Jürgen Zurheide: Die Mafiamorde von Duisburg, als sechs Menschen brutal in der Nacht getötet worden sind, haben die bundesdeutsche Öffentlichkeit aufgeschreckt. Damals haben viele gesagt, so etwas in Deutschland, das war neu, denn die Mafia hierzulande ist zwar bekannt, aber der Mafiaraum Deutschland galt eher als Rückzugsraum, das heißt als Raum, in dem keine aktiven Straftaten gemacht wurden, zumindest keine Tötungsdelikte.
Gestern oder vorgestern in der Nacht wurde einer der mutmaßlichen Haupttäter festgenommen in Amsterdam. Das ist natürlich ein Erfolg für die Polizei, aber er verstellt den Blick möglicherweise darauf, was dahinter an Strukturen noch bearbeitet werden muss. Über all das wollen wir reden. Dazu begrüße ich Konrad Freiberg, den Bundesvorsitzenden der Gewerkschaft der Polizei. Guten Morgen, Herr Freiberg!
Konrad Freiberg: Schönen guten Morgen, Herr Zurheide!
Zurheide: Zunächst einmal, das ist ein Erfolg, darüber kann man sich freuen aus Ihrer Sicht, oder was überwiegt die Sorge, dass möglicherweise nicht genug getan wird? Zunächst mal beginnen wir mit dem Fall Duisburg, wie bewerten Sie das?
Freiberg: Der Fall Duisburg ist natürlich ein Fall gewesen, der uns alle erschrocken gemacht hat, alle aufmerksam gemacht hat. Ich sage aber gleichzeitig, die organisierte Kriminalität, die Mafia, und in diesem Fall die N’drangheta, ist in Deutschland immer schon aktiv gewesen und wird vermehrt in Deutschland aktiv. Es fällt uns nur auf nach dem Motto, wenn mehrere Tote auf der Straße liegen, ansonsten ist dieses Thema weniger im Blickpunkt der Öffentlichkeit. Und was man dann auch sagen muss: Man kann diese Kriminalität tatsächlich nur bekämpfen mit einem hohen Personaleinsatz, sehr zeitaufwendig und durch internationale Zusammenarbeit. Und in diesem Fall freut man sich natürlich über dieses Ergebnis erst mal.
Zurheide: Wie kommen gleich noch auf die Strukturen und was man hierzulande tun muss. Ich möchte im Moment bei dem Fall bleiben. Man hat jetzt ein Ermittlungsergebnis und den lang gesuchten möglichen zweiten Täter gefasst, dennoch, es hat auch in diesem Fall etliche Lücken gegeben. Zum Beispiel hierzulande war der Informationsfluss von Informationen aus Italien über das Bundeskriminalamt, Landeskriminalamt an die Polizei Duisburg nicht immer so, wie Sie sich das vorstellen. Wie haben Sie das wahrgenommen?
Freiberg: Das ist natürlich immer eine Schwierigkeit bei dieser Zusammenarbeit, weil erstens haben alle Polizeien international unterschiedliche rechtliche Grundlagen. Dann ist natürlich so etwas immer geeignet, dass man Informationen geheim halten muss. Manchmal sind es ja auch nicht absolut gesicherte Informationen. Und von dort her macht sich eine Zusammenarbeit immer schwierig. In manchen Ländern ist die Kommunikationsüberwachung, das Abhören, leichter. In anderen Ländern gibt es dieses in gewissen Fällen nicht. Und von dorther ist die Verwendung auch von Informationen schwierig. Und in diesem Fall, glaube ich, war eine unterschiedliche Einschätzung vorhanden auch im Vertrauen miteinander.
Zurheide: Es gibt zum Beispiel auch Hinweise darauf, dass die Italiener, wenn man dann bestimmte Dinge herausfinden will, nicht so zeitnah antworten, wie man sich das hierzulande vorstellt. Ist das nur in diesem Fall so oder beobachtet man so was häufiger?
Freiberg: Also das ist leider häufiger zu beobachten. Häufig, wenn die Kollegen sich untereinander kennen, dann funktioniert das, aber wenn das alles über Ministerien immer wieder laufen muss, über mehrere Stellen, dann dauert so etwas sehr, sehr lange. Das darf es eigentlich nicht. Und deswegen muss man auch immer deutlich sagen, wenn wir ein Europa haben wollen, dann darf es nicht nur ein Europa der Wirtschaft sein, sondern muss auch ein Europa der Sicherheit sein. Und das bedeutet, dass wir enger zusammenarbeiten, dass das reibungsloser geht und dass nicht so viel Zeit verloren geht.
