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"Man kann Bonn gratulieren"

Die Stadt Bonn könnte bald ein neue Festspielhaus erhalten. Die in Bonn ansässigen Unternehmen Post, Postbank und Telekom haben sich grundsätzlich bereit erklärt, einen Teil der Finanzierung zu übernehmen. Matthias Sträßner, Kulturchef des Deutschlandfunk, begrüßt die Pläne.

Moderation: Stefan Koldehoff |
    Stefan Koldehoff: In Bonn sollte heute eigentlich eine Pressekonferenz stattfinden, um Großes zu verkünden: Telekom, Post und Postbank - die alle zusammen einmal die "Deutsche Bundespost" waren, wollen zusammen zwischen 60 und 80 Millionen Euro bereitstellen für den Bau eines "Beethoven-Festspielhauses" in Bonn. Dort, in der Geburtsstadt des großen Komponisten, findet seit 1959 alle zwei Jahre und seit 1998 dann jährlich ein Beethoven-Fest statt - bislang allerdings verstreut in einem halben Dutzend von Spielorten. Nun also soll bis 2010 ein eigenes Festspielhaus mit 1400 Plätzen als reiner Konzertsaal her, in dem man dann 2020 auch Beethovens 250. Geburtstag angemessen begehen kann.

    Die offizielle Bekanntgabe dieser Pläne wurde jetzt erst allerdings erst einmal verschoben - steuerliche Aspekte, so heißt es, seien noch zu klären. Wahrscheinlich spielt aber auch eine Rolle, dass die Telekom gerade in der Kritik steht, weil sie 50.000 Mitarbeiter in Gesellschaften ausgliedern und ihnen weniger Lohn als bisher bezahlen will.

    Matthias Sträßner, Kulturchef des Deutschlandfunk und selbst ehemals Leiter eines Musikfestivals: Man darf sich ja über Geld für die Kultur immer freuen. Trotzdem muss auch die Frage erlaubt sein: Bonn als Festspielstadt - ist das ein aussichtsreiches Vorhaben?

    Matthias Sträßner: Also ich weiß, dass ich vielleicht viel Kopfschütteln bewirken werde, aber ich halte das in der Tat für ein erfolgreiches oder erfolgversprechendes Festival. Wobei man natürlich aufpassen muss, dass sich Bonn nicht ein ganzes Jahr lang auf die Festspiele Beethoven konzentrieren sollte. Man muss bei Beethoven insgesamt wissen, dass das seit ein paar Jahren einen sehr guten Aufschwung genommen hat, dass es gut funktioniert, und man muss wissen, dass Bonn einen Standort hat, der immer noch Vorteile bietet gegenüber anderen Städten in Deutschland und vor allem auch im Ruhrgebiet oder in NRW. Und da halte ich diese Entscheidung, die nie passend kommuniziert werden konnte, weil immer einem es nicht passen konnte, es zu sagen, dass er gerne helfen möchte, kam es etwas überraschend. Und das sind auch die Gründe, die Sie genannt haben, eine der drei Gesellschaften - Telekom, Post, Postbank - hat gerade Auseinandersetzungen mit dem eigenen Haus, die nicht gerade mit diesem Thema übereinstimmen. Aber es ist eine richtige Entscheidung, und ich finde, man kann Bonn gratulieren.

    Koldehoff: Sie haben den Standort angesprochen, sehr zentral in Deutschland gelegen, hier gut vom Ruhrgebiet, auch aus anderen Ballungszentren zu erreichen, durch Flughafen sicherlich auch von Übersee. Wie steht es denn um die künstlerische Qualität? Kann das künstlerisch getragen werden, ein jährliches Festival mit entsprechendem Anspruch?

    Sträßner: Zunächst würde ich gerne was zu dem Thema Einzugsgebiet sagen, weil man hier, glaube ich, zu kurz springt. Es geht in Bonn oder auch in Köln und auch in Dortmund nicht um die Legionen, die aus anderen Städten in die jeweils andere Stadt kommen. Und in Bonn schon gar nicht. Richtig ist, dass Bonn 300.000 Einwohner hat, dass es ein großes Einzugsgebiet hat, der Rhein-Sieg-Kreis, und dass, wenn man so will, eigentlich erst bei Koblenz oder Frankfurt wieder die Wüste aufhört. Die Alte Oper in Frankfurt ist der nächste Konzertsaal größeren Ausmaßes, den man ernst nehmen müsste. Nach Norden ist es natürlich Köln, aber nach Süden ist es eine ganz andere Richtung. Aber auch das ist es noch nicht. Der entscheidende Punkt ist, dass Bonn mit dem Namen Beethovens eine "unique selling position" hat und haben kann, die man in Venezuela, Südafrika, Indien, Korea, Sibirien versteht. Man muss sich das einfach mal klarmachen. Hier hat man einen Namen und einen Komponisten, der ist derartig global und steht nicht für die reine Wirtschaftlichkeit, sondern er steht für etwas Ideelles. Das ist ein Marktfaktor, der in Bonn selbst unterschätzt wird und komischerweise häufig schlechtgeredet wird. Damit meine ich nicht, dass man jetzt landauf, landab ständig Beethoven-Sinfonien spielen soll, aber der dramaturgische Effekt, immer mit Beethoven arbeiten zu können und mit dieser Kraft arbeiten zu können, ist unüberschätzbar. Und von daher finde ich die Entscheidung sehr klug.

