"Wir gehen jetzt in das Zimmer 4. Hier hat Herr Zenker seinen Platz. Er ist noch am Schlafen. Ich werde ihn mal ganz vorsichtig ansprechen. Guten Tag Herr Zenker."
"Ja."
Alltag in der Altenpflege. Viele Bewohnerinnen und Bewohner sind dement und erfordern eine besondere Aufmerksamkeit. In der Klinik ist das nicht anders, sagt Professor Klaus Hager vom "Zentrum für Medizin" im Alter - einer diakonisch geführten Klinik in Hannover:
"Patienten mit schwerer Demenz sind natürlich schon sehr speziell. Sie haben andere Anforderungen an den Behandlungsablauf. Man muss möglicherweise verstärkt mit den Angehörigen oder den Betreuern sprechen. Sie müssen sich mehr auf die Welt der Dementen einlassen, sie versuchen zu verstehen, und ein bisschen dort abholen, wo sie stehen."
Wie sich die Mediziner gegenüber dementiell erkrankten Menschen zu verhalten haben - in ethischer Hinsicht - darüber ist in der für Deutschland entwickelten "S3-Leitlinie Demenzen" nicht viel zu finden, kritisiert Professor Daniel Strech von der Medizinischen Hochschule Hannover. Von 31 ethischen Anforderungen, die der Wissenschaftler in der Fachliteratur gefunden hat, waren nur 17 in der deutschen Leitlinie zu finden. Das heißt, 14 wichtige ethische Gesichtspunkte im Umgang mit Demenzpatienten fehlten. Daniel Strech:
"So zum Beispiel eine genauere Angabe, wie man mit Zwangsbehandlungen umgehen sollte, die sich in verschiedenen Situationen stellen können. Es kann sein, dass ein Demenzpatient selbstverletzende Tendenzen hat oder vielleicht fremdgefährdende Tendenzen hat, was manchmal dazu führen kann, dass Ärzte, Pflegepersonal, Angehörige vor Entscheidungen stehen, jemanden auch in seinem Freiraum zu beschränken."
Keine Angaben macht die "S3-Leitlinie Demenz" auch bei der Frage, wie mit einer versteckten Medikamentengabe oder mit Lebensmüdigkeit umgegangen werden soll. International gesehen liegt deutsche Leitlinie, bezogen auf ethische Gesichtspunkte, im Mittelfeld. In der Schweiz zum Beispiel werden nur 22 Prozent der 31 ethischen Anforderungen aufgegriffen, in den USA immerhin 77 Prozent. 100 Prozent gibt es nirgendwo. Das Manko aller Leitlinien besteht darin, so Professor Strech, dass ethische Aspekte überhaupt nicht genannt werden müssen:
"Diese Institutionen, die einem dabei helfen, Leitlinien zu entwickeln, die gibt es ja nicht nur in Deutschland, die gibt es weltweit, die geben in der Regel Handbücher heraus, Manuale, wie man Leitlinien entwickelt. Und dort steht eigentlich weltweit in all diesen Manualen nirgendwo drin, dass man ethische Aspekte in solchen Leitlinien per se berücksichtigen sollte. Von daher haben wir dann gedacht: Wenn das in den Manualen nicht drinsteht, interessiert uns trotzdem, ob das die Leitlinien dann machen."
In Deutschland werden Leitlinienprogramme von der "Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften" - AWMF - koordiniert. Eine "S3 Leitlinie" steht dabei in der Hierarchie der Leitlinien ganz oben, weil sie unter anderem auch Logik-, Entscheidungs- und Outcome-Analysen enthält und regelmäßig überprüft wird. 70 Prozent der Leitlinien in Deutschland haben dagegen nur S1-Niveau. Damit künftig mehr ethische Aspekte in die Leitlinien einfließen, plant Professor Strech nun einen internationalen Workshop. Für ihn ist die Diskussion überfällig:
"Zum Beispiel könnte es sein, dass sich so eine Leitliniengruppe, die sich aus verschiedenen Professionen zusammensetzt, und auch Patientenvertreter mit involviert und Angehörigenvertreter, dass die zu dem Schluss kommt, ein sehr klares Veto auszusprechen, dass man verdeckte Medikamentengabe nicht in der Praxis umgesetzt sehen möchte. Und dann werden vielleicht die Personen, die sich in der Praxis mit solchen Herausforderungen konfrontiert sehen und mit dem Gedanken spielen, vielleicht auch eine verdeckte Medikamentengabe anzuwenden, vielleicht sich auch an diesen Gründen selber auch orientieren können und sagen: Jetzt ist mir klar, warum ich es nicht tue oder warum ich es vielleicht dennoch tue. Aber das würde natürlich den Entscheidungsprozess verbessern."
