Dies ist eine Klangskulptur von Bruce Nauman, dem wahrscheinlich wichtigsten bildenden Künstler der Gegenwart, der fast alle Medien benutzt (außer der Malerei, die ihm nichts mehr sagt), also Zeichnung (meist in Form der Skizze), Skulptur, Installation, Hologramm, Foto, Video, Performance; und der mit der ständigen Befragung der Künstler-Existenz eben auch die menschliche Existenz an sich thematisiert. Wo finde ich meinen Platz? Wo - im Raum? Was passiert mit mir, während die Zeit vergeht - und mir nichts einfällt? In den frühen, auf den Kopf gestellten Nauman-Videos sieht man einen Menschen merkwürdig hin- und her- und im Kreis gehen - einer auf der Suche nach sich selbst. In den späteren Videos stechen Ehepaare einander ab oder ein hin- und hergeschleuderter Kopf gibt schlabbernde Laute von sich.
Die Basler Kunstsammlungen und Stiftungen haben einen Fundus aus Nauman-Werken, der von den frühen, minimalistischen Arbeiten der sechziger Jahre bis zu den Aggressions-Videos der Neunziger reicht. Der junge Kurator Philipp Kaiser beginnt die Ausstellung im Museum für Gegenwartskunst in einem großen, existenzialistisch leeren Erdgeschoss, in dem einige Skulpturen lehnen.
Er untersucht beispielsweise in seinen frühen Fiberglas-Skulpturen der Sechzigerjahre und auch in seinen Latex-Arbeiten die Funktion der Skulptur im Raum, die er von seinem Körper ableitet. Er schaltet den Körper mit der Skulptur kurz. Es geht ihm um ganz grundsätzliche Bewegungen im Raum. Wie steht der Körper auf dem Boden, im Raum, zur Wand? Es geht wirklich um einen sehr physischen, materiellen, körperlichen Prozess.
Extrem dünne, in die Länge gezogene Gliedmaßen sind es, die uns da spinnenbeinartig empfangen; im Zentrum der Bühne zwei sich kreuzende, hölzerne Röhren, die wie Flucht-Tunnel aussehen und verschiedene geometrische Formen variieren - und die in einer viel späteren Werkphase dann als Tierkadaver mit sich schleifendes stählernes Karussell wieder auftauchen werden.
Aber schon im ersten Raum wird klar, dass da jemand an der Wand steht, an die Wand gestellt wird. Naumans Figuren sind immer einsame, geschundene Wesen, in einer Beckettschen Wüste, umgeben von Klängen, die mehr Geräusche sind - und die genauso gut von John Cage stammen könnten. Eines der schräggelegten Videos, die wir in der Ausstellung sehen können, zeigt Nauman, wie er bis zur Erschöpfung auf einer Geige einen Akkord anreißt; die Geige ist gestimmt auf die Töne D-E-A-D, dead.
Die perfekt organisierte Gesellschaft erweist sich bei Nauman als Totenland, der Mensch als grimassierendes oder sich auf Anweisung bewegendes oder in bunten Neonreklamen sich auflösendes Ding. Und trotz der bearbeiteten, gelblich eingefärbten Fotos verknautschter Lippen, Backen oder entblößter Zähne ist immer auch Humor dabei: die Neon-Installation "Sex and Death by Murder and Suicide" funktioniert trotz Messerstecherei und Oralverkehr eben wie eine Leucht-Reklame; der von Nauman gebaute schmale Korridor ist ein Raum, durch den eigentlich niemand hindurchpasst; und der Pantomime, der sich auf dem Nauman-Video wie bei Peter Handkes "Kaspar" nach den Anweisungen von "Einsagern" bewegt, ist ein Clown.
Richtig bösartig sind die formalistischen Video-Sprachspiele, die Nauman von Profi-Schauspielern mit ernster Moderatoren-Miene aufsagen lässt:
I'm an evil man. You are an evil man. We are evil man. This is evil. I have fun. You have fun. We have fun. That's fun!
Von Minimal Art und Konzeptkunst geht es zu raumumspannenden Langzeit-Videos: Nauman, der zu Beginn seiner Karriere den Künstler selbstironisch als ewig sprudelnden Brunnen ins Bild gebracht hatte, zeigt in Basel eine neue Video-Installation: "Mapping the Studio", also: das Studio ausmessen, den Ort künstlerischer Produktion kartographieren - das könnte auch über Naumans Gesamtwerk stehen. Es passiert: nichts. Wir sitzen, wenn wir wollen: stundenlang, umgeben von 7 Video-Screens, auf denen 7 verschiedene Einstellungen von Naumans Atelier zu sehen sind. Sessel, Monitore, Farbschüsseln, Holzleisten, Kram. Mit Nachtsichtkameras wird dokumentiert, was im Lauf einer Nacht passiert: bisweilen laufen Mäuse vorbei, manchmal blitzen draußen Autolichter. Das Ganze wird eingefärbt, durch den Zeitraffer gejagt, unterschiedliche Sequenzen werden montiert und schräg- und auf den Kopf gestellt: es entsteht ein absolut künstlicher, zeitlich in sich verschobener, ein transzendenter Raum. Das Nichts. Die Welt. Das ist (so glaubt der Kurator Philipp Kaiser) des hochbezahlten Bruce Nauman Position im mittlerweile auf das Leichtverdauliche schielenden Kunstmarkt.
