Das Institut der deutschen Wirtschaft in Köln bietet Schulklassen unter seiner Aufsicht die Möglichkeit an, ein Unternehmen für ein Jahr zu führen. Das best geführte Unternehmen in Nordrhein-Westfalen wurde die Klasse des Ernst-Moritz-Arndt-Gymnasiums; auf Bundesebene errang das Gymnasium im Juni den vierten Platz von insgesamt 304 Teilnehmern. Für die erste Teilnahme an dem Projekt ist das ein beachtlicher Erfolg.
Das Juniorprojekt will praxisnah wirtschaftliche Zusammenhänge und Funktionsweisen vermitteln. Eigeninitiative, Teamarbeit und Kreativität im unternehmerischen Handeln sollen auf diese Weise gefördert werden. Die Schülerin Yasemin Topcuparlak, Vorstandsvorsitzende des Schülerunternehmens:
Vor allem die Teamarbeit hat mir gefallen. Wir sind noch mehr zusammengewachsen. Und das war ziemlich gut. Und das wirtschaftliche Verständnis, das hat sich auch vergrößert. Man weiß jetzt, wie man an manche Probleme herangehen kann, um diese zu lösen....Die Unterschiede liegen darin, dass, wenn man jetzt im Unterricht auch fünf oder sechs Bücher lesen würde, nicht die Erfahrungen hätte machen können, die wir jetzt gemacht haben.
Erfahrungen wurden zum Beispiel auf den Floh- und Trödelmärkten gesammelt, da man sein Produkt auch verkaufen musste, um Umsatz und Gewinn zu machen. Taktik, Strategie und eine gute Organisation und selbstverständlich auch das Engagement der Schülerinnen und Schüler waren unverzichtbar, um die Firma ein Jahr lang am Markt erfolgreich zu etablieren. Nicht immer ging alles glatt. Insbesondere die Beschaffung des Rohstoffes stellte ein Problem dar. Es gab Lieferschwierigkeiten für das Rohprodukt, der türkischen Nazar-Perle...
Die Idee, aus Nazar-Perlen Ketten zu machen, entstand, da einige Schülerinnen und Schüler aus der Türkei stammen oder andere schon in der Türkei Urlaub machten und die Perle kennen lernten. Sie sieht ähnlich aus wie ein Auge und kommt aus dem arabischen Raum. Einer Tradition zufolge soll die Perle vor Missgunst und Neid schützen.
Für die Klasse war die Erfahrung des Juniorprojekts eine Ergänzung. Denn schon vorher wurden virtuelle Spiele ausprobiert, die allerdings nicht den Reiz hatten, wie ein reales Unternehmen. Welche Vorteile bietet nun das Juniorprojekt auch für den Unterricht? Heinz Dirkling, Schulpate des Projekts und Lehrer der Klasse:
Es wird vieles plastischer, es wird vieles erfahrbarer. Wenn ich klassische Wirtschaftpolitik erklären soll, mit dem Say’schen Theorem: Jedes Angebot schafft sich seine Nachfrage, das ist sehr allgemein. Hier lernen sie im Prinzip kennen, wie es wirklich funktioniert, unter welchen Rahmenbedingungen das gehalten wird. Und gerade, wenn man sich mit Modellen sich beschäftigt, dann ist es wichtig: Welche Rahmenbedingungen sind überhaupt da, dass das Modell funktionieren kann.
Die Schülerinnen und Schüler arbeiten an dem Projekt in ihrer Freizeit. Das gilt natürlich auch für den Lehrer Heinz Dirkling. Denn im Lehrplan sind solche Aktivitäten zwar durchaus erlaubt, aber grundsätzlich nicht vorgesehen. Praktische Wirtschaft fristet eher noch ein Schattendasein im normalen Unterricht. So ist Wirtschaft zwar auch ein Fach in Nordrhein-Westfalen, aber nicht eigenständig – wie in anderen Bundesländern auch -, sondern ein Bereich der Sozialwissenschaften Politik und Soziologie, zu der auch die Wirtschaft gezählt wird.
Dass Wirtschaftsfragen in den allgemeinbildenden Schulen, von der Hauptschule, der Realschule bis zum Gymnasium immer noch quasi "nebenbei" behandelt werden, ist ein bildungspolitischer Standortnachteil. Denn ökonomische Kenntnisse sind wichtig für das tägliche Leben als Verbraucher und natürlich auch im Berufsleben. Dass praktische wirtschaftliche Grundkenntnisse später auch in der Berufswahl eines Gymnasiasten Vorteile haben, das weiß der Lehrer Heinz Dirkling zu berichten, wenn Schülerinnen oder Schüler Berufsakademien von Firmen besuchen wollen:
Für sie war es ein Eintrittstor: Denn es ist nicht einfach, sich bei über tausend Bewerbern von der Masse herauszuheben und dann einen von 40, 50 oder 60 Plätzen zu bekommen. Die erste Hürde ist sicherlich, dass die Unternehmen eine Vorauswahl über das Abiturszeugnis machen, zum zweiten wollen sie Zusatzqualifikationen sehen. Und da hilft dann so eine Urkunde schon in den näheren Bereich reinzukommen...und sich dann dort entsprechend zu präsentieren...Und wenn sie soweit gekommen sind, dann haben sie die erste wichtige Hürde geschafft.
Gerade im praktischen Bereich in den Schulen zeigen sich nach wie vor erhebliche Schwächen in Deutschland. So hat der Bankenverband eine Untersuchung durchführen lassen, die feststellte, dass etwa 80 Prozent des Unterrichts immer noch als Frontalunterricht durchgeführt wird. Der Lehrer steht also vor der Klasse und doziert sein Wissen, das die Schüler aufnehmen sollen. Aktiver gestalteter Unterricht findet nach wie vor nur selten statt. Aber genau dies verlangt die Wirtschaft von den jungen Menschen. Nicht nur lernen und pauken ist heute wichtig, sondern selbstständig sich Wissen anzueignen und es auch umsetzen zu können.
