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Management von Öffentlichkeit

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Thomas Gesterkamp | 22.04.2001
    Ein Unternehmen wie Ford, größter Arbeitgeber in Köln mit 22.000 Beschäftigten und einer Bedeutung über Köln hinaus - wir haben hier auch die Europa-Zentrale, wir haben ein zentrales Entwicklungszentrum, das Fahrzeuge entwickelt für die ganze Welt -steht natürlich hier in der Region im besonderen Blick der Öffentlichkeit...Wir stehen in engem Kontakt zu den Kollegen in den Redaktionen. Der ist notwendig, um gegenseitig Vertrauen zu schaffen, ohne die jeweiligen Rollen zu vermengen. Das heißt, Journalisten sind unsere kritischen Begleiter...Wir verstehen uns als Kommunikatoren in die Öffentlichkeit, wir sind so was wie die Brückenbauer.

    Das war Bernd Meier. Er ist PR-Manager beim Autohersteller Ford in Köln. Public Relations, die Beziehungen von Unternehmen oder Institutionen zur Öffentlichkeit, sind ein sensibles Geschäft. Die Industrie hat dazugelernt seit den Atom- und Chemieunfällen der achtziger Jahre. Denn die waren nicht nur technische Havarien, sondern auch Kommunikationskatastrophen. Die zugeknöpfte Haltung vieler Firmenvertreter, die teilweise regelrechte Informationsblockaden aufbauten, hinterließen in der Öffentlichkeit eine verheerende Wirkung. Reagieren mussten die Unternehmen aber auch auf die veränderte Medienlandschaft. Noch einmal Bernd Meier: Neue Aufgaben sind für uns dazugekommen, das Tempo ist wesentlich schneller geworden. Stichworte dazu sind elektronische Medien, E-Mails und Internet. Diese neue Vielfalt der Medien zwingt uns dazu, unsere Zielgruppen noch genauer zu definieren. Das heißt, wenn wir eine Nachricht haben, eine gute Nachricht haben, dann definieren wir genau, zu welchem Zeitpunkt welche Zielgruppe zu bedienen ist. Das war früher anders.

    "Whitewashers", Weißwäscher, so wurden die Macher von PR in den USA einst genannt. Die Klischees von den "geheimen Verführern" und "großen Manipulatoren" halten sich hartnäckig in den Köpfen - nicht zuletzt, weil die Realität sie immer wieder bestätigt. Wenn Firmen, Organisationen oder auch Politiker die Wahrheit nur scheibchenweise und unter starkem Druck preisgeben, ist das alles andere als professionelle Public Relations.

    Die Öffentlichkeitsarbeit der Wirtschaft war stets eng mit Marketing und Werbung verknüpft. Henry Ford, der Gründer des amerikanischen Automobilkonzerns, prägte einst den Merksatz:

    Wenn du einen Dollar in ein Unternehmen steckst, musst du einen weiteren bereit halten, um es bekannt zu machen.

    "Tu Gutes und rede darüber" hieß das später in Deutschland: Unter diesem Titel schrieb Georg Volkmar Graf Zedtwitz-Arnim 1961 ein erstes Standardwerk der Public Relations. Ihm folgten diverse Ratgeber ähnlicher Machart, mit plakativen Titeln wie "Nicht auffallen, aber ankommen" oder "Wie sage ich's der Presse".

    Nette Büchlein im Plauderton, die zu freundlicher Zurückhaltung im Umgang mit der Öffentlichkeit rieten, taugen heute nicht mehr. Die behäbige Pressearbeit der alten Schule mit ihren einfachen Rezepten hat ausgedient. Es reicht nicht, harmlose Positiv-Botschaften wie die Eröffnung der neuen Ausbildungswerkstatt oder das Jubiläum des Firmengesangvereins in die Zeitung zu bringen. "Gute Presse - schwarze Zahlen", von dieser einfachen Rechnung haben sich die PR-Macher längst verabschiedet. Der Heidelberger Kommunikationsberater Wolfgang Reinecke beschreibt die Anforderungen.

    Es ist nicht mehr getan mit dem Produzieren von Papier, von Broschüren, sondern wir müssen das Ganze umsetzen im Gespräch, in einem offenen Dialog. Das fällt einigen sehr schwer. Wir sind in der Vergangenheit sehr von Pressearbeit beeinflusst gewesen. Davon gehen wir mehr und mehr weg in Richtung eines ganzheitlichen Verständnisses, dass wir alle Medien nutzen, um die Empfänger, die Partner der Botschaft zu erreichen. Und Ereignisse sind heute nicht 'vining and dining', also jemanden gut betreuen, das spielt auch noch eine Rolle vom Atmosphärischen her. Es sind aber vor allem Sachthemen, langfristige Lösungen, und nicht mehr das geknipste Bild in der Zeitung.