Ich denke, dass er mit 'Mapping the Studio' eigentlich die Leere, die Stille dieser Erwartungshaltung entgegensetzt, und das kann eigentlich auch nur innerhalb dieses Systems, dieses Kunstbetriebs gelesen werden.
Link: mehr ...
305.html
Die Basler Kunstsammlungen und Stiftungen haben einen Fundus aus Nauman-Werken, der von den frühen, minimalistischen Arbeiten der sechziger Jahre bis zu den Aggressions-Videos der Neunziger reicht. Der junge Kurator Philipp Kaiser beginnt die Ausstellung im Museum für Gegenwartskunst in einem großen, existenzialistisch leeren Erdgeschoss, in dem einige Skulpturen lehnen.
Er untersucht beispielsweise in seinen frühen Fiberglas-Skulpturen der Sechzigerjahre und auch in seinen Latex-Arbeiten die Funktion der Skulptur im Raum, die er von seinem Körper ableitet. Er schaltet den Körper mit der Skulptur kurz. Es geht ihm um ganz grundsätzliche Bewegungen im Raum. Wie steht der Körper auf dem Boden, im Raum, zur Wand? Es geht wirklich um einen sehr physischen, materiellen, körperlichen Prozess.
Extrem dünne, in die Länge gezogene Gliedmaßen sind es, die uns da spinnenbeinartig empfangen; im Zentrum der Bühne zwei sich kreuzende, hölzerne Röhren, die wie Flucht-Tunnel aussehen und verschiedene geometrische Formen variieren - und die in einer viel späteren Werkphase dann als Tierkadaver mit sich schleifendes stählernes Karussell wieder auftauchen werden.
Aber schon im ersten Raum wird klar, dass da jemand an der Wand steht, an die Wand gestellt wird. Naumans Figuren sind immer einsame, geschundene Wesen, in einer Beckettschen Wüste, umgeben von Klängen, die mehr Geräusche sind - und die genauso gut von John Cage stammen könnten. Eines der schräggelegten Videos, die wir in der Ausstellung sehen können, zeigt Nauman, wie er bis zur Erschöpfung auf einer Geige einen Akkord anreißt; die Geige ist gestimmt auf die Töne D-E-A-D, dead.
Die perfekt organisierte Gesellschaft erweist sich bei Nauman als Totenland, der Mensch als grimassierendes oder sich auf Anweisung bewegendes oder in bunten Neonreklamen sich auflösendes Ding. Und trotz der bearbeiteten, gelblich eingefärbten Fotos verknautschter Lippen, Backen oder entblößter Zähne ist immer auch Humor dabei: die Neon-Installation "Sex and Death by Murder and Suicide" funktioniert trotz Messerstecherei und Oralverkehr eben wie eine Leucht-Reklame; der von Nauman gebaute schmale Korridor ist ein Raum, durch den eigentlich niemand hindurchpasst; und der Pantomime, der sich auf dem Nauman-Video wie bei Peter Handkes "Kaspar" nach den Anweisungen von "Einsagern" bewegt, ist ein Clown.
Richtig bösartig sind die formalistischen Video-Sprachspiele, die Nauman von Profi-Schauspielern mit ernster Moderatoren-Miene aufsagen lässt:
I'm an evil man. You are an evil man. We are evil man. This is evil. I have fun. You have fun. We have fun. That's fun!
Von Minimal Art und Konzeptkunst geht es zu raumumspannenden Langzeit-Videos: Nauman, der zu Beginn seiner Karriere den Künstler selbstironisch als ewig sprudelnden Brunnen ins Bild gebracht hatte, zeigt in Basel eine neue Video-Installation: "Mapping the Studio", also: das Studio ausmessen, den Ort künstlerischer Produktion kartographieren - das könnte auch über Naumans Gesamtwerk stehen. Es passiert: nichts. Wir sitzen, wenn wir wollen: stundenlang, umgeben von 7 Video-Screens, auf denen 7 verschiedene Einstellungen von Naumans Atelier zu sehen sind. Sessel, Monitore, Farbschüsseln, Holzleisten, Kram. Mit Nachtsichtkameras wird dokumentiert, was im Lauf einer Nacht passiert: bisweilen laufen Mäuse vorbei, manchmal blitzen draußen Autolichter. Das Ganze wird eingefärbt, durch den Zeitraffer gejagt, unterschiedliche Sequenzen werden montiert und schräg- und auf den Kopf gestellt: es entsteht ein absolut künstlicher, zeitlich in sich verschobener, ein transzendenter Raum. Das Nichts. Die Welt. Das ist (so glaubt der Kurator Philipp Kaiser) des hochbezahlten Bruce Nauman Position im mittlerweile auf das Leichtverdauliche schielenden Kunstmarkt.
Ich denke, dass er mit 'Mapping the Studio' eigentlich die Leere, die Stille dieser Erwartungshaltung entgegensetzt, und das kann eigentlich auch nur innerhalb dieses Systems, dieses Kunstbetriebs gelesen werden.
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