In dieser Hinsicht sind die Schüler oft schon weiter als ihre Lehrer. Denn die Untersuchung hat auch gezeigt, dass Schülerinnen und Schüler viel mehr an eigener Initiative interessiert sind und Wissen, das auch einen Alltagsbezug hat. Dass der Unterricht in deutschen Schulen Mängel aufweist, diese Erfahrung hat auch Wiebke Thomsen gemacht, die heute Auszubildende ist bei der Autozuliefererfirma Helbako in Heiligenhaus bei Düsseldorf:
Ich würde auf keinen Fall sagen, dass es praxisnah ist. Sie müssten es praxisnaher gestalten und auch auf Berufe beziehen, was allerdings auch schwierig ist, weil ... Schüler verschiedene Wege gehen. Deswegen kann die Schule auch nicht vorbereiten in dem Sinne. Was ich mehr sagen würde, ist, dass auf die Schüler mehr individuell eingegangen werden müsste....Was ich in unserer Klasse sehen konnte: Dass alle immer nur mit der Masse mitschwimmen mussten. Und wenn etwas nicht verstanden wurde, dann wurde das nicht nochmal erläutert, also es muss mehr auf die Leute und die einzelnen Interessen eingegangen werden, sei es mit AGs oder irgendwelchen Fortbildungsgruppen.
Noch immer sind viele deutsche Schulen an einer altmodischen Vermittlung von Lehrstoff orientiert. Das hat auch die so genannte PISA-Studie gezeigt, eine weltweite Untersuchung über die Leistungen der Schüler. Deutschland hatte bis auf wenige Schulen schlechte Ergebnisse. Die Vermittlung von Kenntnissen werden immer noch zu wenig an der Lebenswelt der Jugendlichen ausgerichtet. So existiert ein zu großer Bruch zwischen der Organisation des Schulunterrichts und der alltäglichen oder beruflichen Praxis.
Doch mehr und mehr bemühen sich Schulen, den Unterricht so durchzuführen, dass die Schüler Bezüge zu aktuellen Nachrichten aus Zeitungen und Rundfunk haben. Auf dem Stundenplan der Realschule in Düsseldorf-Benrath steht heute zum Beispiel ganz aktuell der Ölpreis.
Die Unterrichtseinheit beschäftigt sich damit, wer Öl verbraucht, welche Ursachen es für den hohen Ölpreis gibt und welche Gefahren mit einem hohen Preis verbunden sind. Diese aktuellen Bezüge sind für viele Schüler interessant, aber nicht immer einfach zu verstehen. Häufig wird das Fach Wirtschaft als Möglichkeit gesehen - gerade weil es keinen zentralen Stellenwert im Lehrplan hat -, mit wenig Einsatz eine gute Note zu bekommen. Das ist aber ein Trugschluss, wie sich in den Klassenarbeiten zeigt. Die Realschullehrerin Martina Bremer zu den Problemen der Schüler beim Erlernen ökonomischer Grundlagen:
Die haben zu knacken an dem Transfer. Was sie lernen können, das ist ganz klar: man kann Definitionen lernen, das macht keinen Spaß, das gehört aber zur Schule dazu, und wir können die Definition des Bruttoinlandsproduktes lernen, Arbeitslosenquote, wie die sich zusammensetzt, ... das ist kein Thema, das kann man abfragen, das machen sie auch ganz gerne, weil der Lernerfolg, der wird dann auch belohnt....Das Problem, das man als Lehrer hat oder auch als Erwachsener, denke ich, den Bezug zur Realität zu schaffen, also den Übergang, das Gelernte auch anzuwenden. Das ist nicht ganz einfach.
Dennoch finden Schüler Wirtschaft interessant, insbesondere wenn die menschliche Seite der Wirtschaft zum Vorschein kommt. Die Schülerin Sevin Gökduman:
Wirtschaft ist spannend, wenn man einen Vergleich hat, zum Beispiel zwischen armen und reichen Ländern, wenn man sieht, was für Unterschiede herrschen. Das Thema, dass man durchnehmen könnte, wäre Arbeitslosigkeit. arbeitslose Leute hierher bringen und fragen, was sie durchgemacht haben, dass man eine Vorstellung hat.
Oder der Schüler Thorsten Zielke:
Wenn man mehr praktisch arbeiten würde. So zum Beispiel Börse, da hätten wir dann so ein künstliches Konto gehabt und dann mit Aktien und so gearbeitet hätten.
Das Börsengeschehen zeigt die Schwierigkeit, die Schüler mit wirtschaftlichen Themen haben. Einerseits ist Wirtschaft sehr konkret, andererseits aber auch sehr abstrakt. Dass es auf dem Börsenparkett konkret um viel Geld geht, das ist vielen verständlich, was aber nun der Deutsche Aktienindex genau ausdrückt, welche Entwicklungen man möglicherweise an seinem Verlauf ablesen kann, das ist nicht ohne weiteres einsichtig. Warum man zum Beispiel auch mehrere Aktien in einem Fonds zusammenfasst und welchen Sinn das hat, ist jüngeren Schülern nicht einfach zu erklären.
