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MAN muss sich als VW-Tochter neu erfinden

MAN ist ein Urgestein der Industrie. Der Lastwagen- und Maschinenbauer blickt auf eine 255-jährige Geschichte zurück. Umso schwerer fällt es den Münchnern, sich mit ihrer neuen Rolle abzufinden, nur noch eine von vielen Marken im mächtigen VW-Imperium zu sein.

Von Michael Watzke | 06.06.2013
    Für traditionsbewusste MANler war die heutige Hauptversammlung ein Graus. Nicht nur, dass gleich am Eingang der Versammlungshalle neben einem MAN-Lastwagen ein nagelneuer Volkswagen-Truck ausgestellt war. Das wirkte auf viele Münchner wie ein machtvoller Hinweis darauf, wer der neue Herr im Hause MAN ist. Nämlich jener alte Mann, der mit leiser Stimme die Hauptversammlung eröffnete:

    "Meine sehr verehrten Damen und Herren, gemäß Satzung übernehme ich als Aufsichtsratsvorsitzender die Versammlungsleitung."

    Ferdinand Piech, 76 Jahre alt, hat MAN mit harter Hand in die Volkswagen-Gruppe geschmiedet. Drei Viertel der Aktien besitzt VW bereits. Deshalb ist es heute Formsache, dass die Aktionäre einem Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag der Truck&Bus GmbH von Volkswagen zustimmen.

    Viele allerdings werden es mit der Faust in der Tasche tun. MAN-Chef Georg Pachta-Reyhofen nahm die gereizte Stimmung in der Hauptversammlung auf.

    "Ist mit diesem Vertrag das Ende von MAN besiegelt? Ist mein Arbeitsplatz dadurch gefährdet? Ist MAN nun komplett fremdbestimmt? Werden MAN-Lkw in Zukunft nur noch den Markennamen führen, ansonsten aber Volkswagen- und Scania-Technik beinhalten?"

    Pachta-Reyhofens Antwort darauf war erwartungsgemäß: nein. Was die Aktionäre allerdings viel mehr umtrieb, war die Tatsache, dass VW pro MAN-Aktie nur 81 Euro zahlt, obwohl der Aktienkurs heute bei über 87 Euro lag. Der Volkswagen-Konzern sieht MAN allerdings als überbewertet an. Und die aktuellen Geschäftszahlen scheinen diese Einschätzung zu bestätigen. MAN-Chef Pachta-Reyhofen hatte für das erste Quartal fast nur Hiobs-Botschaften.

    "So viel der Auftrags-Eingang er MAN-Gruppe in den ersten drei Monaten auf 3,8 Milliarden Euro und lag damit um 14 Prozent unter dem Vorjahreswert. Der Umsatz der MAN-Gruppe ging in den ersten drei Monaten ebenfalls zurück, er sank um acht Prozent. Das operative Jahres-Ergebnis der MAN-Gruppe war zwar rückläufig. Es lag mit 964 Millionen Euro aber knapp unter der Milliarden-Grenze."

    Ferdinand Piech, der Aufsichtsratschef von MAN und Volkswagen, schien bei diesen Worten seine Mundwinkel noch ein Stück weiter nach unten zu ziehen. Er hofft, dass ein neuer Schwede im MAN-Vorstand für frischen skandinavischen Wind sorgt: Leif Östling.

    "Ich würde mich gern präsentieren, auf nicht perfektem Deutsch. Ich habe bisher in der Lkw-Branche gearbeitet, für einen Wettbewerber der MAN-Gruppe – Scania in Schweden."

    Ausgerechnet Scania, MANs Erzrivale, mit dem die Münchner nun brüderlich kooperieren sollen. Zusammen soll es besser laufen, 200 Millionen Euro will man in den nächsten Jahren durch Synergie einsparen, sagt Pachta-Reyhofen und gibt zu:

    "Der Vorstand ist mit dem Ergebnis des Jahres 2012 nicht zufrieden und hat daher eine Reihe von Maßnahmen eingeleitet. Hauptaugenmerk liegt dabei auf der Kostenreduktion und Effizienzsteigerung. Sowohl in der Produktion als auch in Verwaltung, Vertrieb und Entwicklung."

    Ferdinand Piech soll sogar von Milliarden-Synergien ausgehen und will Volkswagen, MAN und Scania zu einem mächtigen Truck-Konkurrenten der marktführenden Daimler-Gruppe ausbauen.