    Koldehoff: Was spricht denn dagegen - das Beethoven-Fest schreibt selbst in seinen Presseinformationen, Charakteristikum des Festivals sei die Vielfalt der Spielstätten bislang -, was spricht dagegen, das beizubehalten: Beethoven-Halle plus X? Warum muss es einen neuen Musiksaal dafür geben?

    Sträßner: Nun ja, auch in der Vergangenheit war das Beethoven-Fest mit seinen Außenstellen eben ein Nukleus mit Peripherie. Und wenn Sie große Konzerte machen wollen, vor allem sinfonische Konzerte machen wollen, kommen Sie um einen großen Konzertsaal nicht herum. Und da war ausgerechnet der Nukleus Bonns - das ist die Beethoven-Halle - war, wie ich finde, nicht maximal, um es sehr ...

    Koldehoff: Von der Akustik, von der Größe ...

    Sträßner: Von der Akustik und von der Größe und von der Saalaura her. Dieser Saal nimmt Sie nicht auf, er stößt Sie eher ab. Ich war nie gerne oder bin nicht gerne in der Beethoven-Halle. Und wenn ich hinging, dann deswegen, weil das Konzert mich so überzeugt hat, dass ich eben hingehen musste. Aber es war nie der Effekt, den man in anderen großen Konzertsälen haben kann - in Köln, auch jetzt in Essen oder in Berlin -, wo man gerne hineingeht, weil der Saal einen aufnimmt und einen begrüßt sozusagen. Das ist in Bonn überhaupt nicht der Fall. Und wenn Bonn nicht sozusagen aus dem Rennen sein will, muss es neu bauen.

    Koldehoff: Bin ich eigentlich naiv, wenn ich annehme, zwei Monate wird gespielt während eines Beethoven-Fests und danach, den Rest des Jahres steht das Gebäude dann leer? Funktioniert so was noch?

    Sträßner: Da ist die eine Hälfte naiv, die andere nicht. Die eine Hälfte heißt: Beethoven-Fest heißt, 40 bis 45 Veranstaltungen. Und wer ein solches Haus bespielen will, hat 300 Tage im Jahr zu bespielen, und da kann man sich ja leicht vorstellen, davon müssen mindestens, mindestens die Hälfte, wenn nicht zwei Drittel wirklich bespielt werden. Aber rechnen Sie zu diesen 40 bis 45 Festspielkonzerten noch die Orchesterkonzerte dazu, des Bonner Orchesters, die in der Regel ihre eigene Klientel haben und einfach übertragen können, rechnen Sie damit, was freie Veranstalter dort machen wollen, dann traue ich diesem Saal locker diese 150 bis 180 Konzerte im Jahr oder Veranstaltungen im Jahr zu, leichter als sicherlich anderen Veranstaltungen oder Veranstaltern in NRW, die vielleicht irgendwann mal unter der Klassikkrise leiden müssen.

    Koldehoff: Nachdem dann ja offenbar aus der Sicht des Konzertprofis alles für dieses Vorhaben spricht, was könnte denn noch dagegen sprechen? Glauben Sie, dass die drei Partner, die sich da bereit erklären wollen, tatsächlich einigen werden?

    Sträßner: Also ich glaube, dass die Partner stabil sind und es wirklich in der Tat eine interne Irritation gab, wobei natürlich eines der drei Unternehmen gerade Probleme hat in der Kommunikation zu diesem Thema. Ich glaube auch, dass die Stadt Bonn, die wahrscheinlich gerade während dieser Sendung über dieses Thema jetzt konferieren muss und eigentlich später konferieren wollte, jetzt gut daran täte, den Ball aufzufangen, den man da zugeworfen bekommen hat und trotzdem ja zu sagen und nicht jetzt selber noch zaudern zu lassen. Der wichtigste Punkt ist für mich, ob das Land NRW sich in der Lage sieht, diesem Festival und diesem Haus - und ich trenne jetzt mal Haus und Festival - wirklich durch eine bestimmte Förderung einen Charakter zu geben, der ganz, ganz klar über das Kommunale hinausgeht. Also wenn man dieses Haus nur als Bonner Haus führen möchte, dann ist es verloren. Wenn man ihm eine Chance geben möchte, es über Bonn hinaus wirklich mit großer Kultur zu füllen - und damit meine ich jetzt nicht pompöse Kultur oder Glanzkultur, sondern wirklich dramaturgisch raffiniert, gescheit, global interessierend, innovativ -, und wenn NRW da mitmachen könnte, dann hat dieses Haus eine ganz, ganz große Chance.