Um das Verständnis für Betriebs- und Volkswirtschaft zu schärfen und um auf notwendige Details wirtschaftlicher Aktivitäten besser eingehen zu können, müsste der Wirtschaftsunterricht aufgewertet werden. Martine Bremer:
Wo findet denn Wirtschaftsunterricht statt?, muss man fragen. Wirtschaftsunterricht gibt es im normalen Lehrplan nicht. In der Realschule, hier in Nordrhein-Westfalen in den Sozialwissenschaften, ein kleiner Teil: Soziologie, Politik und Wirtschaft. Natürlich greift das ineinander über: Man muss wirtschaftliche Fragen immer wieder beleuchten. Aber Wirtschaft an sich, was später die Berufsschulen auch machen und wo ich meine Schüler versuche vorbereiten, läuft nicht.
Als eigenständiges Fach konnte sich Wirtschaft in Deutschland bis heute nicht etablieren. Es müssen Möglichkeiten geschaffen werden, dass ökonomische Themen mehr Gewicht im Unterricht bekommen. Prof. Bernhard Nibbrig von der Universität Duisburg-Essen, Standort Essen, Fachbereich Wirtschaftswissenschaften und Didaktik der Wirtschaftlehre:
Einmal kennt man ja in der Geografie die geografische und die wirtschaftsbezogene Geographie, die stärker wirtschaftsbezogene Aspekte aus der Region oder dem Lande aufgreift. Das gleiche gilt für die Geschichte: Wir haben eine politische Geschichte, eine Ideengeschichte, eine Sozialgeschichte und eine Wirtschaftsgeschichte. Ich würde nicht soweit gehen, dass man in diesen Fächern ausschließlich oder vorrangig wirtschaftliche Aspekte behandelt, aber doch vermehrt, auch den Gegenständen innewohnenden wichtigen ökonomischen Aspekten. Das gilt für Kunst, man denke an die Gestaltung von Münzen und Banknoten, oder man denke an den Bereich Religion an Wirtschafts- und unternehmensethische Aspekte, festgemacht an Skandalen, an der Raffgier von Vorsitzenden, an Skandalen der Rechnungslegung und Umweltschutzproblemen und dergleichen.
Trotz zahlreicher Skandale hat das Interesse der Schüleran wirtschaftlichen Sachverhalten nicht gelitten. Sie halten Wirtschaft für wichtig. Das hat eine Studie des Bundesverbandes Deutscher Banken vergangenes Jahr festgestellt. Die 14- bis 17jährigen Schüler sind der Meinung, dass dem Fach Wirtschaft ein höherer Stellenwert in der Schule eingeräumt werden müsste. Ältere Schüler geben wirtschaftlicher Bildung einen noch höheren Stellenwert. Ein einzelnes Fach "Wirtschaft" befürworten fast 80 Prozent der bis 20jährigen.
Wie wichtig ein Fach "Wirtschaft" ist, das zeigen auch andere Ergebnisse der Untersuchung. So können nur wenige Schüler etwas mit "Angebot und Nachfrage" anfangen. Auch die "Soziale Marktwirtschaft" ist für viele Schüler kein Begriff, mit dem sie eine konkrete Vorstellung verbinden können. Zwar finden die meisten Schüler die Globalisierung nicht besorgniserregend, aber was nun Globalisierung bedeutet und welche Auswirkungen sie hat, darüber ist das Wissen sehr begrenzt. Wie wichtig Wirtschaftsbildung gerade in der Schule ist, belegt ein weiterer Punkt der Untersuchung. Rund 70 Prozent der Schüler erwarten nämlich von der Schule, dass sie über wirtschaftliche Sachverhalte informiert.
Dass es in Deutschland immer noch Probleme gibt und dass wir im Bereich wirtschaftlicher Bildung in der Haupt- Realschule und Gymnasium noch viel nachzuholen haben, darauf verweist auch Professor Bernhard Nibbrig, wenn er nach den Verzerrungen gefragt wird, die immer noch in der ökonomischen Bildung bei jungen Menschen vorhanden sind:
Wesentliche Ursache für vorfindbare verzerrte Wahrnehmungen oder auch Einschätzungen der Wirtschaft....sind im wesentlichen nach meinen Erfahrungen und auch vorliegenden empirischen Befunden zurückzuführen auf unzureichende Schulbücher und nicht vorhandenes anspruchsvolles wirtschaftsdidaktisches Material. Eine zweite Hauptursache ist die defizitäre wirtschaftswissenschaftliche Qualifizierung vieler Lehrenden im allgemeinbildenden Schulbereich. Und drittens sind es die unzureichenden Erfahrungskontakte der Lernenden, aber auch der Lehrenden mit betrieblicher Praxis oder ökonomischer Praxis.
Große Herausforderungen ergeben sich daraus, Schüler in den weiterführenden Schulen auf die Berufspraxis vorzubereiten. Schon vor einigen Jahren hat eine Studie der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit, der OECD in Paris, betont, dass Schulen nicht gut motivierte und gebildete Jugendliche hervorbringen würden, die Arbeitgeber dann auch gern einstellen. Der Grund liegt oft in der Einübung bestimmter Fertigkeiten, die zwar der Schule genügen, die aber mit den Erfordernissen der Wirtschaft nicht übereinstimmen. Die Folge ist, dass einmal eingeübte Verhaltensweisen und Arten des Lernens im Beruf korrigiert werden müssen, was nicht immer einfach ist und Zeit erfordert.
Lehrer sollten daher mehr eigene Erfahrung in der Praxis erlangen. Ein wichtiger Schritt sind Unternehmensspiele, die selbstständiges und praktisches Arbeiten fördern und auch Lehrkräfte schulen können, Unterricht zeitnaher und pädagogisch interessanter für ihre Schüler zu gestalten. Eine Möglichkeit ist das schon erwähnte "juniorprojekt".
