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Mappschiedsparty

Die CDU hat Baden-Württemberg 58 Jahre lang regiert, fast 30 Jahre davon gemeinsam mit den Liberalen. Am Sonntag haben die Wähler entschieden: Auch wenn vor dem Landtag schwarz-gelbe Fahnen wehen, drinnen regiert demnächst Grün-Rot.

Von Sabine Adler und Barbara Roth | 28.03.2011
    Mappus: "Es gibt da nichts drum herum zu reden, wir haben so ziemlich das bitterste Ergebnis, das wir bekommen konnten, das ist für die CDU in Baden-Württemberg ein bitterer Tag, das ist für mich ganz persönlich ein sehr bitterer Tag. Und nach meiner persönlichen Überzeugung ist das auch für Baden-Württemberg kein guter Tag."
    Kein guter Tag gestern. Heute der Tag der Konsequenzen: Vor einer guten halben Stunde hat Stefan Mappus angekündigt, den Parteivorsitz niederzulegen. Und das soll im Mai auf einem vorgezogenen Landesparteitag geschehen. Anders als für die CDU war für die Grünen gestern ein guter Tag. Denn das erste Mal in ihrer Geschichte kann die Partei jetzt Regierungs-Verantwortung auf Landes-Ebene übernehmen. Und zwar als Seniorpartner – als grüner Koch mit einem roten Kellner. Eine Rollenverteilung, die der Bundes-SPD noch im vergangenen Jahr gar nicht schmecken wollte. Doch wie das so ist: Nach der Wahl wird vieles nicht mehr so heiß gegessen, wie es vor der Wahl gekocht wurde. Die Grünen jedenfalls feiern – und meine Kollegin Barbara Roth hat sie dabei beobachtet:
    Mappus–weg-Rufe auf der Wahlparty der Grünen. Die Euphorie ist groß, das Bio-Bier fließt in Strömen. In Baden-Württemberg zogen die Grünen vor 31 Jahren erstmals in ein deutsches Parlament ein. Heute feiern die Jungen ungehemmt. Einige Grüne der ersten Stunde liegen sich weinend in den Armen:

    "Endlich. Super Ergebnis und höchste Zeit gewesen. Ein Politikwechsel, hurra."

    "Weil der Wähler, auch wenn er lange gewartet hat, eine gute Arbeit bei den Grünen belohnt hat. Gerührt nach über 30 Jahren kämpfen, um was zu ändern."

    "Na ja, wenn ich mich heute nicht freuen könnte, dann wäre ich tot."
    Jubel drinnen, Freude draußen. Bürger, Stuttgart-21-Gegner, ältere wie junge Leute versammeln sich vor der Partykneipe. Sektkorken knallen. Eine Band sorgt für gute Stimmung. Als Spitzenkandidat Winfried Kretschmann eintrifft, Hurra-Rufe und Applaus:

    "Wir werden in diesem Land einen Politikwechsel einleiten."

    Eine Partei wird abgewählt, wenn die Leute sie und ihre Führungspersönlichkeiten satt haben. Das hat einst der langjährige CDU-Ministerpräsident Erwin Teufel über das Ende der Ära Kohl gesagt. Er und vor ihm Lothar Späth und Hans Filbinger haben Baden-Württemberg zu einer konservativen Hochburg geformt – von der Villa Reitzenstein hoch über Stuttgart aus haben die Christdemokraten das Land 58 Jahren lang ohne Unterbrechung regiert. Die Mehrheit der Badener und Schwaben hat die CDU-Dominanz nun satt.

    Umfrage: "Absolutismus ist abgeschafft, jetzt erst mal."

    "Die Leute sind aufgewacht, der Bürger hat dafür gekämpft, dass er ernst genommen wird."

