Robert Musils Romanfragment beginnt, womit die nächsten Nachrichten im Deutschlandfunk enden: mit Wetter und Verkehr.
Beschrieben werden meteorologische Einzelheiten eines schönen Augusttags 1913. Auf den Straßen der Reichshauptstadt Wien rauschen die Fahrzeuge. Da passiert ein Unfall und einer bleibt liegen.
Womit wir noch nicht ganz bei Angela Merkels Wahlkampfmethoden sind, aber schon fast.
Denn im Zentrum von Musils Roman steht die so genannte "Parallelaktion". Rund um Ulrich, den Mann ohne Nachnamen, wird mit Blick aufs 70-jährige Thronjubiläum des Kaisers die "erlösende Idee" gesucht, und zwar im universalen Maßstab. Endziel ist die "große vaterländische Aktion", durchwirkt vom "Größten und Wichtigsten der Welt".
Aber die anvisierte Superidee – und jetzt haben wir Merkel inmitten der Krise, in der man nach vaterländischer Aktion und erlösenden Ideen dürstet, klar vor Augen –, die Superidee ist einfach nicht zu packen. Musil schreibt, dass sie sich "bei jedem Versuch, sie mit kalten Worten anzufassen, […] in nichts auflöst".
Die moderne Welt ist halt zerfallen, atomar gequantelt in Subjekte, Ansichten und Interessen – und wie willst du die alle befriedigen? Angie hat beredt geschwiegen und im Wahlkampf vom Recht auf politische Meinungsäußerung keinen Gebrauch gemacht.
Im Vergleich zum Richtungswahlkampf 2005 hat sich Merkel zur Frau ohne politische Eigenschaften entwickelt. Gleich Ulrich gebraucht sie ihren hellen Verstand nicht für tolle Taten, sondern als Sensorium für das, was so läuft, was angesagt ist. Die Parole wäre bei Musil zu entleihen: "Nie ist das, was man tut, entscheidend, sondern das, was man danach tut."
Ulrich wird unter all den Ideensuchern zum Medium Kakaniens, wie Österreich-Ungarn im Roman heißt, Merkel ist Deutschlands Kanzlermedium. Sie ist nicht unser fester politischer Hauptkörper, sondern der vermittelnde Stoff zwischen den politischen Körpern und Substanzen, sie ist das Fluidum.
Musil war ausdrücklich am "Gespenstigen" der Wirklichkeit interessiert. Und jetzt, wo wir sie durchschauen, muss man sagen: Merkels Wesenlosigkeits-Masche hat wahrhaft gespenstiges Niveau. Ob sie den "Mann ohne Eigenschaften" gelesen oder mit weiblicher Intuition von Ferne erfasst hat – das Entscheidende hat sie herausgefiltert: Erlösende Ideen sind nicht von dieser Welt… Sollen die anderen sich die Zähne daran ausbeißen.
Und was geht aus all dem hervor? Für Kakanien konnte Musil keine gute Prognose geben. Der ausblühende Staat, der sich – Deutschland gar nicht so ungleich – "selbst nur noch irgendwie mitmachte", wird vom kommenden Weltkrieg ausgetilgt… wovor uns die Zukunft bewahren möge.
Ulrich indessen erreicht im Privaten den "anderen Zustand". Er erlebt im Inzest mit seiner Schwester Agathe ein "wunderbares Gefühl der Entgrenzung und Grenzenlosigkeit". Warum sollte Angie als geübtes Medium so etwas nicht auch schaffen – und sogar ohne Inzest?
Wie auch immer. Noch einmal rotiert der Planet Erde um sich selbst – und wenn das unfallfrei verläuft, wie man erwarten darf, kommen die ersten Hochrechnungen.
Würde Angela Merkel dann wider Erwarten abgewählt sein, müsste sie das nicht persönlich nehmen. Robert Musil, der seinen Roman nie fertig bekam, hat erklärt: "Oft habe ich den Eindruck, dass meine geistige Kraft nachlässt, aber eher ist es wahr, dass die Problemstellung über sie hinausgeht."
Dass auch die aktuelle Problemstellung über jede Kraft hinausgeht, das werden morgen am lautesten natürlich die Wahlsieger abstreiten.