Heinz Dirkling, Lehrer am Ernst-Moritz-Arndt-Gymnasium in Remscheid:
Ich würde mir eigentlich wünschen, dass Oberstufen an irgendeinem Projekt teilnehmen sollten. Das eine Projektarbeit dort verpflichtend ist. Das kann schulintern sein, aber es sollte den Bereich der Präsentation umfassen. Beispielsweise, wenn wir am Schulbanker-Spiel teilnehmen, muss jede Bank am Ende ihre Bank präsentieren und muss sich beispielsweise überlegen, ob sie einen Vortrag für Aktionäre hält, einen Vortrag für potentielle Kunden....Und für die Schüler hat das den Vorteil, dass sie Erfahrungen sammeln, die sie später auch brauchen können.
Praktische Spiele und Projekte fördern die Eigeninitiative, die für den Beruf unverzichtbar ist. Schüler müssten daher auch mehr einbezogen werden in den Unterrichtsablauf, der heute meist völlig von der Lehrkraft bestimmt wird. Denn im Beruf muss dann der Auszubildende oft selbst erkennen können, welche Arbeit eigentlich noch getan werden muss. Wer darauf wartet, dass der Vorgesetzte jeden Handgriff ansagt, der wird es im Beruf schwer haben. Allerdings unterstützt der Unterricht häufig dieses passive Verhalten und vermittelt dann auch nicht die Fähigkeit, sich auf neue Probleme einzustellen, da diese in der Regel vom Lehrer vorgegeben werden. Uwe Benkel, kaufmännischer Leiter der Firma Helbako in Heiligenhaus und zuständig auch für die Ausbildung:
Ich glaube, dass die Inhalte der Schule durchaus richtig sind. Mathematik, Deutsch, das was dazu gekommen ist: EDV. Das gesamte Feld der sozialen Verantwortung, das wird es als Unterrichtsfach nicht geben, aber es spielt schon nachher im Privatleben und im Berufsleben eine sehr, sehr große Rolle. Ich glaube, das Einschätzung der Bedeutung des Gelernten für das Berufsleben, das fehlt. ... Sehr viele sehen nur, dass sie in einer Firma Geld verdienen, dass die Firma dafür auch eine Gegenleistung haben will, das wird geflissentlich ausgeblendet.
Diese Einseitigkeit ist aber ein Spiegelbild des traditionellen Unterrichts in Schulen. Wenn Schüler nur als passive Empfänger von Informationen gesehen werden, kann eigentlich auch kein Bewusstsein entstehen für gegenseitige Abhängigkeiten. Untersuchungen haben diesbezüglich auch gezeigt, dass Lehrer bei Kontakten mit Unternehmen überrascht sind, wie sehr gerade Umgangsformen und vor allem die Fähigkeit als wichtig eingestuft wird, sich in neue Felder selbstständig erschließen zu können. Das ist offenbar nach wie vor ein großes Defizit schulischer Praxis.
Daher stellt sich auch die Frage, ob beispielsweise ein Fach wie Mathematik nicht praxisbezogener gelehrt werden müsste, damit die Schüler auch die Notwendigkeit und Sinn des Faches verstehen. So gibt es immer wieder die Klagen über die rechnerischen Schwierigkeiten junger Bewerber. Selbst Gymnasiasten aus der zehnten Klasse kann man mit einem Dreisatz in Verlegenheit bringen, berichten Ausbildungsleiter. Grundformen des Rechnens sind heute aber in fast jedem Beruf nötig.
In allgemeinbildenden Schulen fristet das Fach Wirtschaft immer noch ein Schattendasein. Das ist um so bedauerlicher, da nach der schon genannten Untersuchung des Bankenverbandes festgestellt wurde, dass die Jugendlichen ein eigenständiges Fach Wirtschaft in Schulen wünschen. Offenbar ist das Interesse bei jungen Menschen weitaus größer als bei den Verantwortlichen für die Lehrpläne in Deutschland. Daher glaubt auch Professor Bernhard Nibbrig von der Universität Duisburg-Essen, dass das Fach Wirtschaft mit mehr Nachdruck gelehrt werden müsste:
Nach Maßgabe der Wirtschaftsfragen zukommenden Gegenwarts- und Zukunftsbedeutung wird nach meiner Einschätzung und auch Einschätzung sachkundiger Experten Wirtschaft unangemessen oder nicht hinreichend berücksichtigt. Man denke an Aspekte der andauernden Beschäftigungsprobleme, der Wachstumsprobleme, der Probleme öffentlicher Staatsfinanzen oder die Auswirkungen der Osterweiterung und auch die Globalisierung... Sowohl quantitativ wie qualitativ wird den Wirtschaftsfragen nicht angemessen Rechung getragen.
Mama – Was ist ein Fonds? – Diese Fragen können viele Eltern ihren Kindern nicht beantworten. Was ein Fonds ist, sollte aber zur Allgmeinbildung gehören. Schon alleine deswegen, weil die Jugendlichen von heute ihre Altersvorsorge mehr und mehr selbst in die Hand nehmen müssen. Daher sind Kenntnisse des Kapitalmarktes unverzichtbar. Ob sich die Investition in Aktien lohnt, welche Fonds sich für eine Geldanlage eignen, darüber sollte jeder ein passables Basiswissen besitzen.
Wie wichtig wirtschaftliche Bildung ist, das hat mittlerweile auch die Politik erkannt. So wollen die Kultusminister der Bundesländer Standards der wirtschaftlichen Bildung beschließen. Auch gibt es Bestrebungen in Nordrhein-Westfalen, das Fach "Wirtschaft" in
den Schulunterricht einzuführen. Nächstes Jahr wird in manchen Schulformen in Bayern das Fach "Wirtschaft und Recht" verbindlich.