    "Ich bin überwältigt, das ist die Quittung für Vetterles-Wirtschaft, und wenn man meint, man muss gegen die Bürger mit Schlagstockpolitik vorgehen. Und das hat die CDU-Landesregierung nicht kapiert, jetzt haben sie ihre Rechnung dafür bekommen."
    Im Landtag auf der Wahlparty der CDU eine gespenstische Stille. Nur der Fernsehton ist zu hören. Betretene Gesichter – als die Niederlage mit Zahlen belegt wird. Fukushima hat uns den Todesstoß gegeben, wird an Biertischen geflüstert:

    "Schockstarre, das ist klar. Das haben wir nicht verdient."

    "Wäre die Katastrophe in Japan nicht passiert, wäre es möglicherweise anders gelaufen."

    "Wir werden die Rolle annehmen, die man uns zuteilt."

    Gegen 19 Uhr keimt nochmals Hoffnung auf. Grün-Rot hat nur einen Landtagssitz Vorsprung. Das holen wir noch auf, machen sich ein paar CDU-Parlamentarier noch immer Mut:

    "Es ist enger als vorhin uns die Prognosen aufgezeigt haben."

    Einige sprechen bereits von Gesprächen mit der SPD zur Bildung einer Großen Koalition. Hauptsache, sagen sie, die CDU stellt wieder den Ministerpräsidenten. Von Stefan Mappus war zu diesem Zeitpunkt schon längst keine Rede mehr:

    "Manche waren nicht so überzeugt von Herrn Mappus, das muss man ehrlicherweise sagen. Ich sehe da einen Grund darin, dass unsere Stammwählerklientel nicht zur Wahl gegangen ist. Weil er strahlt nicht das aus, was man von einem Landesvater erwartet."
    Wer trägt Schuld an der Wahlniederlage trägt, ist bei der CDU gestern Abend schnell klar: Zu 50 Prozent die Katastrophe in Japan, zu 50 Prozent – auch wegen Stuttgart 21 - Stefan Mappus. In ihn, den politischen Ziehsohn von Erwin Teufel, hatte die konservative CDU im Land so große Hoffnungen gesetzt. Auch die Bundesvorsitzende Angela Merkel, die seinen Vorgänger Günther Oettinger als EU-Kommissar nach Brüssel weggelobt hat. Der Grund: Oettinger kümmerte sich zu sehr um das städtische Publikum, flirtete mit den Grünen und vernachlässigte in den Augen vieler die konservativen Wähler in den ländlichen Regionen.

    "Günther Oettinger hat aber zumindest ein Ergebnis gemacht, wo er kurz vor der absoluten Mehrheit stand. 60 Prozent der Wähler leben aber in der Stadt. Man kann immer sagen, wir haben 60-Prozent-Ergebnisse im ländlichen Raum. Diese 60-Prozent-Ergebnisse sind aber im Zweifel schlechter als ein 35-Prozent-Ergebnis in der Stadt."
    Sagt das CDU-Präsidiumsmitglied Andreas Renner. Das Wahlergebnis gibt ihm recht: Drei von vier Wahlkreisen in Stuttgart gingen an die Grünen. Die CDU verlor ferner die Direktmandate in Mannheim II, Heidelberg, Freiburg und Tübingen an die Grünen. Der frühere Sozialminister Renner, der wegen einer Rede auf dem Christpher-Street-Day mit den Konservativen in der Landes-CDU Ärger bekam und zurücktreten musste, hat für die Seinen nur Kopfschütteln übrig:

    "Die CDU muss gucken, dass sie keine innere Erosion hat. Dass sozusagen uns die ganze Basis wegbröckelt. Und die wird uns dann wegbröckeln, wenn wir oben jetzt eine unangenehme Schlacht machen um Ämter und noch zu verteilende wenige Posten."
    Bei den Wahlverlierern hat die Suche nach den Leuten bereits begonnen, die die Partei in der Opposition neu aufstellen sollen. Zunächst geht es um den neuen Fraktionschef im Landtag. Amtsinhaber Peter Haug will es bleiben, aber schon gestern Abend deutete sich an, dass die bisherige Umweltministerin Tanja Gönner ihn ablösen wird. Über kurz oder lang wird der Vertrauten von Bundeskanzlerin Merkel auch die Übernahme des Parteivorsitzes in Baden-Württemberg zugetraut:
    "Ich glaube, dass wir klarere Kante zeigen müssen. Jeder muss wissen, wofür Marke CDU steht."