    Die Großunternehmen haben eigene PR-Etats eingerichtet oder die bestehenden Kommunikationsabteilungen erweitert. Kleinere Firmen behelfen sich mit der Vergabe von Aufträgen an spezialisierte Agenturen. Die Branche boomt: Knapp 20.000 Menschen, zehnmal so viele wie vor dreißig Jahren, arbeiten nach Schätzungen des Berufsverbandes "Deutsche Public Relations Gesellschaft" heute in der PR-Branche. Die großen Beratungsdienstleister verzeichnen beim Honorarumsatz zweistellige Zuwachsraten. In manchen Unternehmen, etwa im Volkswagen-Konzern oder bei der Mediengruppe Kirch, gehört der Verantwortliche für Public Relations schon zum Vorstand: Dort, wo die Entscheidungen getroffen werden, werden die Weichen für das publik machen dieser Entscheidungen gestellt. Auch Ford hat den Bereich "Kommunikation" in der Konzernhierarchie aufgewertet. PR-Manager Meier:

    Wir haben wie bei VW und Opel die gleiche Situation: Unsere Öffentlichkeitsarbeit berichtet direkt an den Vorstandsvorsitzenden. Das hat zwar nicht den Rang eines Vorstands, ist aber direkt in den Vorstand integriert. PR ist eindeutig für Ford in Deutschland eine Stabsfunktion: Denn wir vertreten die Interessen des Unternehmens in der Öffentlichkeit, und andererseits gibt die Öffentlichkeit Impulse ins Unternehmen. Das heißt, wir führen den Dialog mit der Öffentlichkeit, mit den Kunden, mit den Journalisten, und können Impulse ins Unternehmen rein vermitteln.

    Der Wandel im Selbstverständnis von PR hat zu tun mit den veränderten Spielregeln der Mediengesellschaft. Wie die Politik ist auch wirtschaftliches Handeln zum "Ereignismanagement" geworden. So spielt Öffentlichkeitsarbeit beim sogenannten "Event Marketing" eine große Rolle.

    Wir sehen da zwei Säulen: Die klassische Pressearbeit ist sozusagen die Pflicht, darauf kommt die Kür. Das heißt, wenn unser Unternehmen Events sponsert, wie den Ford Köln Marathon oder den Kölner Karneval, dann ist das eine Mischung aus klassischer Pressearbeit und Event-Pressearbeit. Wir berichten natürlich den Medien auch über unser Sponsoring, wir laden Journalisten als Gäste ein, an diesen Events teilzunehmen. Insofern gibt es da eine Vermischung.

    Welche Strategie von Öffentlichkeitsarbeit ein Unternehmen verfolgt, hängt entscheidend davon ab, welche Produkte es verkaufen will. Als Autohersteller muss Ford immer in Tuchfühlung zum Verbraucher sein, betont Bernd Meier.

    Es gibt andere Industrieunternehmen, die zum Beispiel Rohwaren, Rohstoffe herstellen und vertreiben. Deren Zielgruppe ist zuallererst der Industriekunde, der Weiterverarbeiter. Das heißt die PR-Kollegen dort haben die Aufgabe, die Nachricht den Industriekunden näher zu bringen, speziell über Fachmagazine, über Präsentationen, über Workshops...Wir konzentrieren uns auf die klassischen Endkunden und damit auf die Autozeitschriften und die regionalen Tageszeitungen, weil diese eben von den Endkunden gelesen werden.

    Wer an die Industrie weiterverkauft - wie etwa Chemieunternehmen - der muss sich in der breiten Öffentlichkeit weniger um das Image seines Produktes kümmern. Viel wichtiger ist dann für die PR-Leute, dass die Branche als Ganzes glaubwürdig dasteht. Zum Beispiel darf sie nicht durch Störfälle oder Umweltprobleme unangenehm auffallen - wie das in der Vergangenheit immer wieder der Fall war. Siegfried Weischenberg, Professor an der Universität Münster, hat den Wandel der Public Relations aus kommunikationswissenschaftlicher Sicht beobachtet.

