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"Man muss auch mal Ruhe in die Schullandschaft bringen"

Thomas Sternberg, schulpolitischer Sprecher der CDU-Fraktion im Landtag in NRW, will Real- und Hauptschule nur an den Schulstandorten zusammenlegen, die die Bildungsgänge miteinander verbinden können. Für ihn ist entscheidend, dass Schulen nicht zwingend einen gymnasialen Gang bei zurückgehenden Schülerzahlen führen.

Thomas Sternberg im Gespräch mit Jörg Biesler | 24.06.2011
    Jörg Biesler: Die CDU hat lange an der Hauptschule festgehalten. Am Montag will zumindest die Parteiführung sich für eine Abschaffung aussprechen. Haupt und Realschule sollen demnach zu sogenannten Oberschulen zusammengelegt werden. Ein entsprechender Entwurf für den Bundesparteitag, vorbereitet von Bundesbildungsministerin Anette Schavan machte schon vorher die Runde und sorgt gerade für eine lebhafte Diskussion. Thomas Sternberg ist schulpolitischer Sprecher der CDU-Fraktion im nordrhein-westfälischen Landtag. Herr Sternberg, ist auch für Sie die Hauptschule am Ende?

    Thomas Sternberg: die Hauptschule ist sicherlich deutlich weniger nachgefragt und hat einen stärkeren Rückgang als die anderen Schulen, hat also stärker unter demografischen Veränderungen zu leiden, und darauf muss man natürlich reagieren, aber selbstverständlich gibt es eine Menge Kinder, die - immerhin 200.000 in Nordrhein-Westfalen, das sind genau so viele, wie an Gesamtschulen sind - diese 200.000 Kinder bekommen eine gute Ausbildung und Bildung an diesen Hauptschulen. Und für uns ist ganz, ganz wichtig, dass bei der Diskussion über eine Zweigliedrigkeit immer klar sein muss, dass das, was Gutes für Hauptschülerinnen und Hauptschüler getan wird, gewährleistet sein muss, egal wie das Dach heißt, unter dem es stattfindet.

    Biesler: Es ist ja besonders interessant, mit Ihnen in Nordrhein-Westfalen darüber zu reden, weil die Gemeinschaftsschule, die dort die grüne Schulministerin Sylvia Löhrmann am Parlament vorbei installieren wollte, gerade quasi gescheitert ist, gerichtlich nämlich. Es geht nicht, man braucht einen Gesetzentwurf, ein Gesetz dafür, sagt das Oberverwaltungsgericht - und heute sondiert die Ministerin mit FDP und Linken, ob ein entsprechender Gesetzentwurf Zustimmung finden könnte im Landtag. Wenn wir jetzt hören aus Berlin, dass auch die CDU sich nicht mehr hinter die Hauptschule stellt, dann sieht es ja so aus, als ob in Nordrhein-Westfalen der Schulfrieden doch in Zukunft kommen würde - schnell!

    Sternberg: Ja, nun muss man ja sagen, das, was da in Berlin vorgestellt wird, ist ja durchaus was ähnliches, was wir hier in Siegen am 12. März beschlossen haben. Nur, wir haben ein paar Klarstellungen gemacht. Die erste ist die: Da, wo Schulen gut funktionieren und wo sie gut arbeiten, gibt es keinen Grund, die jetzt in Angst und Schrecken zu versetzen, sie würden aufgelöst. Man muss auch mal Ruhe in die Schullandschaft bringen. Die können es nicht ertragen, wenn alle Monate wieder grundsätzliche Reformdebatten geführt werden. Das heißt, wo Schulen gut arbeiten, sollen sie weiter arbeiten, aber da - und das wird immer häufiger sein! -, wo es Probleme gibt, an den Schulstandorten überhaupt ein Angebot aufrecht zu erhalten, da soll es zu einer Schule kommen, die die Bildungsgänge der Hauptschule und Realschule miteinander verbindet, aber in noch einer intensiveren Weise als die bereits jetzt schon Arbeit in 24 Verbundschulen tun. Das kann man sich auch sehr viel enger und auch mit kleineren Schulen vorstellen. Und ich glaube, wir haben da - ob man das nun Oberschule nennt oder wie auch immer - das deutlich überzeugendere Konzept für die Landkommunen und auch für ländliche Stadteile.

    Biesler: Klingt aber, als würde es im Wesentlichen um Details gehen. Sie sind ja heute nicht dabei, bei den Sondierungen, weil die Linke dabei ist, und sie mit der Linken nicht an einem Tisch sitzen wollten bei den Sondierungen. Aber mittelfristig - frage ich jetzt noch mal - ist eine Einigung mit der SPD und den Grünen vorstellbar in Nordrhein-Westfalen.

    Sternberg: Herr Biesler, ich weise darauf hin, das wir bereits zweimal eingeladen haben dazu. Und dann kam als Antwort auf unsere Einladung eine Einladung an einen Kreis inklusive der Linken. Wir haben das als eine Ausladung empfunden.

    Biesler: Das sind jetzt natürlich politische Auseinandersetzungen, die müssen auch sein, aber noch mal die inhaltliche Frage: Sie sind auf einem Weg, da Gemeinsamkeiten zu entdecken?

    Sternberg: Ich bin ziemlich sicher, dass die Unterschiede zwischen den Parteien sehr, sehr viel geringer geworden sind. Auch in der SPD hat sich mittlerweile die Vorstellung durchgesetzt, dass ein zweigliedriges Schulsystem, so, wie es im Moment in allen deutschen Ländern entwickelt wird - das läuft in Niedersachsen so, in Hessen, das ist in Bayern, in Baden-Württemberg, in Sachsen und Thüringen gibt es das immer schon -, das heißt, dieser Weg dürfte der für Deutschland vernünftigste und gangbare sein. Wir reden hier im Grunde genommen - und da hatten Sie vorhin ganz recht - über Details, wie man das am richtigsten macht. Für uns ist es entscheidend, dass diese Schule nicht zwingend einen gymnasialen Gang behauptet und damit zu einer Ausweitung des Angebotes bei zurückgehenden Schülerzahlen führt. Aber Sie merken, das sind Details, wir sind da auch im Gespräch, es ist ja nicht so, als wären wir da irgendwie zerstritten. Man muss das gar nicht so polarisieren und so aufbauen. Ich denke, man kann da was machen. Nur, dann müssen sich wirklich alle bewegen, selbstverständlich kann es nicht darum gehen, zu erwarten, dass die CDU hier sagt: Also, wisst ihr, ihr habt immer schon Recht gehabt und unsere Positionen sind einfach nur Unsinn! Wir haben die bessere Schulpolitische Position, und dann muss man eben sehen: Wo sind die Anschlussfähigkeiten, wo liegen die Kompromissformeln und wo kann man dann sagen, welche Kröte muss der, welche Kröte muss der schlucken, damit wir auf eine einheitliche Form kommen? Ich bin da sehr zuversichtlich.

    Biesler: Thomas Sternberg, schulpolitischer Sprecher der CDU-Fraktion im nordrhein-westfälischen Landtag, zu den Aussichten der Hauptschule und zu den Aussichten der Politiker, wer welche Kröte schlucken muss, in den kommenden Wochen. Danke schön!