Freitag, 26. April 2024

Archiv


Manische Sammler

Abseits vom Massentourismus um San Marco und Rialto gibt es in Venedig ein neues Museum zu entdecken: das Museo Grimani. Schon im 16. Jahrhundert galt das Haus als Sehenswürdigkeit. Dem Sammler Giovanni Grimani wurde ein fieberhaftes Verlangen, Besitztümer anzuhäufen, nachgesagt. Der Palazzo Grimani ist nun auch für die Öffentlichkeit geöffnet.

Von Sigrid Nebelung | 08.03.2009
    Von außen wirkt der Palast an Campo S. Maria Formosa eher unscheinbar. Betritt man aber den Innenhof und steigt hinauf ins Piano Nobile, eröffnet sich eine neue Welt. Schon die monumentale Treppe mit der festlichen Stuckdekoration von Federico Zuccari orientiert sich nicht an venezianischen, sondern an antiken römischen Vorbildern.

    Die Grimani, besonders der Kardinal Domenico, ein Intellektueller von Rang, und sein Neffe Giovanni, waren manische Sammler. Sie besaßen eine bedeutende Antikensammlung, dazu 450 Gemälde als typische Avantgarde-Sammlung der Zeit - mit Giorgione und Tizian, aber auch Hieronymos Bosch, und eine einzigartige Bibliothek mit über 15.000 Bänden.

    Palazzo Grimani galt schon im 16. Jahrhundert als Sehenswürdigkeit. Frankreichs König Heinrich III., Adel und Geistesgrößen machten hier Station. Ein Chronist schreibt: "Giovanni Grimani ist von unersättlicher Besitzgier, das fieberhafte Verlangen, Besitztümer anzuhäufen, ist sein privates Laster." Doch mit der Schenkung der Antikensammlung an die Republik Venedig wird das Laster zur Tugend.

    Einzige Bedingung Giovannis ist ein angemessener Ausstellungsort. Im Vorsaal der Bibliothek an San Marco entsteht aus der Schenkung Grimani das erste Antikmuseum in Europa, das allen Besuchern offen steht.

    Was nicht ins Museum gelangte, wurde von den Grimani-Erben im Laufe der Jahrhunderte verscherbelt. Der Palast ging 1959 in den Besitz der Firma Olivetti über. Als Olivettis Stern verblasste, besann sich das italienische Kulturministerium und kaufte den Palast 1981. Die Restauration erstreckte sich über 20 Jahre.

    Wolfgang Wolters, Professor für Kunstgeschichte an der TU Berlin, inzwischen emeritiert, hat sich schon früh für die Rettung von Palazzo Grimani engagiert. Wie sah der Palast damals aus?

    "Teile der Decke lagen auf dem Boden, andere Decken hingen durch und jeder, der nicht ein Spezialist für solche Maßnahmen ist, musste überzeugt sein, dass ein vernünftiger Restauro fast unmöglich sein würde. Das Ergebnis sehen wir: Besser kann man es nicht machen, da sind sich alle, die etwas davon verstehen, einig. Und ich gehe noch weiter zu behaupten, dass diese Restaurierungsmaßnahme hier ein Modell sein kann für die Art und Weise, wie man mit Resten historischer Substanz, wie wir sagen, also Resten von Wandmalereien, Fußböden und so weiter, umgehen kann, ohne sofort in das jetzt in Deutschland etwa so modische Kopieren oder historisierendes Arbeiten zu verfallen."

    Das Herzstück von Palazzo Grimani ist die sogenannte Tribuna, eine Wunderkammer der Antike.

    Für die Grimani war sie mehr, ein "Tempel der Ewigkeit". Wenn jetzt auch keine Antiken die "Tribuna" mehr zieren - sie war für die Aufnahme von über 130 Skulpturen mit Nischen und Sockeln präpariert - wird der Betrachter von den perspektivischen und bühnenhaften Effekten überwältigt. Mit Oberlicht versehen, bietet dieser Raum eine Lichtsituation, wie sie sonst nur in Sakralräumen zu finden ist.

    Der Plan war, das Antikenmuseum vom Markusplatz in den restaurierten Palazzo Grimani zurückzuholen. Es wurde anders entschieden: Kein Umzug, nur der marmorne "Ganymed", von Jupiter in Gestalt eines Adlers geraubt, ist zurückgekehrt und schwebt in der Kuppel wie vor 500 Jahren.

    In einem der schönsten von insgesamt zehn weiteren Räumen hat Camillo Mantovano in die Deckenwölbung souverän eine paradiesische Laube gemalt. Pflaumen, Wein und Granatäpfel reifen im Geäst, dazu Neuentdeckungen aus Amerika wie Mais- und Tabakpflanzen, zu denen sich exotische Tiere gesellen.

    Doch die meisten Wandmalereien im Palazzo Grimani sind nur fragmentarisch erhalten. Ihre Altersspuren werden nicht verleugnet. Die Anhänger lückenloser Rekonstruktion müssen umlernen.

    "Es gibt einen anderen Ort, wo ich seit Jahren beobachte, was vor sich geht: Das ist das Neue Museum in Berlin. Das große Projekt von David Chipperfield. Und auch dort wird genauso gearbeitet wie hier: Fragmente werden als Fragmente gezeigt. Es ist die gleiche Denkweise und es vielleicht kein Zufall, dass die Mitarbeiter von David Chipperfield hier als Besucher im Palazzi Grimani waren und sich angeschaut haben, wie die Kollegen in Venedig vergleichbar schwierige Dinge lösen. Und so gibt es sogar einen Bogen zwischen dem Museum Grimani zum Neuen Museum in Berlin."