Zurheide: Was muss auf dieser internationalen Ebene verbessert werden aus Ihrer Sicht?
Freiberg: Es muss erstens das Europol eine stärkere Zuständigkeit bekommen, auch im Hinblick auf europäische Sonderkommissionen. Die finden dort nur in Ausnahmefällen statt, weil man sich gegenseitig nicht traut mit Informationen, das muss man auch deutlich sagen, und weil dieses auch dann juristisch sehr schwierig ist, wie gesagt, weil es in allen Ländern unterschiedliche Rechtsgrundlagen gibt. Das wäre entscheidend.
Und dann muss man natürlich sagen, es darf nicht alles über verschiedene Ministerien, über Innen- und Außenministerien laufen, über alle beide Staaten, ehe man dann etwas bekommt. Und dann kommt natürlich hinzu, dass man natürlich auch Vertrauen haben muss, soweit es geht, weil in manchen Ländern hat die Mafia ja auch sozusagen irgendwelche Lücken gerissen, sodass Informationen raus geraten. Das ist natürlich auch eine Schwierigkeit bei dieser Zusammenarbeit.
Zurheide: Kommen wir auf die Fahndung hierzulande. Da sagen ja viele, ich glaube, Sie gehören auch dazu, dass wir die Augen vielleicht zu lange davor verschlossen haben, dass die Mafia hier weit aktiver ist, als man das so auf den ersten Blick sieht. Denn Sie haben es angesprochen, wenn solche Mordtaten passieren, schaut man intensiv dahin, es erschreckt. Aber dahinter steckt ja eine Struktur, die sich so darstellt: Pizzerien zum Beispiel dienen als Drogenumschlagsplatz auf der einen Seite und als Geldwäscheinstitut auf der anderen Seite. Ist das eine journalistische Übertreibung oder ist das wirklich inzwischen so?
Freiberg: Das ist die Wirklichkeit. Wir stellen ja fest, wie organisierte Kriminalität, wie die ersten Ansätze in der Öffentlichkeit diskutiert wurden, die ersten Gesetze vor 20 Jahren. Oder unter Otto Schily, da wurden noch Pressekonferenzen jedes Jahr gemacht über den Lagebericht "organisierte Kriminalität", ein großer Aufwand. Heute erscheint nicht mal mehr sozusagen eine Zusammenfassung der jährlichen Lageberichte in der Öffentlichkeit.
Das Thema ist völlig weggerutscht. Und deswegen muss man gemeinsam überlegen, wie kann es einem gelingen, dieses Bewusstsein in die Öffentlichkeit zu bringen, denn die Gefahr ist groß, das muss man deutlich sagen. Und in diesem Fall muss man sagen, die organisierte Kriminalität versucht natürlich, nicht in den Blickpunkt der Öffentlichkeit zu gelangen. Sie versuchen, ihre Geschäfte zu machen und erhebliche Geschäfte in Milliardensummen und nehmen Einfluss im Wirtschaftsleben und versuchen natürlich, unauffällig tätig zu sein.
Zurheide: Wie muss denn ermittelt werden oder was muss in den Ermittlungen hierzulande verbessert werden zum Beispiel in der Zusammenarbeit zwischen Bundeskriminalamt, Landeskriminalamt, Polizeibehörden, aber auch Steuerbehörden auf der anderen Seite, denn die gehören ja unbedingt dazu?
Freiberg: Das ist das Entscheidende. Man kann nicht nur sozusagen eine Bekämpfung polizeilicherseits machen, wir brauchen Erkenntnisse aller Behörden. Das fängt an mit Steuerfahndungen, das geht über Ausländerbehörden. Alles das muss zusammengeführt werden bei derartigen Ermittlungen, damit wir erfolgreich sein können. Ich glaube, die Zusammenarbeit BKA und LKA ist weitestgehend in Ordnung. Natürlich kann alles noch verbessert werden. Aber man muss sehen, wie kann man den Zoll einbinden, wie kann man der ihre Möglichkeiten, alles das hat noch Defizite bei uns und muss verbessert werden.
Zurheide: Wen sehen Sie in der Pflicht, das zu verändern?
Freiberg: Die Pflicht liegt natürlich in der Bundesregierung und in den Landesregierungen. Aber ich sage deutlich, das kommt nur zustande, wenn der öffentliche Druck da ist. Ansonsten wird nichts passieren. Ich darf nur daran erinnern, seit Jahren fordern wir eine Kronzeugenregelung. Die Koalition hat sich das auf die Fahnen geschrieben, wollte eine Kronzeugenregelung, die Große Koalition.
