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Manipulierte Fotos ohne Computer

Das Retuschieren ist inzwischen zu einem Volkssport geworden – durch Computerbildbearbeitungsprogramme. Das geht jedoch auch händisch. Die Ausstellung "Faking It" im New Yorker Museum of Metropolitan Art zeigt bearbeitete Fotos aus der Zeit ohne Computer.

Von Sacha Verna |
    "Die Kamera ist ein unverbesserlicher Lügner; man braucht sich nur die Täuschungsmethode auszusuchen", sagte der surrealistische Fotograf Angus McBean einmal.

    "Die Lust an der Manipulation gehöre seit ihren Anfängen Mitte des vorletzten Jahrhunderts zur Fotografie", sagt die Kuratorin Mia Fineman.

    Zunächst wollte man den Bildern die Farbe geben, die ihnen fehlte und kolorierte sie mit der gesamten Palette, die Malern zur Verfügung stand.

    "Später, im 20. Jahrhundert war das mit dem Aufkommen des Farbfilms nicht mehr nötig. Dafür begann man, Fotografien aus politischen Gründen zu manipulieren, zu Propagandazwecken. Oder um Leute und Landschaften schöner aussehen zu lassen. Mit der Trickfotografie wollte man das Publikum amüsieren, oder man zeigte Dinge, die gar nicht existierten - Geister etwa, Träume, Fantasien oder Ängste."

    Mia Fineman hat für die Ausstellung im Metropolitan Museum rund 200 Beispiele versammelt, die die Fotografie als Medium des trügenden Scheins aufs Schönste illustrieren: Da jonglieren Männer ihre eigenen Häupter und werden Leute in der Gesellschaft von Stalin je nach Bildversion vom Erdboden verschluckt. Da üben sich die Piktorialisten im Weichzeichnen wie Edward Steichen in seinem berühmten Porträt von Auguste Rodin.

    Das Vertrauen der Betrachter in Fotografien als unverfälschte Abbildungen der Wirklichkeit war Schwankungen unterworfen. Gestärkt wurde es im frühen 20. Jahrhundert, als die Presse- und die Dokumentarfotografie mit den Massenmedien Verbreitung fanden. Dabei war Authentizität damals noch ein sehr weiter Begriff:

    "Zeitungen zeigten immer wieder Szenen, die gar nicht fotografiert werden konnten. Das Innere einer Todeskammer zum Beispiel, wo keine Kameras erlaubt waren. Oder Ereignisse, die in der Zukunft passieren würden."

    So brachte eine Agentur 1936 Bilder von der Hinrichtung Bruno Richard Hauptmanns in Umlauf, des Entführers des Lindbergh-Babys. Jede Menge Abnehmer fand dieselbe Agentur auch für das Foto des Zeppelins, der am Empire State Building andockt.

    "Spätestens seit dem Postmodernismus der 1980er Jahre und der Einführung der digitalen Bildbearbeitung stünden die Leute dem Wahrheitsgehalt von Fotografien jedoch wieder skeptisch gegenüber", sagt Mia Finemann.

    "Faking It" endet noch vor Photoshop und den Adobe Systems, mit denen das Retuschieren zum Volksport geworden ist. In einer Montage von Frank Majore von 1987 regnet es riesige Spielkarten auf das nächtliche New York. Daneben verleiht Kathy Grove in ihrer "The Other Series" der frühen 1990er-Jahre berühmten Fotografien ihren eigenen Touch, indem sie etwa Man Rays weiße Dame mit dem Cello-Rücken zur Schwarzen macht.

    Diese reichhaltige und gelungene Ausstellung zeigt viel Ungesehenes und beweist vor allem eines: Fotografie ist nicht immer Kunst, aber immer künstlich.

    Metropolitan Museum: "Faking It: Manipulated Photography Before Photoshop". Bis 27. Januar 1913.