    Für Angela Merkel steht Fukushima für eine Katastrophe von Zitat "geradezu apokalyptischem Ausmaß". Dort hat sich gezeigt, dass ein Restrisiko immer noch ein ziemlich großes Risiko ist. Die Ereignisse in Japan mögen die Physikerin Angela Merkel überrascht, auch geschockt haben.
    Politisch angeschlagen ist die Kanzlerin Angela Merkel in jedem Fall. Und das nicht erst seit Fukushima wie unsere Korrespondentin Sabine Adler analysiert:

    Die Atomkatastrophe von Japan hat die Christdemokraten erschüttert - in der gesamten CDU, nicht nur in Baden-Württemberg. Die Unionsvorsitzende kann sich dennoch glücklich schätzen. Dass es jetzt, nach der Niederlage in Baden-Württemberg, nicht zu einer Führungsdebatte kommt, verdankt Angela Merkel Deutschlands monatelang beliebtesten Unionspolitiker: Karl-Theodor zu Guttenberg. Ohne Plagiatsaffäre würde sich jetzt vieles um ihn drehen, obwohl zu Guttenberg durchaus Anteil hat an den zahlreichen Kehrtwenden, die der Parteichefin vorgeworfen werden. Wenn Angela Merkel und Stefan Mappus auf ihren Parteifreund Jürgen Rüttgers gehört hätten, der immer vor Atomkraft als Wahlkampfthema gewarnt hatte, hätten sie mit der Verlängerung der AKW-Laufzeiten von vornherein bis nach der Wahl gewartet. Sie ignorierten Volkes Stimme – bei der Verlängerung wie später beim Atommoratorium. Sieben AKW abzuschalten entsprang nicht beider Sinneswandel, sonst hätten sie die Laufzeitverlängerung insgesamt zur Disposition gestellt.

    Merkel: "Dies ist ein Moratorium und dieses Moratorium gilt für drei Monate. Über das, was das für die einzelnen Atomkraftwerke bedeutet, sind wir mit den Betreibern im Gespräch. Damit kein Zweifel entsteht: Die Lage nach dem Moratorium wird eine andere sein als vor dem Moratorium."
    Die verlängerte Betriebserlaubnis als einen Fehler einzugestehen, brachten weder Mappus noch Merkel über die Lippen, nur Rainer Brüderele, der Wirtschaftsminister, hatte das Moratorium im vertraulichen Gespräch mit Wirtschaftsbossen als das bezeichnet, was längst vermutet wurde: ein Wahlkampfmanöver. Verlässlichkeit sieht anders aus. Dabei steht im Koalitionsvertrag zur Laufzeitverlängerung: "Die Vereinbarung muss für alle Beteiligten Planungssicherheit gewährleisten." Zitat Ende. Die einst bekennende Atombefürworterin heftet sich Mappus Schlappe heute nicht ans Revers, aber sie lässt durchscheinen, wohin die Reise bei der Atomnutzung gehen könnte:

    "Das Ereignis in Japan ist ein Ereignis, das uns beide beschäftigt hat. Wir haben deshalb auch beide engstens besprochen, wie wir auf diese Frage reagieren. Und wir haben aus den Umfragen, dass 75 Prozent der CDU-Wähler der Meinung sind, dass man die Kraftwerke schneller abschalten sollte und dass sie uns trotzdem die Stimme gegeben haben."
    Doch noch kämpft der Wirtschaftsflügel in der Partei gegen einen beschleunigten Ausstieg.