Bis jetzt haben wir sie immer noch nicht, weil die sich immer weiter streiten. Daran wird deutlich, es gibt keinen öffentlichen Druck, zu Veränderungen zu kommen. Oder wenn wir betrachten Observationskräfte bei uns: Organisierte Kriminalität kann man nur mit verdeckten Maßnahmen bekämpfen.
Uns fehlen die Observationskräfte bei Teilen, weil die natürlich auch im Bereich des Terrorismus jetzt tätig sind. Und das heißt also, wenn wir dort nicht Personal hinstecken – und es dort immer weniger Personal tätig –, dann wird sich nichts daran ändern. Wir werden dann immer wieder aufwachen, wenn schreckliche Taten passieren. Und ich glaube, so lange sollte man nicht mehr warten.
Zurheide: Jetzt gibt es häufig Diskussionen um Lauschangriffe als politische Diskussion. Ich glaube, Sie sind da manchmal ganz anderer Meinung und sagen, uns fehlt schlicht das Personal, solche Dinge durchzusetzen. Ist das richtig, dass manchmal Ermittlungen behindert werden, weil Sie da das Personal nicht haben?
Freiberg: Das ist richtig. Man muss sehen, der Schlüssel zum Erfolg bei der Bekämpfung der organisierten Kriminalität ist die Kommunikationsüberwachung. Das heißt, wir haben ja kaum Beweismittel, die nennenswert sind, sondern wir brauchen ja, wenn wir die Hinterleute kriegen wollen, müssen wir ja Aussagen bekommen, dass sie sozusagen Anweisungen gegeben haben, zum Beispiel jemanden zu töten.
Und das kann man nur bekommen durch eine Zeugenaussage, zum Beispiel über eine Kronzeugenregelung, denn keiner wird freiwillig aussagen. Und dann kann man nur sozusagen durch Kommunikationsüberwachung – sei es Telefon oder auch meinetwegen in Ausnahmefällen mit einem Lauschangriff in einer Wohnung – kann man Beweise schaffen. Aber wenn uns dieses erschwert wird oder uns auch die Technik oder das Personal dafür fehlt, weil alles dieses sehr, sehr aufwendig ist, dann können wir auch die Beweise nicht herbeischaffen. Und dann werden wir weiter warten auf den nächsten Fall und dann werden wir uns wieder alle anschauen und werden empört sein oder entsetzt sein, aber nichts hat sich geändert.
Zurheide: Dankeschön! Das war Konrad Freiberg, der Bundesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei im Gespräch im Deutschlandfunk um 7 Uhr 26. Danke schön, Herr Freiberg, auf Wiederhören!
Freiberg: Ich bedanke mich auch, schönen Dank!
Gestern oder vorgestern in der Nacht wurde einer der mutmaßlichen Haupttäter festgenommen in Amsterdam. Das ist natürlich ein Erfolg für die Polizei, aber er verstellt den Blick möglicherweise darauf, was dahinter an Strukturen noch bearbeitet werden muss. Über all das wollen wir reden. Dazu begrüße ich Konrad Freiberg, den Bundesvorsitzenden der Gewerkschaft der Polizei. Guten Morgen, Herr Freiberg!
Konrad Freiberg: Schönen guten Morgen, Herr Zurheide!
Zurheide: Zunächst einmal, das ist ein Erfolg, darüber kann man sich freuen aus Ihrer Sicht, oder was überwiegt die Sorge, dass möglicherweise nicht genug getan wird? Zunächst mal beginnen wir mit dem Fall Duisburg, wie bewerten Sie das?
Freiberg: Der Fall Duisburg ist natürlich ein Fall gewesen, der uns alle erschrocken gemacht hat, alle aufmerksam gemacht hat. Ich sage aber gleichzeitig, die organisierte Kriminalität, die Mafia, und in diesem Fall die N’drangheta, ist in Deutschland immer schon aktiv gewesen und wird vermehrt in Deutschland aktiv. Es fällt uns nur auf nach dem Motto, wenn mehrere Tote auf der Straße liegen, ansonsten ist dieses Thema weniger im Blickpunkt der Öffentlichkeit. Und was man dann auch sagen muss: Man kann diese Kriminalität tatsächlich nur bekämpfen mit einem hohen Personaleinsatz, sehr zeitaufwendig und durch internationale Zusammenarbeit. Und in diesem Fall freut man sich natürlich über dieses Ergebnis erst mal.
Zurheide: Wie kommen gleich noch auf die Strukturen und was man hierzulande tun muss. Ich möchte im Moment bei dem Fall bleiben. Man hat jetzt ein Ermittlungsergebnis und den lang gesuchten möglichen zweiten Täter gefasst, dennoch, es hat auch in diesem Fall etliche Lücken gegeben. Zum Beispiel hierzulande war der Informationsfluss von Informationen aus Italien über das Bundeskriminalamt, Landeskriminalamt an die Polizei Duisburg nicht immer so, wie Sie sich das vorstellen. Wie haben Sie das wahrgenommen?
