Ein Bestseller war das Buch "Der Judenstaat" wahrhaftig nicht. Als das schmale Bändchen im Jahr 1896 in einer Auflage von nur 3000 Exemplaren erschien, löste es fast überall Spott und Ablehnung aus. Der Wiener Journalist und Dramatiker Theodor Herzl hatte es unter dem Eindruck der Dreyfus-Affäre in Paris geschrieben. Alfred Dreyfus war ein jüdischer Offizier in der französischen Armee, der zu Unrecht des Hochverrats beschuldig wurde. Herzl, der den Prozess für eine Wiener Zeitung verfolgte, wurde Zeuge der antisemitischen Ausschreitungen in Paris, als der Pöbel in den Straßen "Tod den Juden" skandierte. Schon vorher hatte er sich intensiv mit dem überall in Europa erwachenden Antisemitismus auseinandergesetzt. Nun aber wurde ihm klar, dass nur ein eigener jüdischer Staat dem Antisemitismus den Boden entziehen und den Juden Sicherheit verschaffen würde. In seiner Schrift "Der Judenstaat" schrieb er:
"Wir haben überall ehrlich versucht, in der uns umgebenden Volksgemeinschaft unterzugehen und nur den Glauben unserer Väter zu bewahren. Man lässt es nicht zu. Vergebens sind wir treue und an manchen Orten sogar überschwengliche Patrioten, vergebens bringen wir dieselben Opfer an Gut und Blut wie unsere Mitbürger, vergebens bemühen wir uns den Ruhm unserer Vaterländer in Künsten und Wissenschaften, ihren Reichtum durch Handel und Verkehr zu erhöhen. In unseren Vaterländern, in denen wir ja auch schon seit Jahrhunderten wohnen, werden wir als Fremdlinge ausgeschrien."
Nur in ihrem eigenen souveränen Staat wären die Juden vor Verfolgung sicher, so Herzl. Dabei war anfänglich nicht klar, wo dieser jüdische Staat entstehen sollte, in Argentinien oder Palästina. Selbst Ostafrika war zeitweise im Gespräch.
Das Büchlein "Der Judenstaat" war eine fast technokratische Abhandlung, eine Art Blaupause, wie die Auswanderung der Juden und ihr Leben im neuen Staat zu organisieren sei. Eine Society of Jews sollte die Umsiedlung der Juden in die Tat umsetzen und eine Jewish Company die wirtschaftlichen Grundlagen für den neuen Nationalstaat schaffen. Bis ins kleinste Detail entwickelte Herzl seine Überlegungen. Wie die Wohnungen der Arbeiter aussehen sollten, wie lange ein Arbeitstag sein würde, wie das Geld beschafft werden sollte. Sogar über die Sprache, die die Juden in der neuen Heimat sprechen würden, machte er sich Gedanken.
""Vielleicht denkt jemand, es werde eine Schwierigkeit sein, dass wir keine gemeinsame Sprache mehr haben. Wir können doch nicht Hebräisch miteinander reden. Wer von uns weiß schon genug Hebräisch, um in dieser Sprache ein Bahnbillett zu verlangen?"
Dabei schwebte Herzl kein religiöser Staat vor. Er selbst entstammte einem assimilierten und liberal eingestellten Elternhaus. Die Religion spielte für ihn daher eine eher symbolische Rolle.
"Werden wir also am Ende eine Theokratie haben? Nein! Der Glaube hält uns zusammen, die Wissenschaft macht uns frei.... Heer und Klerus sollen so hoch geehrt werden, wie es ihre schönen Funktionen erfordern und verdienen. In den Staat, der sie auszeichnet, haben sie nichts dreinzureden, denn sie werden innere und äußere Schwierigkeiten heraufbeschwören."
Herzls Schrift stieß bei den westeuropäischen Juden zwar zunächst nicht auf große Begeisterung, aber sie machte ihn weithin bekannt und sicherte ihm bis zu seinem Tod eine führende Position in der europäischen Judenheit. Unermüdlich arbeitete er weiter an der Umsetzung seiner Vision. Im Jahr 1897 berief er in Basel den Ersten Zionistischen Kongress ein. Rund 200 Teilnehmer folgten dem Ruf. Herzl wurde, wie er in seinem Tagebuch notierte, wie ein König gefeiert. Und er empfand sich auch selbst als Staatsgründer.
"Fasse ich den Baseler Congress in ein Wort zusammen - das ich mich hüten werde, öffentlich auszusprechen - so ist es dieses: in Basel habe ich den Judenstaat gegründet. Wenn ich das heute laut sagte, würde mir ein universelles Gelächter antworten. Vielleicht in fünf Jahren, vielleicht in fünfzig wird es jeder einsehen."
