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"Maps to the Stars"
Katharsis der Lügenwelt des Films

Der kanadische Regisseur David Cronenberg spießt in seinem Film "Maps to the Stars" sarkastisch und überdreht den Jahrmarkt der Eitelkeiten in Los Angeles auf, wo schon Kinderstars Millionenhonorare für Serienauftritte bekommen. Er zieht alle Register, um den schönen Schein der Berühmtheit als arrogante, zynische Selbstbezogenheit zu entlarven.

Von Josef Schnelle | 11.09.2014
    David Cronenberg präsentiert auf dem Filmfest Toronto "Maps to the Stars"
    David Cronenberg (picture alliance / dpa / Warren Toda)
    "Havana, Süße. Ich weiß nicht, ob du es schon gehört hast, aber Damien hat sich für Aziza entschieden. Das kommt jetzt nicht völlig überraschend, aber ich bin sehr wütend darüber, wie das abgelaufen ist, und ich finde es schrecklich, Dir das auf die Mailbox sprechen zu müssen. Ich wollte nur nicht, dass du es von jemand anderen erfährst. Ich bin immer noch der festen Überzeugung, dass dir bei diesem Projekt nichts entgeht."
    Die Schauspielerin Havana Segrand - reich, berühmt und schwer neurotisch - verzehrt sich nach einer ganz bestimmten Rolle im Film eines angesagten Regisseurs. Und dann kommt der Anruf ihrer Agentin, dass sich der Regisseur für eine andere Schauspielerin entschieden hat. Wichtig war ihr die Rolle vor allem, weil der berühmteste Film ihrer eigenen Mutter neu verfilmt werden soll. Deren Celebrity-Leben war auch schon verkorkst gewesen. Und dann begegnen sich die beiden Stars in einer Boutique in Santa Monica mit kaum verhohlener Aggression.
    "Havana." - "Oh mein Gott Aziza. Sydney sagte gerade, du seist ebenfalls da. Ich war in der Umkleide. Ich wollte dich anrufen. Mein Glückwunsch." - "Toll mit Damien zu arbeiten." - "Ja, er ist großartig." – "Havana, ich hab dabei ein gutes Gefühl. Deine Mutter war etwas Besonderes. Das wird eine Herausforderung für mich."
    Jahrmarkt der Eitelkeiten in LA
    Der kanadische Regisseur David Cronenberg spießt in diesem Film sarkastisch und überdreht den Jahrmarkt der Eitelkeiten in der Stadt der Engel, Los Angeles, auf, wo schon Kinderstars Millionenhonorare für Serienauftritte bekommen. Er zieht alle Register, um den schönen Schein der Berühmtheit als arrogante, zynische Selbstbezogenheit zu entlarven. Diesen Film nur als Attacke auf Hollywood zu sehen, macht ihn allerdings banaler als er ist.
    Ein Film über die Innenwelt der Außenwelt
    Natürlich hat "Maps to the Stars" noch viele andere Ebenen. Es ist die Geschichte einer Geschwisterliebe, deren Schuld und Leidenschaft sich in einer anderen Geschwisterliebe spiegelt. In der Hollywood-Edelwelt mit Designerpools und Küchen erfüllt sich das Schicksal von Agatha und ihrem Bruder Benjie zwischen Flammenwelten und Designerdrogen: ein Film über die Innenwelt der Außenwelt der Innenwelt. Manchmal schwer zu entschlüsseln und gerade deshalb große Kunst.
    Die Sterne am Himmel und die gleichnamigen Stadtpläne - Maps to the Stars -, auf denen die Wohnorte der Stars in Los Angeles eingezeichnet sind - so der Doppelsinn des Filmtitels - führen nicht wirklich zu einem glücklichen Leben. Besonders bekommt das Agatha zu spüren, die zwischen ihrer hysterischen Schauspielermutter und ihrem Therapeutenguruvater kein Glück mehr erhofft und darum am gemeinsamen Edelheim herumgezündelt hatte. Nach ihrer Rückkehr aus der geschlossenen Psychiatrie versucht sie dennoch eine Versöhnung.
    "Andere umbringen zu wollen, ist nicht gerade das Verhalten, das belohnt werden sollte." - "Ich hab mich geändert. Ich wollte euch sagen, wie leid es mir tut. Was ich getan habe, war nicht richtig. Das wollte ich dir sagen und Mutter. Ich hatte euch doch geschrieben." - "Entschuldigung angenommen. Brauchst du Geld?" - "Nein, ich hab einen Job." - "Hier, das sind 10.000 Dollar. Du nimmst den nächsten Flieger. Das trägt eher zur Versöhnung bei."
    Vergnüglicher und trotzdem tiefsinniger Film
    Die kalte Abfuhr durch John Cusack als Vater ohne Gefühl macht es Agatha nicht leichter, die archaisch anmutenden Probleme mit ihrer Familie in den Griff zu kriegen. Und so ist "Maps to the Stars" auch ein Melodram mit großen Gesten und kleinen philosophischen Erkenntnissen. Da wirkt der schlichte Rat des Guruvaters fast amerikanisch unangebracht.
    "Du hast es nicht mit Absicht getan. Du brauchst Hilfe. Das ist alles."
    "Maps to the Stars" ist ein vergnüglicher und trotzdem tiefsinniger Film, der im knalligen Ambiente der Hollywoodvillen und Garderobencontainer wie eine Katharsis der Lügenwelt des Films wirkt. In diesem kalten Ambiente lauern dennoch immerhin einige menschlich-warme Momente. Auch Hollywood-Babylon könnte noch erlöst werden.