 Jahre alt. Ist archäologisch belegt."
    Steinrelief eines Gesichtes. Das Bild zeugt von der prähistorischen Besiedlung Mallorcas. 
    Der Winzer hat sich das prähistorische Steinrelief zum Markenzeichen gewählt (Alfried Schmitz)
    Thomas Wambsganss hat die eindrucksvolle Maske, die wahrscheinlich aus der Hochphase der Talayot-Kultur stammt, zu seinem Markenzeichen gemacht. Sie ziert die Etiketten seiner Weinflaschen. Und die sind nicht aus Glas, sondern aus Ton. Der Natur und dem Wein zuliebe.
    "Da vorne, wo jetzt Wein gepflanzt ist, war die Siedlung, die ursprüngliche. Und wir haben hier auf dem Grundstück einen Brunnen und der ist das ganze Jahr über voll mit Wasser, also einen Meter unter Oberkante. Und das war der Garant, dass sich damals hier Leute niedergelassen haben. Wegen Trinkwasser."
    Schafherde sorgt für Naturdüngung
    So wertvoll wie in prähistorischer Zeit ist das Trinkwasser auch heute noch auf Mallorca. Wambsganss ist in der glücklichen Lage, zwei eigene Brunnen für die Bewässerung seiner Rebstöcke nutzen zu können. Trotzdem geht er sehr sparsam mit dem Wasser um. Schon aus Prinzip, denn das ist Teil seines ökologischen Gesamtkonzepts.
    "Wir investieren sehr viel in die Bodenbearbeitung, dass wir den Boden einen Meter fünfzig tief aufreißen lassen, was sehr viel kostet. Aber dementsprechend die Reben dann ohne Bewässerung durchkommen. Also die nächste Anlage nebendran ist drei Jahre alt, die hat bislang nur mit Regenwasser überlebt."
    Außerdem, je tiefer die Wurzeln auf ihrer Suche nach Wasser wachsen, desto mehr Charakter entwickelt der Wein.
    "Wenn sie tiefer wurzelt, hat sie natürlich ganz andere mineralische Noten in den Trauben. Die Trauben sind etwas kleiner, der Ertrag ist etwas geringer und hat dadurch auch eine bessere Qualität."
    Damit die Rebstöcke aber nicht nur Nahrung in flüssiger Form erhalten, setzt der Winzer aus der Pfalz auf Dünger. Und zwar aus natürlicher Produktion.
    "Also wir haben 28 Schafe und meine Begrünung, die ich im Spätjahr ausbringe, die ist so ausgelegt, dass auch die Schafe, die gerne fressen. Und dadurch, dass die Schafe die fressen, haben ich eine Verkotung, habe ich wieder einen Dünge-Eintrag und durch das Abfressen des Gründüngers wachsen die Pflanzen auch wieder nach für Biomasse und die Wurzeln werden wieder etwas kräftiger und dadurch habe ich natürlich meine eigene Stickstoffversorgung im Weinberg wieder."
    Alte Obstsorten und flotte Bienen
    Wambsganss versteht sich als absoluter Selbstversorger. Neben den Schafen hält der Winzer auch Schweine und Hühner. Er schlachtet, stellt seine eigene Wurst her, backt Brot, baut Oliven an, aus denen er Öl macht und er möchte sich demnächst auch als Obstbauer betätigen, um seinen eigenen Brand herzustellen. Auch dabei will er seinen eigenen Weg gehen und setzt auf traditionelle, alte mallorquinische Obstsorten.
    "Wir werden nächste Jahr eine Art Zwetschge anpflanzen, eine mallorquinische. Deutsche Zwetschgen wachsen hier nicht, weil wir zu wenig Kalttage haben. Die kommen hier nicht in die Blüte. Aber ich habe jetzt alte autochthone Fruchtbäume ausfindig gemacht und da werden wir nächstes Jahr 200 Stück anpflanzen."
    Fehlen nur noch Bienen zur Bestäubung der Obstbäume. Und auch daran hat der umtriebige Winzer gedacht. Im nächsten Jahr wird er sich auch noch verstärkt als Imker betätigen. Zehn Stöcke will er mindestens auf seinem Areal ansiedeln und dann auch noch mallorquinischen Honig herstellen.
    Auch wenn sich Thomas Wambsganss auf seiner Finca vor Touristenströmen regelrecht abschottet, interessierte Weinkenner sind durchaus auf "Mandia Vell" willkommen, sollten sich aber vorher im Internet schlau machen und ihren Besuch unbedingt anmelden.