Fünfzigeinhalb Jahre nach diesem Tag, am 14. Mai 1948, wurde der Staat Israel gegründet. Herzl selbst erlebte die ersten Erfolge des Zionismus nicht mehr. Er starb im Alter von nur 44 Jahren im Jahr 1904.
1949 wurde sein Leichnam nach Jerusalem überführt und dort bestattet. Obwohl Herzl nicht der erste Zionist war, wird er, der Autor des "Judenstaats" in Israel bis heute als "Chozeh hamedina" als Visionär des Staates verehrt.
Theodor Herzl: Der Judenstaat
Manesse Verlag, München
117 Seiten, 16,90 Euro
"Wir haben überall ehrlich versucht, in der uns umgebenden Volksgemeinschaft unterzugehen und nur den Glauben unserer Väter zu bewahren. Man lässt es nicht zu. Vergebens sind wir treue und an manchen Orten sogar überschwengliche Patrioten, vergebens bringen wir dieselben Opfer an Gut und Blut wie unsere Mitbürger, vergebens bemühen wir uns den Ruhm unserer Vaterländer in Künsten und Wissenschaften, ihren Reichtum durch Handel und Verkehr zu erhöhen. In unseren Vaterländern, in denen wir ja auch schon seit Jahrhunderten wohnen, werden wir als Fremdlinge ausgeschrien."
Nur in ihrem eigenen souveränen Staat wären die Juden vor Verfolgung sicher, so Herzl. Dabei war anfänglich nicht klar, wo dieser jüdische Staat entstehen sollte, in Argentinien oder Palästina. Selbst Ostafrika war zeitweise im Gespräch.
Das Büchlein "Der Judenstaat" war eine fast technokratische Abhandlung, eine Art Blaupause, wie die Auswanderung der Juden und ihr Leben im neuen Staat zu organisieren sei. Eine Society of Jews sollte die Umsiedlung der Juden in die Tat umsetzen und eine Jewish Company die wirtschaftlichen Grundlagen für den neuen Nationalstaat schaffen. Bis ins kleinste Detail entwickelte Herzl seine Überlegungen. Wie die Wohnungen der Arbeiter aussehen sollten, wie lange ein Arbeitstag sein würde, wie das Geld beschafft werden sollte. Sogar über die Sprache, die die Juden in der neuen Heimat sprechen würden, machte er sich Gedanken.
""Vielleicht denkt jemand, es werde eine Schwierigkeit sein, dass wir keine gemeinsame Sprache mehr haben. Wir können doch nicht Hebräisch miteinander reden. Wer von uns weiß schon genug Hebräisch, um in dieser Sprache ein Bahnbillett zu verlangen?"
Dabei schwebte Herzl kein religiöser Staat vor. Er selbst entstammte einem assimilierten und liberal eingestellten Elternhaus. Die Religion spielte für ihn daher eine eher symbolische Rolle.
"Werden wir also am Ende eine Theokratie haben? Nein! Der Glaube hält uns zusammen, die Wissenschaft macht uns frei.... Heer und Klerus sollen so hoch geehrt werden, wie es ihre schönen Funktionen erfordern und verdienen. In den Staat, der sie auszeichnet, haben sie nichts dreinzureden, denn sie werden innere und äußere Schwierigkeiten heraufbeschwören."
Herzls Schrift stieß bei den westeuropäischen Juden zwar zunächst nicht auf große Begeisterung, aber sie machte ihn weithin bekannt und sicherte ihm bis zu seinem Tod eine führende Position in der europäischen Judenheit. Unermüdlich arbeitete er weiter an der Umsetzung seiner Vision. Im Jahr 1897 berief er in Basel den Ersten Zionistischen Kongress ein. Rund 200 Teilnehmer folgten dem Ruf. Herzl wurde, wie er in seinem Tagebuch notierte, wie ein König gefeiert. Und er empfand sich auch selbst als Staatsgründer.
"Fasse ich den Baseler Congress in ein Wort zusammen - das ich mich hüten werde, öffentlich auszusprechen - so ist es dieses: in Basel habe ich den Judenstaat gegründet. Wenn ich das heute laut sagte, würde mir ein universelles Gelächter antworten. Vielleicht in fünf Jahren, vielleicht in fünfzig wird es jeder einsehen."
Fünfzigeinhalb Jahre nach diesem Tag, am 14. Mai 1948, wurde der Staat Israel gegründet. Herzl selbst erlebte die ersten Erfolge des Zionismus nicht mehr. Er starb im Alter von nur 44 Jahren im Jahr 1904.
1949 wurde sein Leichnam nach Jerusalem überführt und dort bestattet. Obwohl Herzl nicht der erste Zionist war, wird er, der Autor des "Judenstaats" in Israel bis heute als "Chozeh hamedina" als Visionär des Staates verehrt.
Theodor Herzl: Der Judenstaat
Manesse Verlag, München
117 Seiten, 16,90 Euro