Beschrieben werden meteorologische Einzelheiten eines schönen Augusttags 1913. Auf den Straßen der Reichshauptstadt Wien rauschen die Fahrzeuge. Da passiert ein Unfall und einer bleibt liegen.
Womit wir noch nicht ganz bei Angela Merkels Wahlkampfmethoden sind, aber schon fast.
Denn im Zentrum von Musils Roman steht die so genannte "Parallelaktion". Rund um Ulrich, den Mann ohne Nachnamen, wird mit Blick aufs 70-jährige Thronjubiläum des Kaisers die "erlösende Idee" gesucht, und zwar im universalen Maßstab. Endziel ist die "große vaterländische Aktion", durchwirkt vom "Größten und Wichtigsten der Welt".
Aber die anvisierte Superidee – und jetzt haben wir Merkel inmitten der Krise, in der man nach vaterländischer Aktion und erlösenden Ideen dürstet, klar vor Augen –, die Superidee ist einfach nicht zu packen. Musil schreibt, dass sie sich "bei jedem Versuch, sie mit kalten Worten anzufassen, […] in nichts auflöst".
Die moderne Welt ist halt zerfallen, atomar gequantelt in Subjekte, Ansichten und Interessen – und wie willst du die alle befriedigen? Angie hat beredt geschwiegen und im Wahlkampf vom Recht auf politische Meinungsäußerung keinen Gebrauch gemacht.
Im Vergleich zum Richtungswahlkampf 2005 hat sich Merkel zur Frau ohne politische Eigenschaften entwickelt. Gleich Ulrich gebraucht sie ihren hellen Verstand nicht für tolle Taten, sondern als Sensorium für das, was so läuft, was angesagt ist. Die Parole wäre bei Musil zu entleihen: "Nie ist das, was man tut, entscheidend, sondern das, was man danach tut."
Ulrich wird unter all den Ideensuchern zum Medium Kakaniens, wie Österreich-Ungarn im Roman heißt, Merkel ist Deutschlands Kanzlermedium. Sie ist nicht unser fester politischer Hauptkörper, sondern der vermittelnde Stoff zwischen den politischen Körpern und Substanzen, sie ist das Fluidum.
Musil war ausdrücklich am "Gespenstigen" der Wirklichkeit interessiert. Und jetzt, wo wir sie durchschauen, muss man sagen: Merkels Wesenlosigkeits-Masche hat wahrhaft gespenstiges Niveau. Ob sie den "Mann ohne Eigenschaften" gelesen oder mit weiblicher Intuition von Ferne erfasst hat – das Entscheidende hat sie herausgefiltert: Erlösende Ideen sind nicht von dieser Welt… Sollen die anderen sich die Zähne daran ausbeißen.
Und was geht aus all dem hervor? Für Kakanien konnte Musil keine gute Prognose geben. Der ausblühende Staat, der sich – Deutschland gar nicht so ungleich – "selbst nur noch irgendwie mitmachte", wird vom kommenden Weltkrieg ausgetilgt… wovor uns die Zukunft bewahren möge.
Ulrich indessen erreicht im Privaten den "anderen Zustand". Er erlebt im Inzest mit seiner Schwester Agathe ein "wunderbares Gefühl der Entgrenzung und Grenzenlosigkeit". Warum sollte Angie als geübtes Medium so etwas nicht auch schaffen – und sogar ohne Inzest?
Wie auch immer. Noch einmal rotiert der Planet Erde um sich selbst – und wenn das unfallfrei verläuft, wie man erwarten darf, kommen die ersten Hochrechnungen.
Würde Angela Merkel dann wider Erwarten abgewählt sein, müsste sie das nicht persönlich nehmen. Robert Musil, der seinen Roman nie fertig bekam, hat erklärt: "Oft habe ich den Eindruck, dass meine geistige Kraft nachlässt, aber eher ist es wahr, dass die Problemstellung über sie hinausgeht."
Dass auch die aktuelle Problemstellung über jede Kraft hinausgeht, das werden morgen am lautesten natürlich die Wahlsieger abstreiten.