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"Man ist, was man isst"

Der amerikanische Musiker Omar Rodríguez-López und die Sängerin Teri Gender Bender haben ein neues Projekt. Bosnian Rainbow ist keine Band im klassischen Sinne, sondern der Ableger einer Art Hippie-Künstler-Familie, bei der Brokkoli eine tragende Rolle spielt.

Von Dirk Schneider | 29.06.2013
    "Wir sind Menschen, die sich gerne ausdrücken. Ich bin kein Musiker. Ich bin einfach eine Person. Wir machen Musik zusammen, weil wir voneinander angezogen sind. Und wir interessieren uns viel mehr für das Leben und den Tod als für Musik. Musik ist nichts Besonderes."

    Es hat keinen Zweck, mit Omar Rodríguez-López über Musik reden zu wollen, und in der Tat gibt es auch kaum stilistische Konstanten bei dem Mann. Er war maßgeblich beteiligt an Bands wie At The Drive-In, die man vielleicht als Emo-Core bezeichnen würde, und The Mars Volta, die eine moderne Form von Progressive Rock gespielt haben. Und nun also Bosnian Rainbows.

    Das Leben und den Tod findet man auf jeden Fall in dieser Musik. Mit Sängerin Teri Gender Bender macht Rodríguez-López jetzt etwas, das man als düsteren, 80er-Jahre-orientierten Pop beschreiben könnte. Aber so etwas sollte man natürlich auch nicht sagen:

    "Wir werden in Interviews immer wieder gefragt, was wir wollten, was unser Anspruch ist, welche Bands uns beeinflusst haben. Das ist ein seltsamer Ansatz, weil wir über so etwas überhaupt nicht nachdenken. Wir wollen zusammen sein, das ist unser Projekt, und was man in unserer Musik hört, ist wie ein Foto von unserer gemeinsamen Reise. Das Album ist nur ein Nebenprodukt."

    Das mit der Reise ist wörtlich zu nehmen. Rodríguez-López und Sängerin Gender Bender sitzen im Hamburger Clouds Hill Studio, wo das Album aufgenommen wurde. Ein festes Zuhause haben die beiden gerade nicht, sie sind auf Tour, leben im Hotel oder bei Freunden, wie gerade bei Studio-Betreiber Johann Scheerer.

    "Seit es uns als Gruppe gibt, leben wir zusammen. Bevor wir auf Tour gegangen sind, haben wir sechs Wochen zusammen in einem Haus am Strand gewohnt. Die Leute haben uns gefragt, ob wir Urlaub machen, oder warum wir so lange zusammen sind, und wir haben gesagt: Das ist das Projekt. Es geht nicht darum, in einer Band zu sein und auf der Bühne zu stehen. Wir sind sehr froh, dass wir damit unser Geld verdienen können. Aber unser Projekt ist nicht die Band, sondern unser Austausch, unsere Debatten, und das, was wir voneinander lernen."

    Dabei sind Bosnian Rainbows nur Teil einer größeren Clique, zu der unter anderen die Managerin der Band, ein Soundmann und der Regisseur Adam Thompson gehören, mit dem man gemeinsam einen Film gedreht hat. Fast fühlt man sich an die Beatniks um Jack Kerouac und Allen Ginsberg erinnert.

    Das selbst betitelte Debüt der Band klingt auch in weiten Strecken eher wie das Ergebnis eines offenen kreativen Austauschs denn nach gezieltem Songwriting – expressiv und unvorhersehbar, auch wenn sich die Stücke doch immer wieder in Bahnen von Strophe und Refrain einfinden. Ein paar sehr eingängige, hymnische Popsongs sind allerdings auch dabei, wie "Turtle Neck" oder "Morning Sickness".

    All das wird getragen von Teri Gender Benders Gesang, der an Expressivität beim Liveauftritt noch von ihrer Körpersprache übertroffen wird.

    "Ich fühle mich auf der Bühne wie auf einem anderen Stern. Ja, das ist intensiv. Und es ist ein Privileg, dort mit den Menschen, die ich am meisten liebe, in Kontakt zu treten – vor lauter Fremden, die ich in dem Moment so sehr liebe wie meine Familie. Allerdings, wenn ich vorher schlecht gegessen habe, zu viel Brot und Zucker, richtet sich meine Energie auch gegen mich.""

    Und damit sind wir endlich bei den Debatten, die in der Band geführt werden. Ernährung scheint ihr wichtigstes Thema zu sein:

    "Aber wenn die Leute uns fragen, was den größten Einfluss auf unsere Musik hat, antworten wir so, wie wir die Frage verstehen. Die Antwort ist: Brokkoli. Das ist offensichtlich unser größter Einfluss. In den sechs Wochen am Meer haben wir vor allem Brokkoli gegessen. (...) der enthält so viel Eiweiß pro Kalorie wie ein Steak. Und Ernährung ist das Allerwichtigste! Unser ganzes Essen ist ja vergiftet, (...) Monsanto mit seinen genetisch veränderten Lebensmitteln erobert die Welt. (...) Wir müssen uns um ordentliches Essen kümmern, was die wichtigste Grundlage unserer Existenz ist. Wie heißt es: Man ist, was man isst. Das ist wie mit den Ideen, die man im Kopf hat: Entweder vergiften sie deinen Geist, oder sie machen dich zu einem besseren Menschen."

    Ein wenig klingt das natürlich nach Straight Edge, jener Bewegung der Punk-Szene, die die Reinhaltung des eigenen Körpers als politische Maßnahme fordert. Und ein wenig überspannt klingt das auch. Doch kurz nach diesem Gespräch war aus den Medien zu erfahren, dass Monsanto ein Patent auf Brokkoli bekommen hat.

    Für die Bosnian Rainbows wird die Nachricht eine Menge Diskussionsstoff bieten. Und ganz nebenbei arbeiten sie wahrscheinlich längst an einem weiteren Album ihrer Band, Verzeihung, an einem weiteren Nebenprodukt ihrer Künstlerfamilie.