Nur die Wirtschaft sichert unseren Wohlstand. Unsere Zukunft hängt davon ab, ob ausreichend junge Leute Ideen für neue Produkte und Dienstleistungen haben. Daher ist mehr Gewicht für das Fach "Wirtschaft" auch in allgemeinbildenden Schulen unerlässlich.
Das Juniorprojekt will praxisnah wirtschaftliche Zusammenhänge und Funktionsweisen vermitteln. Eigeninitiative, Teamarbeit und Kreativität im unternehmerischen Handeln sollen auf diese Weise gefördert werden. Die Schülerin Yasemin Topcuparlak, Vorstandsvorsitzende des Schülerunternehmens:
Vor allem die Teamarbeit hat mir gefallen. Wir sind noch mehr zusammengewachsen. Und das war ziemlich gut. Und das wirtschaftliche Verständnis, das hat sich auch vergrößert. Man weiß jetzt, wie man an manche Probleme herangehen kann, um diese zu lösen....Die Unterschiede liegen darin, dass, wenn man jetzt im Unterricht auch fünf oder sechs Bücher lesen würde, nicht die Erfahrungen hätte machen können, die wir jetzt gemacht haben.
Erfahrungen wurden zum Beispiel auf den Floh- und Trödelmärkten gesammelt, da man sein Produkt auch verkaufen musste, um Umsatz und Gewinn zu machen. Taktik, Strategie und eine gute Organisation und selbstverständlich auch das Engagement der Schülerinnen und Schüler waren unverzichtbar, um die Firma ein Jahr lang am Markt erfolgreich zu etablieren. Nicht immer ging alles glatt. Insbesondere die Beschaffung des Rohstoffes stellte ein Problem dar. Es gab Lieferschwierigkeiten für das Rohprodukt, der türkischen Nazar-Perle...
Die Idee, aus Nazar-Perlen Ketten zu machen, entstand, da einige Schülerinnen und Schüler aus der Türkei stammen oder andere schon in der Türkei Urlaub machten und die Perle kennen lernten. Sie sieht ähnlich aus wie ein Auge und kommt aus dem arabischen Raum. Einer Tradition zufolge soll die Perle vor Missgunst und Neid schützen.
Für die Klasse war die Erfahrung des Juniorprojekts eine Ergänzung. Denn schon vorher wurden virtuelle Spiele ausprobiert, die allerdings nicht den Reiz hatten, wie ein reales Unternehmen. Welche Vorteile bietet nun das Juniorprojekt auch für den Unterricht? Heinz Dirkling, Schulpate des Projekts und Lehrer der Klasse:
Es wird vieles plastischer, es wird vieles erfahrbarer. Wenn ich klassische Wirtschaftpolitik erklären soll, mit dem Say’schen Theorem: Jedes Angebot schafft sich seine Nachfrage, das ist sehr allgemein. Hier lernen sie im Prinzip kennen, wie es wirklich funktioniert, unter welchen Rahmenbedingungen das gehalten wird. Und gerade, wenn man sich mit Modellen sich beschäftigt, dann ist es wichtig: Welche Rahmenbedingungen sind überhaupt da, dass das Modell funktionieren kann.
Die Schülerinnen und Schüler arbeiten an dem Projekt in ihrer Freizeit. Das gilt natürlich auch für den Lehrer Heinz Dirkling. Denn im Lehrplan sind solche Aktivitäten zwar durchaus erlaubt, aber grundsätzlich nicht vorgesehen. Praktische Wirtschaft fristet eher noch ein Schattendasein im normalen Unterricht. So ist Wirtschaft zwar auch ein Fach in Nordrhein-Westfalen, aber nicht eigenständig – wie in anderen Bundesländern auch -, sondern ein Bereich der Sozialwissenschaften Politik und Soziologie, zu der auch die Wirtschaft gezählt wird.
Dass Wirtschaftsfragen in den allgemeinbildenden Schulen, von der Hauptschule, der Realschule bis zum Gymnasium immer noch quasi "nebenbei" behandelt werden, ist ein bildungspolitischer Standortnachteil. Denn ökonomische Kenntnisse sind wichtig für das tägliche Leben als Verbraucher und natürlich auch im Berufsleben. Dass praktische wirtschaftliche Grundkenntnisse später auch in der Berufswahl eines Gymnasiasten Vorteile haben, das weiß der Lehrer Heinz Dirkling zu berichten, wenn Schülerinnen oder Schüler Berufsakademien von Firmen besuchen wollen:
Für sie war es ein Eintrittstor: Denn es ist nicht einfach, sich bei über tausend Bewerbern von der Masse herauszuheben und dann einen von 40, 50 oder 60 Plätzen zu bekommen. Die erste Hürde ist sicherlich, dass die Unternehmen eine Vorauswahl über das Abiturszeugnis machen, zum zweiten wollen sie Zusatzqualifikationen sehen. Und da hilft dann so eine Urkunde schon in den näheren Bereich reinzukommen...und sich dann dort entsprechend zu präsentieren...Und wenn sie soweit gekommen sind, dann haben sie die erste wichtige Hürde geschafft.
Gerade im praktischen Bereich in den Schulen zeigen sich nach wie vor erhebliche Schwächen in Deutschland. So hat der Bankenverband eine Untersuchung durchführen lassen, die feststellte, dass etwa 80 Prozent des Unterrichts immer noch als Frontalunterricht durchgeführt wird. Der Lehrer steht also vor der Klasse und doziert sein Wissen, das die Schüler aufnehmen sollen. Aktiver gestalteter Unterricht findet nach wie vor nur selten statt. Aber genau dies verlangt die Wirtschaft von den jungen Menschen. Nicht nur lernen und pauken ist heute wichtig, sondern selbstständig sich Wissen anzueignen und es auch umsetzen zu können.
