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Mann mit Hund

In der Nacht zum 14. Januar 2005 wurde der Modemacher Rudolph Moshammer in seinem Münchner Haus von einem Strichjungen mit einem Kabel erdrosselt. Die Neuköllner Oper in Berlin hat ein Musiktheater über das Gesellschafts-Kunstwerk Moshammer auf die Bühne gebracht. Das Stück ist beachtenswert, wenn auch keine tiefer schürfend Zeitstudie.

Von Georg-Friedrich Kühn |
    Ein Kunstwerk, was sonst ist dieser Auf-Schneider aus München? Aber keines von ewiger Dauer, wie er ahnt. Was mit ihm wird, will er wissen zu Beginn von einer Wahrsagerin. Aber die hat keine guten Nachrichten für den Herren-Schneider aus München.

    Moosgrün ist er angezogen, der Mosi, wenn er aufsteigt aus seinem Bett, das mit gerefften Gardinen aussieht wie die Laderampe eines Leichenwagens. Und bald findet man ihn auch auf dem Sarkophag seines Alter Ego. In dessen Gruft beschwört dieser "Ludwig", wie Moshammer hier heißt, den Bayernkönig Ludwig II., nach dessen schwarzer Haarpracht er sich mit Hund Daisy als Zepter drapierte und als Kunstfigur so gern selbst inszenierte.

    "Moshammeroper" nennen Librettist Ralph Hammerthaler und Komponist Bruno Nellissen ihr anderthalbstündiges Werk über den im Januar 2005 erdrosselt in seiner Grünwalder Wohnung aufgefundenen selbsternannten "Märchenkönig". In elf Bildern werden Motive aus seinem Leben imaginiert, etwa wie die Klatschreporterin Klette, die bei Schampus mit Weißwurst und Einkaufstüte ihrem im doppelten Sinn Stoff-Lieferanten auflauert oder ihm hinterherhechelt. Oder wie der Strichjunge, der eigentlich lieber die Möse einer Frau bedienen will, scharf ist auf Mosis Scheinchen und ihn versetzt. Oder wie die feine Gesellschaft insgesamt seine immer neuen Selbstinszenierungen liebt und ihn zugleich verachtet.

    Von Robert Lehmeier ist das gekonnt in Szene gesetzt. Das Publikum wird in Markus Meyers Bühne atriumartig gruppiert um einen geschwungenen roten Laufsteg. Ganz in der Mitte sitzt das von Frank Zacher geleitete fünfköpfige Musikerensemble mit Streichquartett und Trompete. Die meist gestopfte Trompete begleitet sinnig zumal Moshammers Auftritte. Angespielt wird damit auch auf, seinem Leitbild Ludwig folgend, Moshammers Wagner-Verehrung. Immer mal wieder erklingt das Walküren-Motiv.

    Auf der Bühne spielen Szenen wie die Ludwig-Beschwörung in der Gruft oder ein Besuch im mehr und mehr verwaisten Modeatelier des ja als Schneider auch nur dilettierenden Moshammer: er im Rollstuhl mit dem Wollknäuel Daisy im Arm, das auch schon mal als Fliegenklatsche an die Wand geworfen wird.

    Gegenüber der Bühne das Leichenwagen-artige Bett des Schneiders. Seine Nekrophilie rührt wohl aus der vita seines Vaters, der durch Suff vom Versicherungsdirektor abstieg, auf der Straße landete und schließlich im Selbstmord endete, und Moshammers Versuch, durch Geldgeschenke an Penner sich vor einem gleichen Schicksal zu bewahren. Eine tiefer schürfende Zeitstudie ist das nicht. Aber doch ein Versuch, mit den Mitteln des Musiktheaters ein bisschen an den Medien-Mechanismen dieser Gesellschaft zu kratzen. Gnadenlos lässt die - sobald sie ihrer überdrüssig wird - diejenigen wieder abstürzen, die sie zuvor aufgebaut hat; dabei haben die sich ja nur ihrer Verlockungen bedient.

    Und das junge fünfköpfige Sänger-Ensemble - mit zumal Hubert Wild als Moshammer und Leigh Adoff als Klatschkolumnistin Klette - bringt diese Figuren auch überzeugend auf den Catwalk. Ein schöner Erfolg ist diese dank des Sponsoring eines lokalen Energieversorgers möglich gewordene Uraufführung für die ansonsten um Adaptionen von Opern, Operetten und Musicals fürs kleine Budget bemühte "Neuköllner (Kiez-) Oper".