    Ich glaube, dass gerade im Zusammenhang mit dem Bereich Umwelt Unternehmen gelernt haben, dass man umdenken muss. Die frühere Strategie, mit Hilfe von PR im Zweifelsfall eher abzuwimmeln, nicht Öffentlichkeitsarbeit, sondern eher gezielte Desinformation zu betreiben: Diese alte Strategie ist zweifellos an ihre Grenzen gekommen.

    Der herkömmliche Typus des Pressesprechers fühlte sich seinem Arbeitgeber viel zu sehr verpflichtet, um auf kritische Fragen in schwierigen Kommunikationssituationen angemessen reagieren zu können. Nach dem neuen Selbstverständnis werden PR-Leute zwar für ihre Loyalität bezahlt; sie müssen aber auch in der Lage sein, in den sogenannten "offenen Dialog" mit der Öffentlichkeit zu treten. "Verständigungsorientierung" und "symmetrische Kommunikation" lauten die modischen Leitbegriffe.

    Gern definieren sich die Öffentlichkeitsarbeiter in diesem Sinne als ehrliche Makler, als Mittler zwischen den Interessen ihrer Auftraggeber und den Interessen von Medienvertretern. Den erwünschten Eindruck von Harmonie und Partnerschaft hält Siegfried Weischenberg für eine trügerische Illusion. Der Münsteraner Hochschullehrer, der auch Vorsitzender des Deutschen Journalisten Verbandes ist, beruft sich auf den langjährigen Chefredakteur der Wochenzeitung "Die Zeit".

    Von Theo Sommer stammt die, wie ich meine, sehr treffende Definition, dass Journalismus dem Gemeinwohl, Öffentlichkeitsarbeit aber Einzelinteressen dient. Ich meine, wenn man dieser Definition folgt, ist damit schon ein Grundkonflikt angesprochen. Und das bedeutet auch, dass Journalisten und PR-Leute keine Partner sein können. Im Konfliktfall müssen die PR-Leute ihr Unternehmen, ihre Politiker so gut wie möglich verkaufen. Und Journalisten, die ihre Aufgabe wirklich ernst nehmen, versuchen, Kontrolle zu üben, an Informationen heranzukommen, die Unternehmen oder politische Institutionen im Zweifelsfall verbergen wollen.

    Weischenberg und seine Kollegen am Institut für Publizistik in Münster haben den Einfluss von Öffentlichkeitsarbeit auf die Medien untersucht. Die Studien kommen zu eindeutigen Ergebnissen.

    Es ist bestätigt worden, dass PR in einem kaum noch vertretbaren Maße die Berichterstattung beeinflusst, dass umgekehrt die Verarbeitungsleistung der Journalisten, die aus den Pressestellen bedient werden, absolut unzureichend ist.

    Öffentlichkeitsarbeit liefert Material, das eine Redaktion möglicherweise veranlasst, ein bestimmtes Thema auszuwählen und gegenüber anderen Themen höher zu gewichten. Der Anteil der interessengeleiteten, aber nicht hinterfragten Berichte in den Medien hat deutlich zugenommen. Immer weniger Redakteure und Autoren machen sich die Mühe, die vorgefertigten Produkte der PR-Macher gründlich zu prüfen und sie lediglich als eine von vielen Informationsquellen zu betrachten. Unter dem Druck des Terminjournalismus bleibt wenig Zeit, hartnäckig nachzurecherchieren, was systematisch verschwiegen wird.

    Denn auch das gehört zum Geschäft der PR-Leute, betont Hans-Jürgen Arlt. Arlt leitet die Öffentlichkeitsarbeit in der Zentrale des Deutschen Gewerkschaftsbundes in Berlin. Mitte der neunziger Jahre ließ er sich für zwei Jahre beurlauben, um zusammen mit dem Medienwissenschaftler Otfried Jarren an der Universität Hamburg über "Gewerkschaft und Öffentlichkeit" zu forschen. Dann kehrte er an seinen alten Arbeitsplatz zurück.

    Öffentlichkeitsarbeit besteht immer aus Veröffentlichen und Verheimlichen. Die Verheimlichung ist sozusagen notwendiger Bestandteil von Öffentlichkeitsarbeit. Das Problem an diesen Verheimlichungen ist, dass sie meistens scheitern. Dass es dann doch irgendein Interesse gibt, sei es in der Organisation, sei es außerhalb, das Problem offen auf den Tisch zu legen. Und deshalb ist es in der Regel besser, offen damit umzugehen...Das ist ein Grundproblem von Öffentlichkeitsarbeit: Sie soll Vertrauen herstellen, aber sie kann es eigentlich nur dann einigermaßen wirkungsvoll, wenn Vertrauen in die Organisation schon existiert. Und deshalb ist eine Krisensituation, ein Verlust von Glaubwürdigkeit für Öffentlichkeitsarbeit immer eine Katastrophe, weil dann, wenn sie am meisten gebraucht wird, kann sie am wenigsten leisten.

