Kate Maleike: Rettungskonzept gefordert, Insolvenz rückt näher, strenge Regeln in Not, Reduzierung, Mahnwachen. Das sind nur einige Wörter und Formulierungen, die auch wieder unsere Nachrichten prägen, und zwar nicht nur im Wirtschaftsteil. Der Druck am Arbeitsplatz, die sich enorm verändernden Arbeitsanforderungen und Belastungen steigen für jeden Einzelnen, und das nicht erst seit gestern. Öfter schon gab es deshalb auch besorgniserregende Berichte über die Zunahme von psychischen Erkrankungen oder auch den verstärkten Griff zu Dopingmitteln im Job. Für Dr. Detlef Glomm, den Vizepräsidenten des Verbandes deutscher Betriebs- und Werksärzte, ist das nichts Neues. Er beobachtet dies seit Jahren, und sein Verband fordert nun aber noch mal zusammen mit der IG Metall in der Krise dringend Gegenmaßnahmen, um dem Kollaps am Schreibtisch entgegenzuwirken. Schönen guten Tag, Herr Glomm!
Detlef Glomm: Ja, schönen guten Tag!
Maleike: Was macht denn an deutschen Arbeitsplätzen so krank, was sind, auf den Punkt gebracht, die Hauptfaktoren?
Glomm: Ich denke, das ist der Wandel in den Lebenswelten insgesamt. Wir haben ja einen derartig rasch fortschreitenden Wandel, was die Arbeitsorganisation, die Arbeitsgestaltung, die Aufgaben und die Globalisierung anbelangt, auf der einen Seite und auf der anderen Seite aber auch in den privaten Lebenswelten mit Auflösung traditioneller sozialer Bindungen und Strukturen, sodass auch da kein Rückhalt mehr besteht. Und ich denke, in dieser Kombination führt das zu einer zunehmenden Überbeanspruchung vieler Menschen.
Maleike: Und was heißt das dann für den Arbeitsplatz, welche Symptome behandeln Sie dann als Werksarzt?
Glomm: Also ich denke, dass zunehmend Menschen zu uns kommen mit psychischen Störungen. Im Vordergrund stehen da depressive Störungen, aber auch Angststörungen, also regelrechte Panikattacken zum Teil, vor bestimmten Situationen auch im Arbeitsbereich, aber auch Burn-out-Fälle, Belastungsstörungen und zunehmende Fälle auch von Suchtmittelmissbrauch. Das ist also die ganze Palette. Und wenn ich mal zurückdenke, zehn Jahre oder so, dann hat sich die Zahl der Fälle in den letzten zehn Jahren sicherlich mindestens verdreifacht.
Maleike: Kann man sagen, dass jetzt in der Krise das auch noch zunimmt? Merken Sie noch einen Anstieg?
Glomm: Auf der einen Seite sind die Menschen sicherlich stärker belastet, weil die Angst vor Verlust des Arbeitsplatzes oder auch der Druck am Arbeitsplatz durch Verdichtung der Arbeit größer wird. Auf der anderen Seite fürchten aber viele Menschen auch, sich zu offenbaren oder auch zu signalisieren, dass sie ein Problem haben, weil sie um ihre berufliche Existenz und ihre Karriere fürchten. Das heißt also, sie versuchen den harten Kern nach außen weiter darzustellen, und weil sie die Offenbarung einer psychischen Störung oder einer Überlastungsstörung als Schwäche empfinden würden, die für sie auf Dauer vielleicht von Nachteil ist.
Maleike: Das ist ja auch ein Ziel jetzt Ihrer Forderung, dass das Thema sozusagen auch enttabuisiert wird. Was sind Ihre konkreten Forderungen, um diesen ja doch besorgniserregenden Entwicklungen zu begegnen?
Glomm: Also ich denke, dass jeder Betrieb zunächst einmal seine konkrete Situation analysieren muss. Wir haben ja seit Jahren die Verpflichtung der Unternehmer, eine Gefährdungsbeurteilung aller betrieblichen Gefährdungen im Arbeitsbereich und am Arbeitsplatz durchzuführen. Dazu gehören natürlich genauso auch die psychischen Belastungen. Aber dieses Thema ist ganz überwiegend in den meisten Betrieben bisher ausgeklammert worden. Das heißt also, um überhaupt zu erkennen, wo haben wir denn jetzt Defizite und wo haben wir möglicherweise Ressourcen, muss man zunächst mal eine genaue Analyse und Beurteilung dieser Situation machen, damit man überhaupt Handlungskonzepte entwickeln kann.