    Zur Aussetzung der Wehrpflicht. Sie war Guttenbergs erste, reichlich trotzige Antwort auf die Sparvorgaben von Finanzminister Wolfgang Schäuble. So wie er innerhalb weniger Monate die beiden Unionsparteien davon überzeugte, gelang es Guttenberg binnen kürzester Zeit, die Kabinettschefin auf seine Seite zu ziehen. Weg war die bis dato eiserne Verfechterin der Wehrpflicht.

    Merkel: "Ich habe ihm schon bei dem Auftrag gesagt, es gibt keine Denkverbote. Und die Modelle, die wir jetzt ausgearbeitet haben, zeigen, dass es gute Gründe geben kann, hier auch neu zu denken."
    Ihr Versuch, sich noch hinter das Naturtalent Guttenberg zu stellen, als es nicht mehr zu halten war, fiel selten unglücklich aus:

    "Ich habe eine Berufung bei Karl-Theodor zu Guttenberg vorgenommen zum Verteidigungsminister. Ich habe keinen wissenschaftlichen Assistenten oder einen Promovierenden oder einen Inhaber einer Doktorarbeit berufen, sondern mit geht es um die Arbeit als Bundesverteidigungsminister. Die erfüllt er hervorragend. Und das ist das, was für mich zählt."
    Eine Solidaritätserklärung, die der analytischen Wissenschaftlerin so unähnlich war, dass dahinter Absicht vermutet werden musste. Deutschlands Wissenschaftler jedenfalls hielt es weder in ihren Elfenbeintürmen, noch Studierstuben, sie protestierten mitten im Wahlkampf schriftlich und auf den Straßen. Als der Bundestag schließlich vorige Woche die Aussetzung der Wehrpflicht beschloss, war bereits ein neuer Verteidigungsminister im Amt. Der Koalitionsvertrag sah übrigens die Aussetzung überhaupt nicht vor, sondern Zitat: "Die Koalitionsparteien halten im Grundsatz an der allgemeinen Wehrpflicht fest, mit dem Ziel die Wehrdienstzeit bis zum 1.1.2011 auf sechs Monate zu reduzieren." Stattdessen hatte sich die Koalition auf einfache niedrige gerechte Steuern verpflichtet. Die Abflachung des sogenannten Mittelstandsbauches, die kalte Progression bei der Steuer, die kaum etwas übrig lässt von kleinen Gehaltssteigerungen, sie sollte einem Stufentarif zum 1.1.2011 weichen. Punkt 4: "Die enge Abstimmung und das gemeinsame Handeln der westlichen Wertegemeinschaft waren und bleiben eines der Erfolgsrezepte deutscher Außenpolitik", sagt der Koalitionsvertrag. Deutschlands Enthaltung bei der Abstimmung über eine Flugverbotszone über Libyen passt wenig zu diesem Vorsatz. Der Erklärungsversuch der Kanzlerin eine Woche nach der UN-Resolution überzeugte nicht einmal in den eigenen Reihen:

    "Deutschland wird sich, wie jeder weiß, nicht an militärischen Maßnahmen beteiligen. Unsere Enthaltung ist nicht mit Neutralität zu verwechseln."
    Der CDU-Außenexperte Ruprecht Polenz hatte wenige Stunden zuvor im Bundestag diplomatisch darauf verwiesen, was für ihn das Hauptproblem darstellt:

    "Wir haben im Sicherheitsrat zugestimmt der Aussage, Gaddafi muss weg. Und dann haben wir als Maßnahme gesagt, wir sind bereit, Sanktionen mitzutragen. Da klafft natürlich eine operative Lücke. Denn Sanktionen wirken mittel- bis längerfristig. Sie wirken in der Regel nicht sofort."
    Auch diese Abkehr von bislang ehernen Glaubenssätzen roch für die Kritiker zu sehr nach Wahlkampfmanöver, nicht nach politischer Überzeugung. Die verlorene Glaubwürdigkeit kostete Stimmen. Ohne Baden-Württemberg rückt ein Sieg bei der nächsten Bundestagswahl in weite Ferne.