    Geschickte Public Relations bemühen sich, die gegensätzlichen Interessen von Öffentlichkeitsarbeitern und Journalisten zu verschleiern. Wird aber ein handfester Skandal aufgedeckt oder es passiert ein schwerer Unfall, dann schenkt das Publikum den rechtfertigenden Verlautbarungen nur noch wenig Glauben. Die Veranstalter von Krisen-Pressekonferenzen haben es schwer, ihre Botschaften erfolgreich zu platzieren. Unternehmensberater Wolfgang Reinecke:

    Es gibt die sogenannten Übernachtkrisen, Schockkrisen bis hin zur Katastrophe, auf die man vorher keinen Einfluß nehmen kann. Die sind aber die seltensten. Die meisten Krisen sind Fehler der Vergangenheit, Vertuschungen, die dann aufbrechen wie eine Krankheit, die akut geworden ist. Ich messe eine Profession daran, dass sie nicht nur eine Schönwetterprofession ist, sondern auch, wenn es darauf ankommt, als Managementfunktion ihren Mann stehen kann. Wenn nach Tschernobyl, in den entscheidenden Stunden, fachlicher Rat gefragt gewesen ist, also großer Handlungsbedarf war, wenn dann in manchen Unternehmen die telefonischen Anrufbeantworter liefen: Wir sind erst Montag wieder zu erreichen, dann halte ich das für unprofessionell.

    Das herkömmliche Verständnis von PR-Arbeit dachte im Freund-Feind-Schema und unterstellte, dass jede andere als die eigene Position falsch ist. Gemäß einer Wagenburgmentalität wurden die Massenmedien als gegnerische Öffentlichkeit wahrgenommen; Pressestellen funktionierten dann eher als "Presseabwehrstellen" - vor allem, wenn nach Störfällen Umwelt- und Gesundheitsschäden zu befürchten waren.

    Hochspezialisierten Fachleuten fehlt häufig die Routine im Umgang mit den Medien. So unterschätzten manche Techniker die politische Dimension der Debatten um überschrittene Grenzwerte. Mit kleinen Ungeschicktheiten zerschlugen sie viel Porzellan: Erst nach und nach wurde den Verantwortlichen klar, dass keineswegs erst eine medizinische Gefährdung nachgewiesen werden muss, um die Öffentlichkeit zu beunruhigen. In solchen Fällen müsse die hauseigene PR-Abteilung frühzeitig das Ruder übernehmen, fordert Ford-Manager Meier:

    Bei der Krisenkommunikation gibt es immer ähnliche Abläufe. Irgendwoher kommt die Nachricht, dass etwas schief gelaufen ist, dass irgendwo im Werk ein Störfall ist...Dann spricht man sich mit den Fachabteilungen sehr schnell ab, und geht dann mit einer glaubwürdigen Nachricht an die Öffentlichkeit, an die Medien. Dabei ist der Zeitfaktor ganz entscheidend. Wenn Sie aktiv handeln, können Sie viele Fehler vermeiden, die zur Imageschädigung des Unternehmens beitragen.

    PR-Berater Reinecke geht noch einen Schritt weiter: In solchen Situationen müsse das Top-Management persönlich eingreifen und sich gegenüber den Medien erklären.

    Der Fisch stinkt vom Kopf. Oder anders ausgedrückt: Wir sind in Deutschland daran gewöhnt, jeden Politiker als Punching ball zu benutzen und ihn in der Öffentlichkeit vorzuführen. Es gibt noch zu viele Unternehmensführer und Vorstandsmitglieder in Organisationen, Verbänden und der Industrie, die glauben, sie könnten ihren PR-Mann vorschicken dort, wo sie selber vor die Öffentlichkeit treten müssten.

