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Mandelentfernungen gut abwägen

Mandeloperationen gehören zu den häufigsten Operationen. Vor allem im Kindesalter. Der Eingriff ist auch gefürchtet, da es immer noch relativ häufig zu Komplikationen nach der Operation kommt. Manche Patienten können aber von dem Eingriff auch profitieren.

Von Anna-Lena Dohrmann | 30.04.2013
    "Also ich hatte sehr oft Angina, einmal im Monat seit einem Jahr und dann hatte mein HNO-Arzt gesagt, dass die Mandeln raus müssen, weil irgendwann – ich hatte schon keinen Schmerz mehr gespürt – und irgendwann werden die so dick, dass ich dann daran ersticken könnte."

    … erzählt Lisa Kern. Angina bezeichnet in ihrem Fall eine Entzündung der sogenannten Gaumenmandeln. Die 20-Jährige war dadurch ständig geschwächt.

    "Ich hatte oft Fieber, meine Mandeln waren hinten immer vereitert, hatte Halsschmerzen, konnte kaum essen, nur noch trinken und dadurch musste ich jeden Monat immer Antibiotika nehmen, zwei Wochen lang."

    Deshalb war schnell klar: Die Mandeln müssen raus. Denn sie schaden dem gesamten Körper mehr, als dass sie helfen. Eigentlich sollen die Mandeln nämlich vor Infektionen schützen, erklärt Prof. Andreas Dietz, Direktor der Klinik für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde der Uniklinik Leipzig:

    "Also die Gaumenmandeln sind ein Teil des sogenannten Waldeyerschen Rachenringes. Das ist sogenanntes lymphatisches Gewebe, welches eine Art Auseinandersetzungsplattform für das Immunsystem bildet, quasi der erste Abwehrschirm, wie bei einem Computer eine Firewall, wenn sie so wollen."

    Und genau deshalb fürchten einige Mediziner, dass das Immunsystem geschwächt wird, wenn man diesen Abwehrschirm entfernt. Aussagekräftige Studien dazu fehlen bislang. Trotzdem raten Ärzte nur zur Operation, wenn die Entzündungen regelmäßig wiederkehren und schwerwiegend sind.

    "Man geht heute erheblich kritischer auch an diese Operation, nicht zuletzt, weil sie immer noch einigermaßen gefährlich ist. Dass das Immunsystem signifikant geschwächt wird, da sind wir Hals-Nasen-Ohren-Ärzte relativ entspannt, weil wir sehen ein Gewebe in der Umgebung, was dann die Funktion übernimmt. Aber wir haben Respekt vor den Nachblutungen."

    Der Abwehrring besteht nämlich nicht nur aus den Gaumenmandeln, sondern auch aus der Rachen- und Zungenmandel. Diese Strukturen sind sehr gut durchblutet. Wenn Nachblutungen nicht schnell genug behandelt werden, können sie tödlich enden.

    "Und wenn es dann blutet, blutet es unmittelbar in dem oberen Atem- und Verdauungstrakt und das ist einfach eine blöde Ecke, wo sie nicht einfach abstopfen können. Das ist ja nachvollziehbar, weil sie müssen ja auch atmen können."

    Besonders kritisch ist das bei kleinen Kindern. Doch gerade Kinder leiden häufig an Mandelentzündungen. Schließlich muss ihr Immunsystem noch viel lernen. Vergrößerte Mandeln sind also ganz normal und oft geht die Zahl der Entzündungen von alleine zurück. Aber ihr kleiner Mundraum kann zum Problem werden:

    "Wir sprechen von den sogenannten Kissing Tonsils, ab denen wir aktiv werden – sprich, wenn sich die Mandeln in der Mitte des Rachens berühren und hinten alles verstopfen."

    Die Kinder kriegen also keine Luft mehr. Eine Möglichkeit ist dann, die Mandeln zu kappen.

    "Mit feinen Laserinstrumenten kann man ganz vorsichtig einen Teil der Mandeln entfernen und zwar der, der über die Gaumenbögen hinaus in die Mitte den Rachen einengt. Und somit muss man auch das Bett, das gut durchblutet ist, gar nicht eröffnen, sodass ein deutlich geringeres Nachblutungsrisiko resultiert."

    Und mehr lymphatisches Gewebe bestehen bleibt. Für das Immunsystem von Kindern ist das wichtig. Bei Erwachsenen hingegen ist meistens die chronische Entzündung das Hauptproblem. Deshalb entfernen Mediziner dann die komplette Mandel – das Restgewebe könnte sich sonst neu entzünden. Lisa Kern jedenfalls ist froh, bis jetzt alles gut überstanden zu haben.

    "Ja, also Halsschmerzen ist ja normal, aber sonst geht es mir gut. Ich hoffe, dass ich jetzt so schnellst möglich entlassen werde und dann keine Schmerzen, Halsschmerzen mehr habe."

    Doch die Erwartungen an eine Mandelentfernung dürfen auch nicht zu groß sein. Entzündungen können trotzdem auftreten, aber sie werden seltener und verlaufen milder. Als Faustregel gilt: Je stärker die Beschwerden vor der Operation waren, desto deutlicher spürt der Patient eine Verbesserung.