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"Man begegnet in erster Linie Kamelen und Ziegen"

Stefan May ist österreichischer UNO-Blauhelm-Offizier in der West-Sahara. Die dortige Mission soll den seit 19 Jahren währenden Waffenstillstand zwischen Marokko und der Polisario überprüfen. Während ihrer Patrouillen, sagt May, treffen die stets unbewaffneten Soldaten eher selten auf Menschen.

Stefan May im Gespräch mit Friedbert Meurer |
    Friedbert Meurer: Afghanistan, Irak, das sind zwei der Länder mit internationalen Militäreinsätzen. Im Irak hatten die USA ohne UNO-Mandat angegriffen, in Afghanistan hat die NATO-geführte ISAF-Mission ein UNO-Plazet. Das gibt es auch für die UNO-Mission in der West-Sahara, weit weniger spektakulär natürlich. Seit 19 Jahren herrscht dort Waffenruhe zwischen Marokko und der Polisario. Das ist die Befreiungsbewegung der einheimischen Saharouis. 200 UNO-Blauhelm-Soldaten gibt es in der West-Sahara. Sie kontrollieren den Waffenstillstand und sind, wie das für Blauhelm-Missionen üblich ist, unbewaffnet. Im Studio bei mir ist Stefan May, österreichischer UNO-Blauhelm-Offizier in der West-Sahara. Guten Morgen!

    Stefan May: Guten Morgen.

    Meurer: Die UNO-Mission ist zuständig für die gesamte West-Sahara. Ihr Wirkungskreis aber ist vor allem der Ostteil, der von der Polisario kontrolliert wird. Wie sieht ein gewöhnlicher Tag im Leben des UNO-Blauhelm-Soldaten Stefan May aus?

    May: Der gewöhnliche Arbeitstag sieht so aus, dass man am Vormittag eine Patrouille fährt - eine Patrouille wird in der Regel mit zwei Autos gefahren – und dann kommt man so um die Mittagszeit zurück, oder, wenn es eine längere Patrouille ist, erst so gegen Abend. Ein- bis zweimal in der Woche macht man auch Journaldienst, das heißt Duty 1 oder Duty 2. Man befindet sich dann im Stützpunkt und hat dann einfach …

    Meurer: Duty 1, duty 2, das ist einmal der Morgendienst, einmal der Abenddienst.

    May: Genau, ja, und man hat da den Kontakt zu den Patrouillen zu halten, man hat im Internet herumzusegeln und zu schauen, was es an neuen Nachrichten gibt, man hat zu überblicken, was die Zentrale in El Aaiún an Nachrichten bereit hält.

    Meurer: Die Hauptstadt!

    May: Die Hauptstadt, ja, und unser Hauptquartier, das dort angesiedelt ist.

    Meurer: Wenn Sie Patrouillen fahren, wem begegnen Sie da?

    May: Man begegnet in erster Linie Kamelen und Ziegen. Also es ist eine relativ bevölkerungsarme Gegend. Es gibt da und dort Beduinen-Zelte und die Polisario hat ihre Einheiten in dieser Gegend stationiert. Menschen begegnet man relativ selten, in erster Linie aber dort, wo Brunnen sind. Da kommen dann Menschen mit ihren Tierherden hin, oder mit ihren Jeeps und holen Wasser.

    Meurer: Wie sieht, Herr May, Ihr Kontakt zu den Polisario-Leuten aus?

    May: Wir haben genauso wie auf der anderen Seite, auf der marokkanisch besetzten Seite, Locals, die in unseren Stützpunkten arbeiten. Bevölkerung, die aus der Gegend ist, wird angestellt und ist dann zuständig für Reinigen der Unterkünfte, Reinigen des Stützpunktes, Küche und natürlich auch Stellen eines Verbindungsoffiziers. Das heißt, wir haben in unserem Bereich einen Polisario-Offizier, der die Verbindung herstellt zu den militärischen Teilen. Genauso ist es auf der anderen Seite. Dort gibt es einen Verbindungsoffizier zur königlich-marokkanischen Armee.

    Meurer: Wenn Sie mal mit diesen militärischen Teilen der Polisario zu tun haben, also deren, ich sage mal, Generälen, was sind das für Leute?

    May: Mit Generälen haben wir nicht so viel zu tun. Wir haben mit denen zu tun, die die Militärregion vertreten. Das ist also eine gute Stufe darunter. Das sind, vermute ich einmal, die alten Kämpfer von damals. Natürlich sind die Menschen älter geworden in der Zwischenzeit. Es ist – das darf man nicht übersehen – jetzt 20 Jahre Waffenstillstand. Das heißt, die beiden Kontrahenten haben sich 20 Jahre lang nicht gesehen und damit ist der Konflikt – wie soll man sagen – vielleicht ein wenig festgefahren. Es ist eine Normalität, ein Provisorium, das zur Normalität geworden ist.

    Meurer: Ist die Polisario nicht nur alt, sondern auch schwach geworden?

    May: Das kann ich so nicht beurteilen. Sie haben zweifellos noch ihre Waffen von damals, die sie weiterhin hegen und pflegen und die wir zu kontrollieren haben. Die UNO kontrolliert die Waffen auf der einen wie auf der anderen Seite und überprüft vor allem, dass da nicht mehr dazukommen. Das ist mal das wichtige, dass der Konflikt nicht weiter geschürt wird, dass das nicht anwächst.

    Meurer: Aber eine Aufgabe Ihrer Mission, Ihrer UNO-Mission ist es ja auch, dafür zu sorgen, dass es ein Referendum in der gesamten West-Sahara gibt über die Unabhängigkeit dieses Landes. Warum tut sich da nichts?

    May: Das ist die große Schwierigkeit dieses Landstrichs, dass sich die beiden Parteien nicht einigen können auf das Prozedere, sich nicht einigen konnten über die Definition der Wahlberechtigten, über den Ablauf dieses Referendums, und darum dauert es nun schon 20 Jahre. Es sind ja eigentlich die zivilen UN-Mitarbeiter dazu aufgerufen oder damit betraut, diese Wahl vorzubereiten, durchzuführen. Der militärische Bereich hat das zu beobachten und abzusichern. Im Augenblick aber sieht es so aus, dadurch, dass diese Verhandlungen sehr festgefahren sind und sich da nicht allzu viel entwickelt, dass wir, der militärische Bereich, in erster Linie darauf schauen müssen, dass der Waffenstillstand eingehalten wird, dass die Mienengefahr reduziert wird und dass man vertrauensbildende Maßnahmen durchführt.

    Meurer: Stefan May, österreichischer UNO-Blauhelm-Offizier in der West-Sahara, heute Morgen bei uns im Studio im Deutschlandfunk. Herr May, danke Ihnen und guten Rückflug in die West-Sahara.

    May: Danke ebenfalls.

    Meurer: Auf Wiederschauen.

    May: Auf Wiedersehen.