In dieser Hinsicht sind die Schüler oft schon weiter als ihre Lehrer. Denn die Untersuchung hat auch gezeigt, dass Schülerinnen und Schüler viel mehr an eigener Initiative interessiert sind und Wissen, das auch einen Alltagsbezug hat. Dass der Unterricht in deutschen Schulen Mängel aufweist, diese Erfahrung hat auch Wiebke Thomsen gemacht, die heute Auszubildende ist bei der Autozuliefererfirma Helbako in Heiligenhaus bei Düsseldorf:
Ich würde auf keinen Fall sagen, dass es praxisnah ist. Sie müssten es praxisnaher gestalten und auch auf Berufe beziehen, was allerdings auch schwierig ist, weil ... Schüler verschiedene Wege gehen. Deswegen kann die Schule auch nicht vorbereiten in dem Sinne. Was ich mehr sagen würde, ist, dass auf die Schüler mehr individuell eingegangen werden müsste....Was ich in unserer Klasse sehen konnte: Dass alle immer nur mit der Masse mitschwimmen mussten. Und wenn etwas nicht verstanden wurde, dann wurde das nicht nochmal erläutert, also es muss mehr auf die Leute und die einzelnen Interessen eingegangen werden, sei es mit AGs oder irgendwelchen Fortbildungsgruppen.
Noch immer sind viele deutsche Schulen an einer altmodischen Vermittlung von Lehrstoff orientiert. Das hat auch die so genannte PISA-Studie gezeigt, eine weltweite Untersuchung über die Leistungen der Schüler. Deutschland hatte bis auf wenige Schulen schlechte Ergebnisse. Die Vermittlung von Kenntnissen werden immer noch zu wenig an der Lebenswelt der Jugendlichen ausgerichtet. So existiert ein zu großer Bruch zwischen der Organisation des Schulunterrichts und der alltäglichen oder beruflichen Praxis.
Doch mehr und mehr bemühen sich Schulen, den Unterricht so durchzuführen, dass die Schüler Bezüge zu aktuellen Nachrichten aus Zeitungen und Rundfunk haben. Auf dem Stundenplan der Realschule in Düsseldorf-Benrath steht heute zum Beispiel ganz aktuell der Ölpreis.
Die Unterrichtseinheit beschäftigt sich damit, wer Öl verbraucht, welche Ursachen es für den hohen Ölpreis gibt und welche Gefahren mit einem hohen Preis verbunden sind. Diese aktuellen Bezüge sind für viele Schüler interessant, aber nicht immer einfach zu verstehen. Häufig wird das Fach Wirtschaft als Möglichkeit gesehen - gerade weil es keinen zentralen Stellenwert im Lehrplan hat -, mit wenig Einsatz eine gute Note zu bekommen. Das ist aber ein Trugschluss, wie sich in den Klassenarbeiten zeigt. Die Realschullehrerin Martina Bremer zu den Problemen der Schüler beim Erlernen ökonomischer Grundlagen:
Die haben zu knacken an dem Transfer. Was sie lernen können, das ist ganz klar: man kann Definitionen lernen, das macht keinen Spaß, das gehört aber zur Schule dazu, und wir können die Definition des Bruttoinlandsproduktes lernen, Arbeitslosenquote, wie die sich zusammensetzt, ... das ist kein Thema, das kann man abfragen, das machen sie auch ganz gerne, weil der Lernerfolg, der wird dann auch belohnt....Das Problem, das man als Lehrer hat oder auch als Erwachsener, denke ich, den Bezug zur Realität zu schaffen, also den Übergang, das Gelernte auch anzuwenden. Das ist nicht ganz einfach.
Dennoch finden Schüler Wirtschaft interessant, insbesondere wenn die menschliche Seite der Wirtschaft zum Vorschein kommt. Die Schülerin Sevin Gökduman:
Wirtschaft ist spannend, wenn man einen Vergleich hat, zum Beispiel zwischen armen und reichen Ländern, wenn man sieht, was für Unterschiede herrschen. Das Thema, dass man durchnehmen könnte, wäre Arbeitslosigkeit. arbeitslose Leute hierher bringen und fragen, was sie durchgemacht haben, dass man eine Vorstellung hat.
Oder der Schüler Thorsten Zielke:
Wenn man mehr praktisch arbeiten würde. So zum Beispiel Börse, da hätten wir dann so ein künstliches Konto gehabt und dann mit Aktien und so gearbeitet hätten.
Das Börsengeschehen zeigt die Schwierigkeit, die Schüler mit wirtschaftlichen Themen haben. Einerseits ist Wirtschaft sehr konkret, andererseits aber auch sehr abstrakt. Dass es auf dem Börsenparkett konkret um viel Geld geht, das ist vielen verständlich, was aber nun der Deutsche Aktienindex genau ausdrückt, welche Entwicklungen man möglicherweise an seinem Verlauf ablesen kann, das ist nicht ohne weiteres einsichtig. Warum man zum Beispiel auch mehrere Aktien in einem Fonds zusammenfasst und welchen Sinn das hat, ist jüngeren Schülern nicht einfach zu erklären.
Um das Verständnis für Betriebs- und Volkswirtschaft zu schärfen und um auf notwendige Details wirtschaftlicher Aktivitäten besser eingehen zu können, müsste der Wirtschaftsunterricht aufgewertet werden. Martine Bremer:
Wo findet denn Wirtschaftsunterricht statt?, muss man fragen. Wirtschaftsunterricht gibt es im normalen Lehrplan nicht. In der Realschule, hier in Nordrhein-Westfalen in den Sozialwissenschaften, ein kleiner Teil: Soziologie, Politik und Wirtschaft. Natürlich greift das ineinander über: Man muss wirtschaftliche Fragen immer wieder beleuchten. Aber Wirtschaft an sich, was später die Berufsschulen auch machen und wo ich meine Schüler versuche vorbereiten, läuft nicht.
