Archiv


"Man bleibt in seiner Community"

Der Bundesverband ausländischer Studierender (BAS) fordert eine bessere Integrationsarbeit an Hochschulen. Geschäftsführer Johannes Glembek kritisierte in diesem Zusammenhang den Rückzug vieler Hochschulen aus den studienvorbereitenden Sprachkursen als "sehr großen Fehler".

Moderation: Kate Maleike |
    Kate Maleike: Am Telefon ist jetzt Johannes Glembek, der Geschäftsführer des Bundesverbandes ausländischer Studierender, kurz BAS. Der Verband beschäftigt sich quasi tagtäglich mit Integrations- und Migrationsangelegenheiten. Guten Tag, Herr Glembek!

    Johannes Glembek: Ja, guten Tag, Frau Maleike.

    Maleike: Dass sich Studierende so wie gerade hier gehört in Mainz, engagieren für das internationale Miteinander, sagen wir es mal so, das werden Sie ja sicher gern hören, denn Sie haben erst in letzter Zeit einen offenen Brief an die Hochschulen geschrieben, damit diese sich mehr in Integrationsfragen einsetzen.

    Glembek: Ja, das hören wir sogar sehr gerne, und das, was im Beitrag genannt worden ist, ist, denke ich, sicherlich auch für Studierende richtungsweisend, denn es ist nicht selbstverständlich, leider nicht selbstverständlich, dass sich Studierende so selbstverständlich mit diesem Thema beschäftigen. Und das höre ich sehr gerne sogar.

    Maleike: Warum ist das denn so?

    Glembek: Ich denke, oftmals werden viele Sachen entweder als alltäglich hingenommen oder, und das ist leider die andere Seite, es wird nicht bewusst erfahren, also diese Internationalisierung, diese Internationalisierungsprozesse, die Vielzahl an ausländischen Studierenden werden einfach nicht wahrgenommen, weil man bleibt in seiner Community.

    Und ich glaube, das kann man nur durchbrechen, wenn man sich wieder auf dem Kongress in Mainz bewusst damit auseinandersetzt. Und das wollten wir auch mit unserem Brief erreichen, dass sich Studierendenschaften und Studierende ganz bewusst mit dem Thema Internationalisierung beschäftigen.

    Maleike: Und es auch als Mehrwert sehen?

    Glembek: Richtig, natürlich. Also das kam, denke ich, in dem Beitrag ja auch sehr gut raus. Die Beschäftigung mit anderen Kulturen ist ein Mehrwert im Studium, in der Lebenserfahrung und aber auch im Wissenstransfer.

    Denn das Wissen, das studierende Nachwuchsakademikerinnen aus anderen Ländern mitbringen, ist natürlich ganz anders als das, was wir hier haben: Die Einstellungen, die Erfahrungen an Hochschulen sind anders, die Erfahrungen an den Schulen sind anders. Das kann man sogar bis ins Curriculum reintransportieren, wenn man überlegt, was für Medizin lernen wir denn in Deutschland kennen, und was kann man vielleicht in anderen Ländern überhaupt davon anwenden.

    Maleike: Wir haben ja hier in Deutschland unter zwei Millionen Studierenden rund ein Viertel von Studierenden, die aus dem Ausland kommen, und es gab neulich eine Studie des HIS, der zusammen mit dem DAAD, also dem Deutschen Akademischen Austauschdienst, eben dieses auf den Weg gebracht hatte.

    Und darin war eine ganz wichtige Aussage, dass sich ausländische Studierende mit ihren deutschen Kommilitonen so gut wie gar nicht unterhalten, dass sich das nicht vermischt, dass sie sich einsam fühlen. Wie kann das denn passieren?

    Glembek: Ja, ich denke, das ist ein Problem, ein beiderseitiges Problem natürlich, aber vor allem natürlich ein Problem der - wie man so schön sagt - Aufnahmegesellschaft, also der deutschen Studierenden, die da sicherlich eine Verantwortung haben, auch auf die ausländischen Studierenden zuzugehen.

    Natürlich, das hört man ja auch oft von Studierenden, die Ausländer sind nur in ihren Communities, die Chinesen sind zusammen, die Lateinamerikaner sind zusammen. Man muss sich nur vorstellen, dass es natürlich viel schwieriger ist, wenn man in der Minderheit ist, auf die Mehrheit zuzugehen, als tatsächlich aus der Mehrheit heraus sozusagen auch eine Minderheit zu integrieren. Und wenn ich als einzelner ausländischer Studierender beispielsweise in einem Seminar sitze und bis zum Schluss bei der Themenvergabe sitze und niemand mich fragt, ob ich seiner Lerngruppe, in seiner Projektgruppe mitarbeite, ist das natürlich ein großes Problem.