Freiberg: Das ist natürlich immer eine Schwierigkeit bei dieser Zusammenarbeit, weil erstens haben alle Polizeien international unterschiedliche rechtliche Grundlagen. Dann ist natürlich so etwas immer geeignet, dass man Informationen geheim halten muss. Manchmal sind es ja auch nicht absolut gesicherte Informationen. Und von dort her macht sich eine Zusammenarbeit immer schwierig. In manchen Ländern ist die Kommunikationsüberwachung, das Abhören, leichter. In anderen Ländern gibt es dieses in gewissen Fällen nicht. Und von dorther ist die Verwendung auch von Informationen schwierig. Und in diesem Fall, glaube ich, war eine unterschiedliche Einschätzung vorhanden auch im Vertrauen miteinander.
Zurheide: Es gibt zum Beispiel auch Hinweise darauf, dass die Italiener, wenn man dann bestimmte Dinge herausfinden will, nicht so zeitnah antworten, wie man sich das hierzulande vorstellt. Ist das nur in diesem Fall so oder beobachtet man so was häufiger?
Freiberg: Also das ist leider häufiger zu beobachten. Häufig, wenn die Kollegen sich untereinander kennen, dann funktioniert das, aber wenn das alles über Ministerien immer wieder laufen muss, über mehrere Stellen, dann dauert so etwas sehr, sehr lange. Das darf es eigentlich nicht. Und deswegen muss man auch immer deutlich sagen, wenn wir ein Europa haben wollen, dann darf es nicht nur ein Europa der Wirtschaft sein, sondern muss auch ein Europa der Sicherheit sein. Und das bedeutet, dass wir enger zusammenarbeiten, dass das reibungsloser geht und dass nicht so viel Zeit verloren geht.
Zurheide: Was muss auf dieser internationalen Ebene verbessert werden aus Ihrer Sicht?
Freiberg: Es muss erstens das Europol eine stärkere Zuständigkeit bekommen, auch im Hinblick auf europäische Sonderkommissionen. Die finden dort nur in Ausnahmefällen statt, weil man sich gegenseitig nicht traut mit Informationen, das muss man auch deutlich sagen, und weil dieses auch dann juristisch sehr schwierig ist, wie gesagt, weil es in allen Ländern unterschiedliche Rechtsgrundlagen gibt. Das wäre entscheidend.
Und dann muss man natürlich sagen, es darf nicht alles über verschiedene Ministerien, über Innen- und Außenministerien laufen, über alle beide Staaten, ehe man dann etwas bekommt. Und dann kommt natürlich hinzu, dass man natürlich auch Vertrauen haben muss, soweit es geht, weil in manchen Ländern hat die Mafia ja auch sozusagen irgendwelche Lücken gerissen, sodass Informationen raus geraten. Das ist natürlich auch eine Schwierigkeit bei dieser Zusammenarbeit.
Zurheide: Kommen wir auf die Fahndung hierzulande. Da sagen ja viele, ich glaube, Sie gehören auch dazu, dass wir die Augen vielleicht zu lange davor verschlossen haben, dass die Mafia hier weit aktiver ist, als man das so auf den ersten Blick sieht. Denn Sie haben es angesprochen, wenn solche Mordtaten passieren, schaut man intensiv dahin, es erschreckt. Aber dahinter steckt ja eine Struktur, die sich so darstellt: Pizzerien zum Beispiel dienen als Drogenumschlagsplatz auf der einen Seite und als Geldwäscheinstitut auf der anderen Seite. Ist das eine journalistische Übertreibung oder ist das wirklich inzwischen so?
Freiberg: Das ist die Wirklichkeit. Wir stellen ja fest, wie organisierte Kriminalität, wie die ersten Ansätze in der Öffentlichkeit diskutiert wurden, die ersten Gesetze vor 20 Jahren. Oder unter Otto Schily, da wurden noch Pressekonferenzen jedes Jahr gemacht über den Lagebericht "organisierte Kriminalität", ein großer Aufwand. Heute erscheint nicht mal mehr sozusagen eine Zusammenfassung der jährlichen Lageberichte in der Öffentlichkeit.