Als eigenständiges Fach konnte sich Wirtschaft in Deutschland bis heute nicht etablieren. Es müssen Möglichkeiten geschaffen werden, dass ökonomische Themen mehr Gewicht im Unterricht bekommen. Prof. Bernhard Nibbrig von der Universität Duisburg-Essen, Standort Essen, Fachbereich Wirtschaftswissenschaften und Didaktik der Wirtschaftlehre:
Einmal kennt man ja in der Geografie die geografische und die wirtschaftsbezogene Geographie, die stärker wirtschaftsbezogene Aspekte aus der Region oder dem Lande aufgreift. Das gleiche gilt für die Geschichte: Wir haben eine politische Geschichte, eine Ideengeschichte, eine Sozialgeschichte und eine Wirtschaftsgeschichte. Ich würde nicht soweit gehen, dass man in diesen Fächern ausschließlich oder vorrangig wirtschaftliche Aspekte behandelt, aber doch vermehrt, auch den Gegenständen innewohnenden wichtigen ökonomischen Aspekten. Das gilt für Kunst, man denke an die Gestaltung von Münzen und Banknoten, oder man denke an den Bereich Religion an Wirtschafts- und unternehmensethische Aspekte, festgemacht an Skandalen, an der Raffgier von Vorsitzenden, an Skandalen der Rechnungslegung und Umweltschutzproblemen und dergleichen.
Trotz zahlreicher Skandale hat das Interesse der Schüleran wirtschaftlichen Sachverhalten nicht gelitten. Sie halten Wirtschaft für wichtig. Das hat eine Studie des Bundesverbandes Deutscher Banken vergangenes Jahr festgestellt. Die 14- bis 17jährigen Schüler sind der Meinung, dass dem Fach Wirtschaft ein höherer Stellenwert in der Schule eingeräumt werden müsste. Ältere Schüler geben wirtschaftlicher Bildung einen noch höheren Stellenwert. Ein einzelnes Fach "Wirtschaft" befürworten fast 80 Prozent der bis 20jährigen.
Wie wichtig ein Fach "Wirtschaft" ist, das zeigen auch andere Ergebnisse der Untersuchung. So können nur wenige Schüler etwas mit "Angebot und Nachfrage" anfangen. Auch die "Soziale Marktwirtschaft" ist für viele Schüler kein Begriff, mit dem sie eine konkrete Vorstellung verbinden können. Zwar finden die meisten Schüler die Globalisierung nicht besorgniserregend, aber was nun Globalisierung bedeutet und welche Auswirkungen sie hat, darüber ist das Wissen sehr begrenzt. Wie wichtig Wirtschaftsbildung gerade in der Schule ist, belegt ein weiterer Punkt der Untersuchung. Rund 70 Prozent der Schüler erwarten nämlich von der Schule, dass sie über wirtschaftliche Sachverhalte informiert.
Dass es in Deutschland immer noch Probleme gibt und dass wir im Bereich wirtschaftlicher Bildung in der Haupt- Realschule und Gymnasium noch viel nachzuholen haben, darauf verweist auch Professor Bernhard Nibbrig, wenn er nach den Verzerrungen gefragt wird, die immer noch in der ökonomischen Bildung bei jungen Menschen vorhanden sind:
Wesentliche Ursache für vorfindbare verzerrte Wahrnehmungen oder auch Einschätzungen der Wirtschaft....sind im wesentlichen nach meinen Erfahrungen und auch vorliegenden empirischen Befunden zurückzuführen auf unzureichende Schulbücher und nicht vorhandenes anspruchsvolles wirtschaftsdidaktisches Material. Eine zweite Hauptursache ist die defizitäre wirtschaftswissenschaftliche Qualifizierung vieler Lehrenden im allgemeinbildenden Schulbereich. Und drittens sind es die unzureichenden Erfahrungskontakte der Lernenden, aber auch der Lehrenden mit betrieblicher Praxis oder ökonomischer Praxis.
Große Herausforderungen ergeben sich daraus, Schüler in den weiterführenden Schulen auf die Berufspraxis vorzubereiten. Schon vor einigen Jahren hat eine Studie der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit, der OECD in Paris, betont, dass Schulen nicht gut motivierte und gebildete Jugendliche hervorbringen würden, die Arbeitgeber dann auch gern einstellen. Der Grund liegt oft in der Einübung bestimmter Fertigkeiten, die zwar der Schule genügen, die aber mit den Erfordernissen der Wirtschaft nicht übereinstimmen. Die Folge ist, dass einmal eingeübte Verhaltensweisen und Arten des Lernens im Beruf korrigiert werden müssen, was nicht immer einfach ist und Zeit erfordert.
Lehrer sollten daher mehr eigene Erfahrung in der Praxis erlangen. Ein wichtiger Schritt sind Unternehmensspiele, die selbstständiges und praktisches Arbeiten fördern und auch Lehrkräfte schulen können, Unterricht zeitnaher und pädagogisch interessanter für ihre Schüler zu gestalten. Eine Möglichkeit ist das schon erwähnte "juniorprojekt".
Heinz Dirkling, Lehrer am Ernst-Moritz-Arndt-Gymnasium in Remscheid:
Ich würde mir eigentlich wünschen, dass Oberstufen an irgendeinem Projekt teilnehmen sollten. Das eine Projektarbeit dort verpflichtend ist. Das kann schulintern sein, aber es sollte den Bereich der Präsentation umfassen. Beispielsweise, wenn wir am Schulbanker-Spiel teilnehmen, muss jede Bank am Ende ihre Bank präsentieren und muss sich beispielsweise überlegen, ob sie einen Vortrag für Aktionäre hält, einen Vortrag für potentielle Kunden....Und für die Schüler hat das den Vorteil, dass sie Erfahrungen sammeln, die sie später auch brauchen können.
