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Mangelware im Periodensystem

Geowissenschaften. - Viele Hightech-Konsumgüter der modernen Gesellschaft kommen nicht ohne die Elemente der Seltenen Erden aus, für die China derzeit nahezu ein Produktionsmonopol besitzt. Auf dem Frühjahrstreffen der Amerikanischen Physikalischem Gesellschaft, das derzeit in Dallas läuft, wurde eine Studie vorgestellt, wie man dieser Situation begegnen kann.

Von Jan Lublinski | 24.03.2011
    China dominiert den Weltmarkt für so genannte Seltene Erden: spezielle Elemente, die sich weit unten im Periodensystem befinden. Zer, Praesodym, Neodym, Europium oder Ytterbium zählen dazu, Stoffe, die in geringen Mengen zum Beispiel für Windturbinen, Energiesparlampen und Spezialbatterien benötigt werden. 95 Prozent dieser Elemente werden in China gefördert. Als die Regierung dort angekündigte, die Seltenen Erden überwiegend für sich behalten zu wollen, kam es in den USA zu einigem Aktionismus.

    "Im Kongress sind Gesetzesentwürfe mit sehr radikalen Vorschlägen diskutiert worden: Es wurde gefordert, Rohstoffreserven anzulegen und staatliche Kreditgarantien bereitzustellen. Ökonomische Interventionen also, auf die man nur in sehr kritischen Situationen zurückgreift. Ich denke, dass die Leute die Komplexität dieses Themas nicht ganz erfasst haben. Sie verstehen nicht, dass man diese Probleme auch mit wesentlich weniger radikalen Maßnahmen lösen kann."

    Robert Jaffe, Physiker am MIT in Boston und Koordinator einer neuen Studie zu sogenannten "energiekritischen" Elementen, die von der Amerikanischen Physikalischen Gesellschaft und der Gesellschaft der Materialforscher in Auftrag gegeben worden war. Unter "energiekritischen" Elementen versteht er solche Stoffe, die für die Energieversorgung der Zukunft wichtig sind. Dazu zählen neben den Seltenen Erden auch Lithium für die Batterien von Elektroautos, Platin für Katalysatoren und Germanium für Solarzellen, um nur einige zu nennen. Statt Hamsterkäufen empfehlen Jaffe und Kollegen verstärkte Investitionen in Recycling, sowie Forschung mit dem Ziel, Ersatzstoffe zu finden.

    Ein Beispiel für die erfolgreiche Suche nach Ersatz ist das Element Rhenium. Es wird unter anderem zum Härten von Turbinenschaufeln benutzt. Als dieses Material über die Jahre immer teurer wurde, reagierte das US-Unternehmen General Electric mit verstärkten Forschungsanstrengungen. Es fand eine neue Methode zur Härtung von Turbinenschaufeln, die ohne Rhenium auskam. Andere Unternehmen, die eher darauf gesetzt hatten, Rhenium zu horten, hatten am Ende Nachteile im Wettbewerb.

    Tom Graedel Geophysiker von der Universität Yale und einer der Koautoren der neuen Studie, betont außerdem, dass auch die Chinesen auf Lieferungen aus anderen Ländern angewiesen sind.

    "China muss, wie alle anderen Länder auch, chemische Elemente für Solarzellen importieren: Selen, Tellur, Indium - diese gehören nicht zu den Seltenen Erden, die China fördert, wohl aber zu den energiekritischen Elementen. Insgesamt haben wir es hier mit einer weltweiten Abhängigkeit zu tun. Kein Land kann sich selbst mit sämtlichen Rohstoffen versorgen. Viele moderne Technologien sind heute nur über eine weltweite Kooperation möglich. Und dieser Umstand sollte eigentlich einen Beitrag zur globalen Stabilität leisten."

    Auch im Spezialmarkt der Seltenen Erden, der derzeit von den Chinesen kontrolliert wird, gehen bereits neue Wettbewerber an den Start: In Kalifornien und auch in Australien werden Minen eröffnet, mit dem Ziel, bereits im kommenden Jahr Seltene Erden zu fördern. Die Rohstoffunternehmen weltweit reagieren also auf das Monopol der Chinesen. Robert Jaffe erwartet hier – zumindest kurz und mittelfristig - keine dramatischen Lieferengpässe.

    "Wenn wir weltweit Energiesysteme auf großen Skalen planen, wie Windparks und Solaranlagen, dann könnte die Situation tatsächlich irgendwann kritisch werden, denn dann bräuchten wir große Mengen dieser Spezialmaterialien. Und es wäre schlimm, wenn diese revolutionären Technologien gebremst würden, nur weil uns die geeigneten Stoffe fehlen."

    Es ist also die langfristige Versorgung mit energiekritischen Elementen, die zu einem ernsten Problem werden könnte. Tom Graedel und die anderen Autoren der Studie fordern darum auch, diese Spezialmärkte durch staatliche Informationssysteme transparenter zu machen.

    "Die seltenen Elemente werden meist nebenbei produziert, etwa in den Zinkminen. Und sie werden nicht auf den Finanzmärkten gehandelt – sondern nur von den Produzenten direkt verkauft. Die Preise, die hier gezahlt werden, sind nicht öffentlich. Leider wissen wir noch viel zu wenig über die Förderung und die Lebenszyklen dieser Materialien."