Das Thema ist völlig weggerutscht. Und deswegen muss man gemeinsam überlegen, wie kann es einem gelingen, dieses Bewusstsein in die Öffentlichkeit zu bringen, denn die Gefahr ist groß, das muss man deutlich sagen. Und in diesem Fall muss man sagen, die organisierte Kriminalität versucht natürlich, nicht in den Blickpunkt der Öffentlichkeit zu gelangen. Sie versuchen, ihre Geschäfte zu machen und erhebliche Geschäfte in Milliardensummen und nehmen Einfluss im Wirtschaftsleben und versuchen natürlich, unauffällig tätig zu sein.
Zurheide: Wie muss denn ermittelt werden oder was muss in den Ermittlungen hierzulande verbessert werden zum Beispiel in der Zusammenarbeit zwischen Bundeskriminalamt, Landeskriminalamt, Polizeibehörden, aber auch Steuerbehörden auf der anderen Seite, denn die gehören ja unbedingt dazu?
Freiberg: Das ist das Entscheidende. Man kann nicht nur sozusagen eine Bekämpfung polizeilicherseits machen, wir brauchen Erkenntnisse aller Behörden. Das fängt an mit Steuerfahndungen, das geht über Ausländerbehörden. Alles das muss zusammengeführt werden bei derartigen Ermittlungen, damit wir erfolgreich sein können. Ich glaube, die Zusammenarbeit BKA und LKA ist weitestgehend in Ordnung. Natürlich kann alles noch verbessert werden. Aber man muss sehen, wie kann man den Zoll einbinden, wie kann man der ihre Möglichkeiten, alles das hat noch Defizite bei uns und muss verbessert werden.
Zurheide: Wen sehen Sie in der Pflicht, das zu verändern?
Freiberg: Die Pflicht liegt natürlich in der Bundesregierung und in den Landesregierungen. Aber ich sage deutlich, das kommt nur zustande, wenn der öffentliche Druck da ist. Ansonsten wird nichts passieren. Ich darf nur daran erinnern, seit Jahren fordern wir eine Kronzeugenregelung. Die Koalition hat sich das auf die Fahnen geschrieben, wollte eine Kronzeugenregelung, die Große Koalition.
Bis jetzt haben wir sie immer noch nicht, weil die sich immer weiter streiten. Daran wird deutlich, es gibt keinen öffentlichen Druck, zu Veränderungen zu kommen. Oder wenn wir betrachten Observationskräfte bei uns: Organisierte Kriminalität kann man nur mit verdeckten Maßnahmen bekämpfen.
Uns fehlen die Observationskräfte bei Teilen, weil die natürlich auch im Bereich des Terrorismus jetzt tätig sind. Und das heißt also, wenn wir dort nicht Personal hinstecken – und es dort immer weniger Personal tätig –, dann wird sich nichts daran ändern. Wir werden dann immer wieder aufwachen, wenn schreckliche Taten passieren. Und ich glaube, so lange sollte man nicht mehr warten.
Zurheide: Jetzt gibt es häufig Diskussionen um Lauschangriffe als politische Diskussion. Ich glaube, Sie sind da manchmal ganz anderer Meinung und sagen, uns fehlt schlicht das Personal, solche Dinge durchzusetzen. Ist das richtig, dass manchmal Ermittlungen behindert werden, weil Sie da das Personal nicht haben?
Freiberg: Das ist richtig. Man muss sehen, der Schlüssel zum Erfolg bei der Bekämpfung der organisierten Kriminalität ist die Kommunikationsüberwachung. Das heißt, wir haben ja kaum Beweismittel, die nennenswert sind, sondern wir brauchen ja, wenn wir die Hinterleute kriegen wollen, müssen wir ja Aussagen bekommen, dass sie sozusagen Anweisungen gegeben haben, zum Beispiel jemanden zu töten.
Und das kann man nur bekommen durch eine Zeugenaussage, zum Beispiel über eine Kronzeugenregelung, denn keiner wird freiwillig aussagen. Und dann kann man nur sozusagen durch Kommunikationsüberwachung – sei es Telefon oder auch meinetwegen in Ausnahmefällen mit einem Lauschangriff in einer Wohnung – kann man Beweise schaffen. Aber wenn uns dieses erschwert wird oder uns auch die Technik oder das Personal dafür fehlt, weil alles dieses sehr, sehr aufwendig ist, dann können wir auch die Beweise nicht herbeischaffen. Und dann werden wir weiter warten auf den nächsten Fall und dann werden wir uns wieder alle anschauen und werden empört sein oder entsetzt sein, aber nichts hat sich geändert.
Zurheide: Dankeschön! Das war Konrad Freiberg, der Bundesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei im Gespräch im Deutschlandfunk um 7 Uhr 26. Danke schön, Herr Freiberg, auf Wiederhören!
Freiberg: Ich bedanke mich auch, schönen Dank!