Maleike: Das heißt, Sie müssen erst mal Überzeugungsarbeit noch beim Arbeitgeber leisten. Wie groß ist denn die Bereitschaft?
Glomm: Na ja, das ist natürlich so, dass viele dieser Probleme auch hausgemacht sind. Für die Personalorganisation, für die Organisationsstrukturen im Betrieb ist nun mal das Management verantwortlich und zuständig, und wenn dort kritische Situationen auftreten, empfinden das sicherlich viele Manager zunächst auch mal als Angriff gegen ihren Führungsstil oder gegen ihre Qualifikation als Manager. Und deswegen ist das Thema eigentlich nicht übermäßig leicht in den Betrieben umzusetzen.
Maleike: Was kann denn jeder Einzelne tun, um sagen wir mal präventiv im Arbeitsalltag aktiv zu werden? Gibt es Tipps gegen Stress?
Glomm: Der erste Punkt ist, dass man auch mal konsequent Nein sagen muss und seinen Rücken gerade machen muss, wenn es zu Überlastungssituationen kommt. Das heißt also, man darf sich nicht davor scheuen zu sagen, so, das schaffe ich jetzt nicht mehr. Das muss man sicherlich auch mit seinem Vorgesetzten kommunizieren. Der zweite Tipp wäre sicherlich auch, seine eigenen Ressourcen zu stärken, das heißt also seine Fähigkeiten, mit Stress umzugehen. Das fängt mit dem Freizeitverhalten an. Viele Menschen setzen sich ja auch selber noch in der Freizeit unter Stress, indem sie da auch noch leistungsorientiert irgendwelche Dinge machen, anstatt zu versuchen, jetzt mal auch wirklich zu entlasten. Und ein dritter wesentlicher Punkt ist sicherlich auch, mal zu versuchen, sauber zwischen Arbeit und Freizeit zu trennen und nicht rund um die Uhr für alles erreichbar zu sein und, na ja, Aufgaben mit nach Hause zu nehmen und dort weiter abzuarbeiten und so weiter. Das sind sicherlich drei Punkte, die man so beachten kann, was aber nicht immer leicht ist.
Maleike: Der Arbeitsmediziner Dr. Detlef Glomm war das zu den Forderungen seines Verbandes VDBW, mehr für Gesundheit am Arbeitsplatz zu tun.
Detlef Glomm: Ja, schönen guten Tag!
Maleike: Was macht denn an deutschen Arbeitsplätzen so krank, was sind, auf den Punkt gebracht, die Hauptfaktoren?
Glomm: Ich denke, das ist der Wandel in den Lebenswelten insgesamt. Wir haben ja einen derartig rasch fortschreitenden Wandel, was die Arbeitsorganisation, die Arbeitsgestaltung, die Aufgaben und die Globalisierung anbelangt, auf der einen Seite und auf der anderen Seite aber auch in den privaten Lebenswelten mit Auflösung traditioneller sozialer Bindungen und Strukturen, sodass auch da kein Rückhalt mehr besteht. Und ich denke, in dieser Kombination führt das zu einer zunehmenden Überbeanspruchung vieler Menschen.
Maleike: Und was heißt das dann für den Arbeitsplatz, welche Symptome behandeln Sie dann als Werksarzt?
Glomm: Also ich denke, dass zunehmend Menschen zu uns kommen mit psychischen Störungen. Im Vordergrund stehen da depressive Störungen, aber auch Angststörungen, also regelrechte Panikattacken zum Teil, vor bestimmten Situationen auch im Arbeitsbereich, aber auch Burn-out-Fälle, Belastungsstörungen und zunehmende Fälle auch von Suchtmittelmissbrauch. Das ist also die ganze Palette. Und wenn ich mal zurückdenke, zehn Jahre oder so, dann hat sich die Zahl der Fälle in den letzten zehn Jahren sicherlich mindestens verdreifacht.
