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"Mann Sieber!"
Politische Late-Night-Comedy im ZDF

Für Comedy-Freunde ist die Dienstagnacht im ZDF seit Langem eine Gelegenheit, sich mit der Tüte Chips in der Hand aufs Sofa zu setzen und sich mal mehr, mal weniger bissig unterhalten zu lassen. Mal läuft "Die Anstalt", mal "Pelzig" – und jetzt, seit gestern: "Mann, Sieber!"

Von Elmar Krämer |
    "Hallo Hella, hast Du Lust, heute Abend Gast zu sein bei 'Mann, Sieber!'? Zwei Männer, das ist mir zu schwul."
    Erst ein szenischer Vorfilm, dann das Studio: Unverputzte Backsteinwände, eine leuchtend umrandete Video-Leinwand, ein freundliches Ambiente und ein äußerst geneigt scheinendes Studiopublikum – im ersten Moment könnte man denken, einen anderen Sender eingeschaltet zu haben:
    "Herzlich willkommen zu 'Mann, Sieber!'"
    Doch der richtige Sender, denn es schlendert nicht Stefan Raab eine Show-Treppe hinunter, sondern zwei Herren im eleganten Zwirn betreten die Bühne. Die Stimmung ist gut:
    "Spürst Du diese Liebe im Saal? Das ist die deutsche Wilkommenskultur im Sommer 2015: Zwei völlig Fremde kommen um die Ecke und die Masse jubelt."
    Völlig fremd sind Mann und Sieber, die Köpfe der neuen "politischen Late Night Show" im ZDF nicht. Tobias Mann ist seit gut 10 Jahren auf den Kabarett-Bühnen unterwegs und "ist die geniale Personifikation von knallhartem Gesellschaftskritiker, Rächer der Politikverdrossenen und strahlendem Comedian", schrieb die Passauer Neue Presse. Ähnlich ist es bei Christoph Sieber, der seit über 20 Jahren auf der Bühne steht und "der so aberwitzig zwischen scharfsinniger, pessimistischer Situationsdiagnostik und grandios komischer Unterhaltung jongliert", schrieb die SZ.
    "Die Euphorie ist so riesig, jetzt kam es sogar zum Äußersten, Frau Merkel hat sich in die Debatte eingeschaltet – und das blitzschnell, innerhalb von einem halben Jahr."
    Mann und Sieber sind zwei Typen, die einzeln schon hohe Erwartungen wecken. Nun gibt es sie also im Doppelpack in einer halbstündigen Show im ZDF. Da muss es schnell gehen – vielleicht zu schnell.
    "Trotzdem bin ich froh, dass es Menschen wie Hans-Peter Friedrich gibt. Der Mann ist der fleischgewordene Beweis dafür, dass der Hirntod nicht das Ende sein muss."
    Ein komödiantischer, zeitweise bissiger Ballwechsel zwischen Sieber, dem Skeptiker und Mann, dem Optimisten – so wurden sie zumindest in der Pressemitteilung vorgestellt. Doch zum Ausfeilen dieser Rollen bleibt keine Zeit, denn der nächste Kalauer muss her:
    "Horst Seehofer und die Grenze zu Österreich haben eines gemeinsam: Beide sind nicht ganz dicht."
    Einmal im Monat sollen die beiden Kabarettisten aus verschiedenen Perspektiven auf das politische Weltgeschehen blicken. Visuell untermalt mit Fotokollagen auf der Video-Leinwand, die zum Beispiel die Kanzlerin in Miley-Cyrus-Pose zeigen.
    "Im arabischen Raum nimmt das ja schon religiöse Züge an, da Pilgern die schon zu Angela Mekka."
    In einem eingespielten Sketch schlüpfen Mann und Sieber dann in die Rollen von Redakteuren der Bild-Zeitung, von Spiegel und Stern:
    "Rappelvolles Flüchtlingsboot und nicht ein einziger Busenblitzer, die verstehen es einfach nicht. Große Themen müssen wir personalisieren: Der Engel von Schlauchboot Sieben, floh sie aus Liebe? Wir bräuchten einen Spiegel-typischen Ansatz. Ja, was junges Wildes vielleicht – wie wäre es mit einem Balkendiagramm? So wie Rückenleiden leicht gemacht – sollten wir nicht das Thema tauschen gegen die Flüchtlingskrise – ich hab's: Rückenkiller Flüchtlingsboot."
    Mit sichtlicher Spielfreude inszeniert und zackig geschnitten passen die Einspieler gut zum enormen Tempo der Sendung – ebenso wie der obligatorische Musikact: "MC Claus Kleber", der äußerst gekonnt geschnitten auf das Instrumental des Fantastischen-Vier-Hits "MFG" gebastelt wurde:
    "ARD, ZDF und USA, BRD, DDR, Europa ..."
    Nachgespielte Werbespots, die gewürfelte Talkshow-Vorhersage: Ideen für etliche Folgen stecken in dieser ersten Ausgabe der Show, in der Skeptiker und Optimist in der Betrachtung des politischeren Zeitgeschehens aufeinandertreffen sollen.
    Nur bräuchten sie dafür Zeit und den Mut zur Pause, denn nicht jede Lücke muss zugekalauert werden.
    "Das war die Premiere von 'Mann, Sieber!'"