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"Ja."
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"Patienten mit schwerer Demenz sind natürlich schon sehr speziell. Sie haben andere Anforderungen an den Behandlungsablauf. Man muss möglicherweise verstärkt mit den Angehörigen oder den Betreuern sprechen. Sie müssen sich mehr auf die Welt der Dementen einlassen, sie versuchen zu verstehen, und ein bisschen dort abholen, wo sie stehen."
Wie sich die Mediziner gegenüber dementiell erkrankten Menschen zu verhalten haben - in ethischer Hinsicht - darüber ist in der für Deutschland entwickelten "S3-Leitlinie Demenzen" nicht viel zu finden, kritisiert Professor Daniel Strech von der Medizinischen Hochschule Hannover. Von 31 ethischen Anforderungen, die der Wissenschaftler in der Fachliteratur gefunden hat, waren nur 17 in der deutschen Leitlinie zu finden. Das heißt, 14 wichtige ethische Gesichtspunkte im Umgang mit Demenzpatienten fehlten. Daniel Strech:
"So zum Beispiel eine genauere Angabe, wie man mit Zwangsbehandlungen umgehen sollte, die sich in verschiedenen Situationen stellen können. Es kann sein, dass ein Demenzpatient selbstverletzende Tendenzen hat oder vielleicht fremdgefährdende Tendenzen hat, was manchmal dazu führen kann, dass Ärzte, Pflegepersonal, Angehörige vor Entscheidungen stehen, jemanden auch in seinem Freiraum zu beschränken."
Keine Angaben macht die "S3-Leitlinie Demenz" auch bei der Frage, wie mit einer versteckten Medikamentengabe oder mit Lebensmüdigkeit umgegangen werden soll. International gesehen liegt deutsche Leitlinie, bezogen auf ethische Gesichtspunkte, im Mittelfeld. In der Schweiz zum Beispiel werden nur 22 Prozent der 31 ethischen Anforderungen aufgegriffen, in den USA immerhin 77 Prozent. 100 Prozent gibt es nirgendwo. Das Manko aller Leitlinien besteht darin, so Professor Strech, dass ethische Aspekte überhaupt nicht genannt werden müssen:
"Diese Institutionen, die einem dabei helfen, Leitlinien zu entwickeln, die gibt es ja nicht nur in Deutschland, die gibt es weltweit, die geben in der Regel Handbücher heraus, Manuale, wie man Leitlinien entwickelt. Und dort steht eigentlich weltweit in all diesen Manualen nirgendwo drin, dass man ethische Aspekte in solchen Leitlinien per se berücksichtigen sollte. Von daher haben wir dann gedacht: Wenn das in den Manualen nicht drinsteht, interessiert uns trotzdem, ob das die Leitlinien dann machen."
In Deutschland werden Leitlinienprogramme von der "Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften" - AWMF - koordiniert. Eine "S3 Leitlinie" steht dabei in der Hierarchie der Leitlinien ganz oben, weil sie unter anderem auch Logik-, Entscheidungs- und Outcome-Analysen enthält und regelmäßig überprüft wird. 70 Prozent der Leitlinien in Deutschland haben dagegen nur S1-Niveau. Damit künftig mehr ethische Aspekte in die Leitlinien einfließen, plant Professor Strech nun einen internationalen Workshop. Für ihn ist die Diskussion überfällig:
"Zum Beispiel könnte es sein, dass sich so eine Leitliniengruppe, die sich aus verschiedenen Professionen zusammensetzt, und auch Patientenvertreter mit involviert und Angehörigenvertreter, dass die zu dem Schluss kommt, ein sehr klares Veto auszusprechen, dass man verdeckte Medikamentengabe nicht in der Praxis umgesetzt sehen möchte. Und dann werden vielleicht die Personen, die sich in der Praxis mit solchen Herausforderungen konfrontiert sehen und mit dem Gedanken spielen, vielleicht auch eine verdeckte Medikamentengabe anzuwenden, vielleicht sich auch an diesen Gründen selber auch orientieren können und sagen: Jetzt ist mir klar, warum ich es nicht tue oder warum ich es vielleicht dennoch tue. Aber das würde natürlich den Entscheidungsprozess verbessern."
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