    Und deshalb denke ich, dieses bewusste Umgehen mit Internationalität, das Erkennen des Mehrwerts und dann das bewusste Auf-die-ausländischen-Studierenden-Zugehen, was natürlich auch ein Mehr an Arbeit ist, das ist klar. Die Menschen sind fremd hier, die Wissenschaftskultur ist eine andere. Aber ich denke, da muss vonseiten der deutschen Studierenden ein größeres Bewusstsein da sein und ein Auf-die-ausländischen-Studierenden-Zugehen.

    Maleike: Und vor allen Dingen auch vonseiten der Hochschulen, da liegt ja auch noch einiges im Argen?

    Glembek: Richtig. Auch an den Hochschulen ist das an sich ... Internationalisierung ist natürlich ein Thema im Sinne von Bologna, umstellen auf Bachelor/Master, aber dann bleibt es oft auch so. Ich denke, es gibt von der Grundstimmung her eine sehr große Offenheit gegenüber Internationalem.

    Viele Hochschulen verstehen sich ja auch so, halten das für selbstverständlich, gehen aber nicht bewusst damit um, gehen auch nicht strukturell bewusst damit um und schaffen Räume für Kommunikation, schaffen auch Anreize für Kommunikation. Und Sie haben gesagt für Gespräche, aber natürlich auch weiter wirklich für einen Austausch.

    Maleike: Und für ein besseres Willkommen, zum Beispiel auch mit Sprachkursen. Was könnte man ganz konkret ändern, damit eben, ich sag mal die Integration in den Studienalltag auch besser gelingt. Denn viele ausländische Studierende brechen ja das Studium leider auch ab.

    Glembek: Sie haben eines der wichtigsten Sachen genannt. Vor zwei Jahren etwa haben sich sehr viele Hochschulen aus den studienvorbereitenden Sprachkursen zurückgezogen. Es wurden dann Kostengründe genannt, es wurde eine Auslagerung ins Heimatland genannt.

    Aber das ist ein wichtiger Punkt, das war ein sehr, sehr großer Fehler unserer Meinung nach. Sprache ist ein elementarer Punkt. Und da es an der Hochschule ja nicht nur darum geht, sich einfach zu verständigen, sondern auch sich wissenschaftlich zu verständigen, wäre das ganz, ganz wichtig - Sprachkurse.

    Ein zweiter Punkt sind Tutorien, und zwar nicht getrennte Tutorien, was ja auch sehr oft ist, dass gerade in Orientierungsphasen, sehr gut gemeint, akademische Auslandsämter, Tutorien oder Einführungen macht für die ausländischen Studierenden, und die Deutschen haben dann ihre eigenen Einführungen. Nein, das muss eigentlich organisiert zusammenkommen. Das ist natürlich nicht in jedem Punkt möglich, aber soweit es möglich ist, muss so was zusammenkommen.

    Maleike: Herr Glembek, noch ganz kurz zum Schluss: BAS will sich ja auch mehr Gehör verschaffen, denn zum Beispiel bei den Integrationsgipfeln hier in Deutschland waren sie gar nicht mit am Tisch. Dabei haben Sie ja sozusagen die Standesvertretung für viele Hochqualifizierte, die wir ja wollen. Wie können Sie jetzt, ganz kurz noch formuliert zum Schluss, sich mehr Gehör verschaffen?

    Glembek: Sie helfen uns zum Beispiel dabei. Ich denke, die Presse und die Medien sind ganz wichtig. Wir haben es ja auch geschafft, wir waren zwar nicht bei den Integrationsgipfeln dabei, aber wir haben es dadurch, dass wir auf die Politik immer wieder zugegangen sind, ja geschafft, in der Arbeitsgruppe zumindest dabei zu sein, die einen Teil dieses Integrationsplanes erarbeitet hat ... Arbeitsgruppe Wissenschaft weltoffen.

    Und wir hoffen, dass wir durch die Presse, aber auch immer wieder durch direkte Handsprache der Verantwortlichen, dass es irgendwann soweit ist, dass wir auch regelmäßiger Bestandteil sind, dass ausländische Studierende, wenn es sie betrifft, tatsächlich auch ihr Votum und ihre Stimme abgeben können.

    Maleike: Der Bundesverband ausländischer Studierender fordert eine bessere Integrationsarbeit an Hochschulen.