    Wer an der Spitze eines Unternehmens steht, muss dieses auch persönlich glaubwürdig repräsentieren. Ron Sommer steht für die Telekom, Ferdinand Piech für VW, Jürgen Schrempp für Daimler-Chrysler: Die Wirtschaftsberichterstattung werde zunehmend personalisiert, glaubt Bernd Meier:

    Zu den Aufgaben der PR-Abteilung bei Ford und bei anderen Großunternehmen gehört mit Sicherheit auch, eine Strategie zu haben, wie der Vorstandsvorsitzende in der Öffentlichkeit, in den Medien positioniert werden kann. Es gibt Untersuchungen in Amerika, dass mehr als 40 Prozent der Reputation eines Unternehmens vom persönlichen Verhalten, vom Auftreten des Vorstandsvorsitzenden abhängig gemacht werden können. Deutsche Wirtschaftsmedien transportieren in immer stärkerem Maße eigentlich trockene Themen über Köpfe, durch Interviews oder Personality Stories...Die Glaubwürdigkeit des Gesamtunternehmens beginnt dann auch abhängig zu werden vom persönlichen Verhalten, von den Aussagen des Vorstandsvorsitzenden.

    Sich als Verantwortlicher in einer heiklen Lage der öffentlichen Diskussion zu stellen, erfordert Fingerspitzengefühl und kann zum Balanceakt werden. Nach dem Super-GAU von Tschernobyl machten nicht nur Sicherheitsexperten, sondern auch Manager die angeblich irreführende Berichterstattung der Journalisten für die Ängste der Menschen verantwortlich. Die pauschale Beschimpfung von Kritikern werten PR-Berater als Kommunikations-GAU. Die Unternehmen etwa der Pharmabranche oder der Atomwirtschaft, die seit langem unter Legitimationsdruck stehen, sind vorsichtiger und geschickter geworden: Auch bei kleinen Unregelmäßigkeiten in ihren Fabriken gehen sie schnell und von sich aus an die Öffentlichkeit - um nicht noch mehr Kredit zu verspielen.

    An den Schaltstellen der Firmenkommunikation sitzt eine neue Generation von PR-Leuten. Sie sind meist besser qualifiziert als ihre Vorgänger, die nur selten eine akademische Ausbildung vorweisen konnten. Lange Jahre war Öffentlichkeitsarbeit ein Gebiet, in dem sich überwiegend Quereinsteiger und Autodidakten tummelten.

    Mittlerweile haben mehrere deutschen Hochschulen, etwa in Hannover und Leipzig, spezielle Studiengänge für Public Relations eingerichtet. An anderen Universitäten wie Bamberg, Münster, Bochum und Mainz gibt es zumindest die Möglichkeit, ein Aufbaustudium zu absolvieren: Hier sollen gerade Naturwissenschaftler den Umgang mit einer kritisch eingestellten Öffentlichkeit trainieren.

    Die Freie Universität Berlin, die einen eigenständigen "Studiengang" für Public Relations eingerichtet hat, definiert PR als angewandte Publizistik - als, so wörtlich, "Management von Kommunikation zwischen Organisationen und ihren Bezugsgruppen". Bernd Meier von Ford ist skeptisch, wenn er solche Formulierungen hört.

    Die Pressestelle hier in Köln arbeitet mit Kollegen, die früher mal selbst Zeitung gemacht haben. Und die genau wissen, wie die Redakteure arbeiten. Deshalb können wir uns genau drauf einstellen. Großartige Strategiepapiere oder blumige Präsentationen helfen hier nicht weiter, sondern letztendlich hat der PR-Mann eine Servicefunktion, eine Dienstleisterfunktion für die Medien... Pressemappen mit Hochglanzeffekten nutzen dem Journalisten herzlich wenig, wenn der Text nicht so geschrieben ist, wie die Redaktion ihn verlangt, wenn die Bilder unbrauchbar sind. Dann fliegen diese Materialien, die sicher für gutes Geld produziert worden sind, sofort in den Papierkorb.

    Ein gescheites Unternehmen sei durch eine lausige PR-Abteilung nicht zu ruinieren - sagt Klaus Kocks, der im VW-Vorstand für Kommunikation zuständig ist. Umgekehrt gilt freilich auch: Ein lausiges Unternehmen ist selbst durch professionelle Public Relations kaum nach vorne zu bringen. Die ausgeklügelste PR-Strategie wird scheitern, wenn die Wirklichkeit dem Vergleich mit schönen Bildern und großen Worten nicht wenigstens in Ansätzen standhält. Mühsam aufgebaute Glaubwürdigkeit kann schnell wieder verlorengehen - wenn sich etwa herausstellt, dass der Öffentlichkeit wichtige Informationen systematisch vorenthalten wurden. PR-Weisheiten wie "Tu Gutes und rede darüber" helfen nicht weiter, wenn nichts Gutes getan wird: Der Fisch stinkt eben vom Kopf.