Maleike: Kann man sagen, dass jetzt in der Krise das auch noch zunimmt? Merken Sie noch einen Anstieg?
Glomm: Auf der einen Seite sind die Menschen sicherlich stärker belastet, weil die Angst vor Verlust des Arbeitsplatzes oder auch der Druck am Arbeitsplatz durch Verdichtung der Arbeit größer wird. Auf der anderen Seite fürchten aber viele Menschen auch, sich zu offenbaren oder auch zu signalisieren, dass sie ein Problem haben, weil sie um ihre berufliche Existenz und ihre Karriere fürchten. Das heißt also, sie versuchen den harten Kern nach außen weiter darzustellen, und weil sie die Offenbarung einer psychischen Störung oder einer Überlastungsstörung als Schwäche empfinden würden, die für sie auf Dauer vielleicht von Nachteil ist.
Maleike: Das ist ja auch ein Ziel jetzt Ihrer Forderung, dass das Thema sozusagen auch enttabuisiert wird. Was sind Ihre konkreten Forderungen, um diesen ja doch besorgniserregenden Entwicklungen zu begegnen?
Glomm: Also ich denke, dass jeder Betrieb zunächst einmal seine konkrete Situation analysieren muss. Wir haben ja seit Jahren die Verpflichtung der Unternehmer, eine Gefährdungsbeurteilung aller betrieblichen Gefährdungen im Arbeitsbereich und am Arbeitsplatz durchzuführen. Dazu gehören natürlich genauso auch die psychischen Belastungen. Aber dieses Thema ist ganz überwiegend in den meisten Betrieben bisher ausgeklammert worden. Das heißt also, um überhaupt zu erkennen, wo haben wir denn jetzt Defizite und wo haben wir möglicherweise Ressourcen, muss man zunächst mal eine genaue Analyse und Beurteilung dieser Situation machen, damit man überhaupt Handlungskonzepte entwickeln kann.
Maleike: Das heißt, Sie müssen erst mal Überzeugungsarbeit noch beim Arbeitgeber leisten. Wie groß ist denn die Bereitschaft?
Glomm: Na ja, das ist natürlich so, dass viele dieser Probleme auch hausgemacht sind. Für die Personalorganisation, für die Organisationsstrukturen im Betrieb ist nun mal das Management verantwortlich und zuständig, und wenn dort kritische Situationen auftreten, empfinden das sicherlich viele Manager zunächst auch mal als Angriff gegen ihren Führungsstil oder gegen ihre Qualifikation als Manager. Und deswegen ist das Thema eigentlich nicht übermäßig leicht in den Betrieben umzusetzen.
Maleike: Was kann denn jeder Einzelne tun, um sagen wir mal präventiv im Arbeitsalltag aktiv zu werden? Gibt es Tipps gegen Stress?
Glomm: Der erste Punkt ist, dass man auch mal konsequent Nein sagen muss und seinen Rücken gerade machen muss, wenn es zu Überlastungssituationen kommt. Das heißt also, man darf sich nicht davor scheuen zu sagen, so, das schaffe ich jetzt nicht mehr. Das muss man sicherlich auch mit seinem Vorgesetzten kommunizieren. Der zweite Tipp wäre sicherlich auch, seine eigenen Ressourcen zu stärken, das heißt also seine Fähigkeiten, mit Stress umzugehen. Das fängt mit dem Freizeitverhalten an. Viele Menschen setzen sich ja auch selber noch in der Freizeit unter Stress, indem sie da auch noch leistungsorientiert irgendwelche Dinge machen, anstatt zu versuchen, jetzt mal auch wirklich zu entlasten. Und ein dritter wesentlicher Punkt ist sicherlich auch, mal zu versuchen, sauber zwischen Arbeit und Freizeit zu trennen und nicht rund um die Uhr für alles erreichbar zu sein und, na ja, Aufgaben mit nach Hause zu nehmen und dort weiter abzuarbeiten und so weiter. Das sind sicherlich drei Punkte, die man so beachten kann, was aber nicht immer leicht ist.
Maleike: Der Arbeitsmediziner Dr. Detlef Glomm war das zu den Forderungen seines Verbandes VDBW, mehr für Gesundheit am Arbeitsplatz zu tun.