    Die verlorene Glaubwürdigkeit – das war bei der Wahl gestern auch ein Problem für Stefan Mappus, denn auch er gilt ja als ein Befürworter der Atom-Kraft. Über ihn und Baden-Württemberg habe ich mit Hans-Georg Wehling gesprochen, er ist Politikwissenschaftler an der Universität Tübingen.
    Das Gespräch haben wir kurz vor der Sendung aufgezeichnet:


    Christiane Wirtz: Herr Wehling, unter Stefan Mappus hat die CDU ihre bitterste Niederlage erlitten, wie wird es in der Partei jetzt weitergehen?

    Hans-Georg Wehling: Das hängt davon ab, ob sie diesen Wahlausgang als Betriebsunfall ansehen. Es gab Fukushima und das wird es in fünf Jahren nicht wieder geben, und da kommt man wieder zurück. Das wäre eine Lagebeurteilung, die ich für falsch halte, sondern es ist ein langfristiger Trend, der sich hier zuungunsten der CDU ausgewirkt hat. Die Frage ist, ob sie bereit sind, in der Lage sind, Willens sind, ihre Position insgesamt neu zu bedenken. Auch nachzudenken über die Karrierewege innerhalb der Partei, denn es ist ja nicht so einfach, jemanden zu finden, der von der Partei insgesamt akzeptiert wird, wenn Stefan Mappus zurücktritt.

    Wirtz: Die Umweltministerin Tanja Gönner gilt als eine treue Weggefährtin von Mappus, ist das jetzt ihre Stunde?

    Wehling: Sie ist eine treue Weggefährtin und das macht es ihr schwer, die Nachfolge anzutreten. Denn da kann man dann sagen, worin unterscheidet sie sich eigentlich von Mappus. Sie ist vielleicht ein Stück weit geschickter, schießt nicht so leicht aus der Hüfte wie er, aber für einen programmatischen Neubeginn steht sie eigentlich nicht.

    Wirtz: Von der CDU zur SPD. Die SPD feierte gestern in Baden-Württemberg den Abschied von Schwarz-Gelb, dabei müsste sie ja eigentlich ihr eigenes Ergebnis betrauern. Es ist immerhin das schlechteste Ergebnis der Sozialdemokraten im Ländle überhaupt. Wie lässt sich das erklären?

    Wehling: Also, der Wechsel, der war geeignet, die Niederlage der SPD eben vergessen zu machen. Das haben sie dann auch voll genutzt. Ich mein, die SPD ist in einer bemitleidenswerten Situation in Baden-Württemberg. Es gibt wenig ausgesprochene Arbeitermilieus, das gibt es in Mannheim und dann hört es beinah auf. Die mittelständige Industrie in Baden-Württemberg ist sehr stark geprägt durch Pendler. Und diese Pendler kommen aus ihren Dörfern, sie definieren sich in ihre sozialen Positionen vom Dorf her und nicht als Proletarier und von daher hat es die SPD schwer, sich in diesem Lande zu positionieren, zu sagen, wofür sie eigentlich steht. Besonders deutlich ist es geworden am Konflikt um Stuttgart 21, da war die SPD gleichzeitig dafür und dagegen. Das ist keine klare Position, schon gar nicht eine klare soziale Verankerung und das macht der SPD zu schaffen. Ein Patentrezept, wie sie aus dieser Situation herauskommen soll, habe ich nicht.

    Wirtz: Auch in Rheinland-Pfalz hat die SPD fast zehn Prozent verloren, es ist vielleicht Zeit, dass sich die Sozialdemokraten von der Volkspartei verabschieden.

