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Man muss "auch sehr klar trennen zwischen Authentizität und Fake"

"Wir sollten weg vom Kulturpolitischen und hin zum Kulturphilosophischen und Kulturtheoretischen" sagt Lydia Haustein, Professorin an der Kunsthochschule Berlin-Weißensee, zum Sammlungskonzept im Humboldt-Forum. Die Ausstellung sei ein "Fake in dem Sinne, dass man von einer imaginären Ethnologie ausgeht und nicht von wirklichen Studien und Forschungen".

Lydia Haustein im Gespräch mit Beatrix Novy |
    Beatrix Novy: Seit der Wettbewerb um den Neubau des Berliner Stadtschlosses entschieden ist, hören die Diskussionen um das, was in dieses Schloss hinein soll, nicht mehr auf. Jetzt scheint ja das Schloss doch in eine gewisse Nähe gerückt, auch wenn alles noch Jahre hin ist, man kennt die Hülle des geplanten Humboldt-Forums, das dort ja rund um die Sammlungen außereuropäischer Kunst entstehen soll. Und damit haben viele ihre Probleme. Auch die Jahrespressekonferenz der Stiftung Preußischer Kulturbesitz gerade hat die kritischen Geister nicht beruhigt. Dabei klingt es doch gut, was zum Beispiel die "Berliner Zeitung" im November über das Humboldt-Forum schrieb: Die Besucher sollen dort eine Reise um die Welt antreten, auf den Spuren des Forschers Alexander von Humboldt sollen sie zu den großen untergegangenen Zivilisationen Amerikas geführt werden, zu Majas und Azteken usw. um die Welt, zu den Ausstellungen, wissensvermittelnde Aktionen, Tanz, Trommeln, Masken. Und jetzt die Frage an Lydia Haustein, Professorin an der Kunsthochschule Berlin-Weißensee: Das klingt doch alles ganz prima?

    Lydia Haustein: Ja, als ich das erste Mal von den Ideen von Herr Lehmann hörte, war ich in der Tat hoch begeistert. Als ich mich allerdings dann bemühte, intensiver in seinen Diskurs einzusteigen, war es zum einen sehr schwer, detaillierte Informationen zu bekommen, also ich konnte auch nur auf das zurückgreifen weitgehend, was man der Tagespresse entnahm. Und zum Zweiten, je mehr ich aber auch über diese Medien erfuhr, umso mehr war ich enttäuscht.

    Novy: Warum, wovon waren Sie denn speziell enttäuscht?

    Haustein: Ich habe mich sehr erstaunt gefühlt, dass im Grunde ein Diskurs aufgewärmt wurde, der seit über 20 Jahren doch die Gemüter erhitzt, nämlich der zwischen ethnologischen Werten und Kunst, dass man im Grunde das Rad wieder neu erfindet und bei Null beginnt.

    Novy: Was heißt das genau? Sie meinen damit, dass außereuropäische Kunst unter ethnologischen Kriterien beurteilt wird, eben nicht so richtig als Kunst wie die westliche Kunst?

    Haustein: Ja, ich glaube, dass schon allein diese Fragestellung, westliche Kunst oder nichtwestliche Kunst mittlerweile relativ langweilig geworden ist, sondern es geht darum, Kunst in einem globalen Spannungsfeld zu verorten. Das können ethnologische Stücke sein, das kann auch etwas anderes sein. Was ich ganz konkret meine, ist, ethnologische Werke zu nehmen als Referenz für die Moderne. Man kann das im Moment sehr gut besichtigen im Ägyptischen Museum, wo man Giacometti und ägyptische Skulpturen parallelisiert und im Tenor sagt, es gebe eine bestimmte Verwandtschaft. Und ich würde dem widersprechen und sagen, es gibt keine Verwandtschaft, sondern es gibt die interessante Einsicht, wie Giacometti sich mit ägyptischer Kunst auseinandersetzt. Sie sagt aber überhaupt nichts aus über ägyptische Kunst. Und sehr parallel dazu die Ausstellung im Gropius-Bau, "Die Tropen", das ist eine Ausstellung, die sich explizit versteht als Ouvertüre für das Humboldt-Forum, und die besticht durch wunderbare Stücke und durch völlige Konzeptionslosigkeit. Also wieder einmal wird die formale Referenz genommen, um inhaltliche Parallelen abzuleiten, was für mein Erachten in keiner Weise legitim ist.

    Novy: Was wäre denn nun die Alternative, was ist die in Ihrem Sinne richtige Herangehensweise an das, was jetzt doch schon auch immerhin als Museum der Weltkulturen gehandelt wird?

    Haustein: Ich denke, am Anfang muss eine starke Idee stehen, und am Anfang muss man auch sehr klar trennen zwischen Authentizität und Fake. Und schon diese Architektur ist ja im Grunde ein Fake. Die Sammlungen sind in gewisser Weise ein Fake. Ein Fake in dem Sinne, dass man von einer imaginären Ethnologie ausgeht und nicht von wirklichen Studien und Forschungen. Und mein großer Ansatz wäre, weg von einer kulturpolitischen zu einer kulturtheoretischen Diskussion, an der viele Partner teilnehmen sollen, im Übrigen auch Vertreter der nächsten Generation, die das ganze Spektakel, das ja fast eine Milliarde kosten wird, auch bezahlt.

    Novy: In welcher Form könnten die dann an einem Konzept für dieses Humboldt-Forum beteiligt werden?

    Haustein: Ja, indem man sagt, es steht eine starke Idee am Anfang, eine starke Idee tatsächlich im Sinne Alexander von Humboldts. Humboldt würde sich im Grabe drehen, wenn er sieht, was unter seinem Namen da geplant wird. Er war der Erste, der sich dafür eingesetzt hat, bestimmte Freiheitsrechte in Bezug auf die Sklaverei durchzusetzen und zu diskutieren, und genauso wäre er sicher der Erste, der einen Dialog der Kulturen einfordert, der diesen Namen verdient.

    Novy: Und Humboldts Gedanken lebendig werden zu lassen, würde auch bedeuten, die Leute heranzuholen zu diesem Konzept und zu dem Projekt, die aus den Ländern kommen, wo auch die Kunst herkommt?

    Haustein: Unbedingt. Es gibt ja erste Ansätze, wie damals unter Hans-Georg Knopp im Haus der Kulturen der Welt, der das wunderbar praktiziert hat, der auch den Misserfolg immer wieder in Kauf genommen hat, aber das Gespräch in den Vordergrund stellte, Protagonisten aus den Ländern zusammenbrachte, um nicht über sie zu reden, sondern mit ihnen neue Dinge zu entwickeln. Natürlich gibt es Ansätze, aber das ist noch lange kein Konzept für ein so riesiges Projekt, wie es eben mit dem Humboldt-Forum avisiert ist. Und wir sollten weg vom Kulturpolitischen und hin zum Kulturphilosophischen und Kulturtheoretischen.

    Novy: Das sagt Lydia Haustein, Kunsthistorikerin in Berlin. Das war ihre Position zum geplanten Humboldt-Forum.