Der Begriff der Minimal music stammt von Michael Nyman – die kleingliedrig repetitive Tonkunst, die vor allem von Figuren der Musik aus der Barock-Zeit ausgeht und die eingängigen Ton-Formeln neu montiert, rhythmisiert und parfümiert, hat zwar insbesondere Philip Glass berühmt gemacht und auch für den Wohlstand von Steve Reich gesorgt, doch der britische Musikologe und Komponist Nyman differenzierte sie auf seine eigene, freiere Weise. Er fertigte auf der Grundlage der Instrumentalbahnen in Minimal Sound knappere "Lieder" mit jeweils einem Grund-Affekt – und aus der Kombination verschiedener Nummern dann neue Liederspiele, bei denen die ansonsten in der Minimal music vorherrschende Tonalität auch erweitert oder zersetzt wurde.
Mit "Man and Boy: DADA" suchte Michael Nyman die Annäherung an eine Künstler-Biographie vom Ende des Lebenswegs her. Im London der Nachkriegszeit geraten der halbwüchsige Michael, der leidenschaftlich Busfahrscheine sammelt, und ein kauziger alter Mann aneinander, der sich auch nach einem weggeworfenen Ticket bückt. Er braucht das Stück Papier für eine Collage, was er in einer kunstfernen Sphäre kaum erklären kann. Aus der Konfrontation erwächst Freundschaft in notdürftiger Zeit – und mit Michaels Mutter, einer Kriegerwitwe, um die der Emigrant Kurt zu werben beginnt, weitet sich das pädagogisch-erotische Verhältnis zur Dreiecksgeschichte und zum Lehrstück, das einen exorbitanten Lebens- und Kunstweg zu verlebendigen sucht (fraglich bleibt, ob die Form der Kammeroper für dieses Ansinnen optimal geeignet ist).
Auf der wie eine Schwitters-Collage drapierten Spielfläche, die von der Waagrechten in die Vertikale übergeht, wird das Prinzip DADA erläutert und die Künstlerexistenz als Zumutung für die normalen Leute vorgeführt: Im Zentrum steht Kurt Schwitters, der von vom Sturm herkam und 1948 in der völligen Windstille eines entlegenen Winkels von Nordwestengland zugrunde ging. In jungen Jahren war er Mitarbeiter von Herward Waldens expressionistischer Zeitschrift gewesen. Er gehörte zu denen, die künstlerisch explodierten, als der erste Weltkrieg implodierte. Er präsentiert sich als Dichter und Aktionskünstler, der in diversen Disziplinen die hergebrachten Formen und Techniken paralysierte, das Fragmentierte oder auch einfach im Alltag vorgefundene Materialien neu konstruierte und konstituierte, dabei die Gewerke absichtsvoll verfranste: mit Merzkunst (einem Torso der Kommerz-Kunst) wurden literarische Ambitionen mit unterschiedlichsten Techniken der Bildenden Kunst und ggf. auch Performance collagiert. Es ging von Herzen und auch im Kopf kunstrevolutionär zu im Gefolge der dadaistischen Anna Blume. Dass Schwitters der von Technokratie und Journaille missbrauchten Sprache mißtraute und den Surrealismus für die zutreffende Antwort auf die optischen Zumutungen im mittleren Abschnitt des 20. Jahrhunderts hielt, wird mit Nymans Musiktheater ebenso deutlich wie das Elend des Emigrantendaseins oder die materiellen und psychischen Folgen des zweiten Weltkriegs in der Jugend des Komponisten Nyman, die sich vermutlich in der Figur des jungen Michael spiegelte.
Janja Vuletic bestreitet diese Hosenrolle virtuos. Und John Pickering beglaubigt den gestrandeten Künstler Schwitters so eindringlich wie den charmanten Erotomanen, gibt den "Umdenker" und Pädagogen so nachdrücklich wie den Schnorrer. Mit Beverly O-Regan-Thiele im gepunkteten Kleid und mit den grässlichen Strümpfen scheint die Nachkriegszeit in drastischer Strenge aufzuerstehen.
Mit "Man and Boy: DADA" suchte Michael Nyman die Annäherung an eine Künstler-Biographie vom Ende des Lebenswegs her. Im London der Nachkriegszeit geraten der halbwüchsige Michael, der leidenschaftlich Busfahrscheine sammelt, und ein kauziger alter Mann aneinander, der sich auch nach einem weggeworfenen Ticket bückt. Er braucht das Stück Papier für eine Collage, was er in einer kunstfernen Sphäre kaum erklären kann. Aus der Konfrontation erwächst Freundschaft in notdürftiger Zeit – und mit Michaels Mutter, einer Kriegerwitwe, um die der Emigrant Kurt zu werben beginnt, weitet sich das pädagogisch-erotische Verhältnis zur Dreiecksgeschichte und zum Lehrstück, das einen exorbitanten Lebens- und Kunstweg zu verlebendigen sucht (fraglich bleibt, ob die Form der Kammeroper für dieses Ansinnen optimal geeignet ist).
Auf der wie eine Schwitters-Collage drapierten Spielfläche, die von der Waagrechten in die Vertikale übergeht, wird das Prinzip DADA erläutert und die Künstlerexistenz als Zumutung für die normalen Leute vorgeführt: Im Zentrum steht Kurt Schwitters, der von vom Sturm herkam und 1948 in der völligen Windstille eines entlegenen Winkels von Nordwestengland zugrunde ging. In jungen Jahren war er Mitarbeiter von Herward Waldens expressionistischer Zeitschrift gewesen. Er gehörte zu denen, die künstlerisch explodierten, als der erste Weltkrieg implodierte. Er präsentiert sich als Dichter und Aktionskünstler, der in diversen Disziplinen die hergebrachten Formen und Techniken paralysierte, das Fragmentierte oder auch einfach im Alltag vorgefundene Materialien neu konstruierte und konstituierte, dabei die Gewerke absichtsvoll verfranste: mit Merzkunst (einem Torso der Kommerz-Kunst) wurden literarische Ambitionen mit unterschiedlichsten Techniken der Bildenden Kunst und ggf. auch Performance collagiert. Es ging von Herzen und auch im Kopf kunstrevolutionär zu im Gefolge der dadaistischen Anna Blume. Dass Schwitters der von Technokratie und Journaille missbrauchten Sprache mißtraute und den Surrealismus für die zutreffende Antwort auf die optischen Zumutungen im mittleren Abschnitt des 20. Jahrhunderts hielt, wird mit Nymans Musiktheater ebenso deutlich wie das Elend des Emigrantendaseins oder die materiellen und psychischen Folgen des zweiten Weltkriegs in der Jugend des Komponisten Nyman, die sich vermutlich in der Figur des jungen Michael spiegelte.
Janja Vuletic bestreitet diese Hosenrolle virtuos. Und John Pickering beglaubigt den gestrandeten Künstler Schwitters so eindringlich wie den charmanten Erotomanen, gibt den "Umdenker" und Pädagogen so nachdrücklich wie den Schnorrer. Mit Beverly O-Regan-Thiele im gepunkteten Kleid und mit den grässlichen Strümpfen scheint die Nachkriegszeit in drastischer Strenge aufzuerstehen.