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Manhattans Frauenoase

Für ein Auslandspraktikum ist New York ist immer noch eine der besten Städte der Welt - aber leider auch eine der teuersten. Allein für die Unterkunft können dabei locker 1.500 Euro pro Monat draufgehen. Eine preisgünstigere Alternative für Frauen bieten die "Webster Apartments" mitten in Manhattan, und die Traditionen aus 80 Jahren gibt's noch dazu.

    Ein Beitrag von Anette Kiefer

    Ich bin seit einem halben Jahr hier und ich hatte einige Freunde und Bekannte, die hier allein hergekommen sind und dann in ihren Wohnungen saßen, irgendwo in Queens. Es ist relativ schwierig, in einem Umfeld wie New York Leute zu treffen...

    Caroline Weingart aus Bayern lebt im New Yorker Webster-Apartmenthaus, das nach eigener Auskunft eine "Oase für Frauen" bieten will. Und mit ihr wohnen hier fast 400 andere Frauen aus der ganzen Welt, die für ein paar Wochen oder Monate zu Karrierezwecken allein in New York sind. Sie arbeiten zum Beispiel für die UN, bei Reiseveranstaltern, machen Praktika bei Rechtsanwälten und Ballettschulen oder Sommerkurse an der Uni. Weil die meisten von ihnen höchstens Ende 20 sind, gibt es im Webster den Familienanschluss gleich dazu, erzählt die Rechtsanwaltsgehilfin Steffi Seib aus Hamburg.

    Wenn man abends nach Hause kommt, und es ist wie eine Familie, wo du dich dann an den Tisch setzt und dann zwei Stunden erst mal klönst und erzählst, wie denn der Tag war.... also ich finde das total klasse, wie man hier zusammenhält.

    Eine riesige amerikanische Flagge über der Eingangstür, im Erdgeschoss ein eleganter Empfangsbereich und gleich nebenan der altehrwürdige Bibliothekraum mit Ledersofas und offenem Kamin: Seit 80 Jahren steht das imposante rote Backsteingebäude nun schon mitten in Manhattan, nur einen Steinwurf vom Empire State Building entfernt. Trotzdem ist das Webster noch immer ein Geheimtipp. Eigentlich unglaublich bei diesen Preisen: Etwa 210 Dollar kostet ein Einzelzimmer pro Woche, inklusive Zimmermädchen und zwei warmen Mahlzeiten am Tag - für New Yorker Verhältnisse fast geschenkt.

    Gratis sind auch der atemberaubende Blick von der Dachterrasse auf den Hudson und das mittlere Manhattan sowie der wunderschöne Blumengarten im großen Hinterhof. Dafür muss man sich allerdings erst mal etwas umhören, bevor man vom Webster erfährt. Zum Beispiel bei anderen Karrierefrauen und Ex-Webster-Bewohnerinnen. Die jungen Frauen berichten:

    Ich bin seit sieben Wochen hier und hab den Tipp gekriegt von einer Freundin meiner Freundin, die letztes Jahr drei Monate hier gewohnt hat. Na gut, es ist halt alt, aber ich finde es nicht schrottig. Ich bin zufrieden.

    Also ich hab von einer Kollegin davon erfahren, die mir das empfohlen hat. Und ich hab mir verschiedene Sachen damals angeschaut, und das war vergleichsweise - zu dem Preis und zu dem was es bietet - das beste. Ich glaub, wenn man in Manhattan wohnen will, ist es relativ schwierig, was Besseres zu finden.

    Ich hab' übers Internet davon erfahren. Und dachte, das sieht ganz gut aus, und es ist wirklich so, wie es auf den Bildern aussieht. Und es ist sauber.

    Auch nach acht Jahrzehnten gelten im Webster für alle karrierebewussten Bewohnerinnen immer noch die gleichen Verhaltensregeln wie damals für ihre Vorgängerinnen, bei der Gründung 1923. Einige Vorschriften wirken heute mächtig angestaubt. Zum Beispiel die berühmteste Regel: Alle Besucher müssen bei den Empfangsdamen angemeldet werden und Männer dürfen nur dann auf einen kurzen Besuch zu den Frauenzimmern hochgehen, wenn Webster-Angestellte sie begleiten, erzählt Mandy Schmitter, die für ein halbes Jahr beim Modehaus Escada arbeitet.

    Als meine Eltern da waren, wurde meinem Papa am Anfang gesagt, er dürfte nicht auf meinen Gang kommen, weil er ja ein Mann sei und das ist dann schon ein bisschen absurd.

    Auch Caroline hat ähnliche Erfahrungen gemacht:

    Ich hatte einmal vergessen, jemanden auszutragen und ich hatte dann am nächsten Morgen um sieben Uhr eine der Aufseherinnen bei mir vor der Tür stehen, weil die dachte, dass sich mein Besuch noch in meinem Zimmer rumtreibt, was absolut strikt verboten ist.

    Manchmal ist es schon ein bisschen wunderlich, wofür es hier alles Regeln gibt, aber man gewöhnt sich ganz gut dran und es ist nicht so, dass ich mich dadurch eingeschränkt fühle.

    Das Fazit der Mädels über das Webster lautet deshalb: unbedingt empfehlenswert. Auch wegen des guten Sicherheitsfaktors. Denn dass der Security-Mann an der Tür genau aufpasst, wer ins Haus darf und wer nicht, ist gerade in New York viel wert. Wenn auch die Kriminalitätsrate in den vergangenen Jahren stark zurückgegangen ist, liegen die Zahlen doch immer noch über dem deutschen Niveau. Das weiß auch Mandy:

    Angst durch die Straßen zu laufen hab ich auch nicht, aber man sollte schon gewisse Regeln beachten. Also wie man sich auch zu Hause verhält, dass man nicht abends in abgelegene Gegenden läuft oder durch dunkle Ecken. Wenn man sich so verhält wie zu Hause, dann muss man sich nicht unsicher fühlen. Aber man sollte es nicht drauf anlegen.

    Ich hab mich noch nie irgendwo unsicher gefühlt, und dadurch dass wir mitten in der Stadt wohnen, auf einer Straße wo immer was los ist und wo immer Leute sind, hier fühle ich mich überhaupt nicht unsicher; und das ist sicher auch ein Vorteil am Webster: dadurch dass man oft mit Leuten unterwegs ist, die auch hier wohnen, ist man meistens in der Gruppe, wenn man abends weggeht.