Praktische Spiele und Projekte fördern die Eigeninitiative, die für den Beruf unverzichtbar ist. Schüler müssten daher auch mehr einbezogen werden in den Unterrichtsablauf, der heute meist völlig von der Lehrkraft bestimmt wird. Denn im Beruf muss dann der Auszubildende oft selbst erkennen können, welche Arbeit eigentlich noch getan werden muss. Wer darauf wartet, dass der Vorgesetzte jeden Handgriff ansagt, der wird es im Beruf schwer haben. Allerdings unterstützt der Unterricht häufig dieses passive Verhalten und vermittelt dann auch nicht die Fähigkeit, sich auf neue Probleme einzustellen, da diese in der Regel vom Lehrer vorgegeben werden. Uwe Benkel, kaufmännischer Leiter der Firma Helbako in Heiligenhaus und zuständig auch für die Ausbildung:
Ich glaube, dass die Inhalte der Schule durchaus richtig sind. Mathematik, Deutsch, das was dazu gekommen ist: EDV. Das gesamte Feld der sozialen Verantwortung, das wird es als Unterrichtsfach nicht geben, aber es spielt schon nachher im Privatleben und im Berufsleben eine sehr, sehr große Rolle. Ich glaube, das Einschätzung der Bedeutung des Gelernten für das Berufsleben, das fehlt. ... Sehr viele sehen nur, dass sie in einer Firma Geld verdienen, dass die Firma dafür auch eine Gegenleistung haben will, das wird geflissentlich ausgeblendet.
Diese Einseitigkeit ist aber ein Spiegelbild des traditionellen Unterrichts in Schulen. Wenn Schüler nur als passive Empfänger von Informationen gesehen werden, kann eigentlich auch kein Bewusstsein entstehen für gegenseitige Abhängigkeiten. Untersuchungen haben diesbezüglich auch gezeigt, dass Lehrer bei Kontakten mit Unternehmen überrascht sind, wie sehr gerade Umgangsformen und vor allem die Fähigkeit als wichtig eingestuft wird, sich in neue Felder selbstständig erschließen zu können. Das ist offenbar nach wie vor ein großes Defizit schulischer Praxis.
Daher stellt sich auch die Frage, ob beispielsweise ein Fach wie Mathematik nicht praxisbezogener gelehrt werden müsste, damit die Schüler auch die Notwendigkeit und Sinn des Faches verstehen. So gibt es immer wieder die Klagen über die rechnerischen Schwierigkeiten junger Bewerber. Selbst Gymnasiasten aus der zehnten Klasse kann man mit einem Dreisatz in Verlegenheit bringen, berichten Ausbildungsleiter. Grundformen des Rechnens sind heute aber in fast jedem Beruf nötig.
In allgemeinbildenden Schulen fristet das Fach Wirtschaft immer noch ein Schattendasein. Das ist um so bedauerlicher, da nach der schon genannten Untersuchung des Bankenverbandes festgestellt wurde, dass die Jugendlichen ein eigenständiges Fach Wirtschaft in Schulen wünschen. Offenbar ist das Interesse bei jungen Menschen weitaus größer als bei den Verantwortlichen für die Lehrpläne in Deutschland. Daher glaubt auch Professor Bernhard Nibbrig von der Universität Duisburg-Essen, dass das Fach Wirtschaft mit mehr Nachdruck gelehrt werden müsste:
Nach Maßgabe der Wirtschaftsfragen zukommenden Gegenwarts- und Zukunftsbedeutung wird nach meiner Einschätzung und auch Einschätzung sachkundiger Experten Wirtschaft unangemessen oder nicht hinreichend berücksichtigt. Man denke an Aspekte der andauernden Beschäftigungsprobleme, der Wachstumsprobleme, der Probleme öffentlicher Staatsfinanzen oder die Auswirkungen der Osterweiterung und auch die Globalisierung... Sowohl quantitativ wie qualitativ wird den Wirtschaftsfragen nicht angemessen Rechung getragen.
Mama – Was ist ein Fonds? – Diese Fragen können viele Eltern ihren Kindern nicht beantworten. Was ein Fonds ist, sollte aber zur Allgmeinbildung gehören. Schon alleine deswegen, weil die Jugendlichen von heute ihre Altersvorsorge mehr und mehr selbst in die Hand nehmen müssen. Daher sind Kenntnisse des Kapitalmarktes unverzichtbar. Ob sich die Investition in Aktien lohnt, welche Fonds sich für eine Geldanlage eignen, darüber sollte jeder ein passables Basiswissen besitzen.
Wie wichtig wirtschaftliche Bildung ist, das hat mittlerweile auch die Politik erkannt. So wollen die Kultusminister der Bundesländer Standards der wirtschaftlichen Bildung beschließen. Auch gibt es Bestrebungen in Nordrhein-Westfalen, das Fach "Wirtschaft" in
den Schulunterricht einzuführen. Nächstes Jahr wird in manchen Schulformen in Bayern das Fach "Wirtschaft und Recht" verbindlich.
Nur die Wirtschaft sichert unseren Wohlstand. Unsere Zukunft hängt davon ab, ob ausreichend junge Leute Ideen für neue Produkte und Dienstleistungen haben. Daher ist mehr Gewicht für das Fach "Wirtschaft" auch in allgemeinbildenden Schulen unerlässlich.