    Wehling: Das könnte man bösartig sagen, aber ich meine, Rheinland-Pfalz ist der Struktur nach kein SPD-Land. Das war ein Glücksfall für die SPD, dass die CDU derart stark zerstritten war, mit Bernhard Vogel, mit Wilhelm und wen es da alle gab und da stand die CDU ganz blöd da. Das hat die SPD nutzen können und sie hat einen Ministerpräsidenten, nach Scharping, der erster Ministerpräsident von der SPD war, präsentieren können, einen Ministerpräsidenten, der so ein bisschen auch der Helmut Kohl der SPD ist in Rheinland-Pfalz.

    Wirtz: Lassen sie uns noch auf die Grünen sehen, die könnten jetzt in Baden-Württemberg zum ersten Mal Regierungsverantwortung auf Landesebene übernehmen. Wird der Partei das bekommen?

    Wehling: Ich denke schon. Also die Grünen wachsen in das politische System rein, sie sind ja angetreten als Nicht-Partei, als eine Bewegung, die sich bewusst von den sogenannten Alt-Parteien unterscheiden wollte. Sie haben in der parlamentarischen Arbeit dazugelernt, sie sind auch sozial stark verankert, auch in den Milieus, die traditionell also der CDU zugehörig sind. Denken sie an die katholischen Landgebiete in Oberschwaben, oder in Südbaden im Schwarzwald. Dort sind die Grünen die wertkonservative Partei, die mit den Wertkonservativen innerhalb der CDU ganz gut zusammen gehen. Es sind oft die Söhne und Töchter von CDU-Funktionsträgern.

    Wirtz: Gibt es denn überhaupt genügend Personal um die ganzen Ämter zu besetzen, die jetzt frei werden in Baden-Württemberg?

    Wehling: Das wird sehr schwierig sein. Also es gibt ja schon so in der Presse Ministerlisten, da kann man ein bisschen den Kopf schütteln, wenn man die Leute sieht. Also da liegen die Schwierigkeiten. Die Schwierigkeiten gehen los bereits in der Fraktion, sie haben einen Haufen von Neulingen, auch etliche Fundis, also hier ist die Partei zwar vorzugsweise realo aufgestellt, aber es gibt eben auch Fundis und die sehen im Parlament wahrscheinlich die Fortsetzung ihres Ortsvereins in Freiburg oder Tübingen mit anderen Mitteln und denen klar zu machen, dass es jetzt gilt, Regierungspolitik zu unterstützen, den Ministerpräsidenten und seine Regierung zu unterstützen, das wird schwierig sein. Die schwierigste Aufgabe neben dem Problem Stuttgart 21 wird für einen Ministerpräsidenten Kretschmann sein, diesen Haufen zu disziplinieren, den dazu zu bringen, dass er eben anders denkt und handelt, als er es von zu Hause gewöhnt ist.

    Wirtz: Auffällig war, dass bei beiden Landtagswahlen gestern die Wahlbeteiligung außergewöhnlich hoch war. Die Menschen wollten offenbar mitreden.

    Wehling: Ja, es ging um was. Es ging um eine grundlegende Entscheidung und da fühlt man sich motiviert, hinzugehen.

    Wirtz: Herr Wehling, ich danke Ihnen für diese Einschätzung, auf Wiederhören nach Baden-Baden.

    Wehling: Ja, Wiederhören.

    Und damit geht dieser Hintergrund zu Ende. Gedanken zur Wahl aber haben sich auch meine Kollegen gemacht. Hören Sie dazu unsere Kommentare nach den Nachrichten, ab 19.05 Uhr. Und damit geht dieser Hintergrund zu Ende. Gedanken zu den Wahlen aber haben sich auch meine Kollegen gemacht.
    Nach den Nachrichten, ab 19.05 Uhr hören Sie einen Kommentar von Stephan Detjen über die Bundesparteien nach den Landtags-Wahlen und Christoph Heinemann analysiert die Situation in Baden-Württemberg. Am Mikrofon bis hierher war Christiane Wirtz. Ich wünsche Ihnen noch einen schönen Abend.