Es war gerade die höchste Kunst des Brüsseler Multitalents, sich auf kein bevorzugtes Ausdrucksmittel und keine traditionelle Bezeichung - etwa als Maler oder Bildhauer - festzulegen, sondern im Wechsel der Medien und Töne, genauer im Dazwischen sich einzunisten. Er spielte dabei mit den beiden Materialien von Wort und Bild und wechselte zwischen den verschiedendsten Medien, wie Büchern, Zeichnungen, Bild- und Objekt-Collagen, Photographien, Filmen. Zwirner betont dabei gerade die gelungene Verbindung von konzeptueller Sprödigkeit und sinnlicher Qualität als besonderen Zug der broodthaersschen Vorgehensweise.
Wichtiger noch als die Einzelobjekte war hierfür ihre Präsentation, die für Broodthaers selbst Teil seines Schaffens darstellte. Zwirner sieht darin vor allem die entscheidende Überschreitung des Kunstwerkes als Vorstellung und Darstellung, nämlich in Richtung einer Position des Künstlers als erkennendes Subjekt. Broodthaers versucht mit der Selbstinszenierung seiner Kunst, der Rezeption vorwegzugreifen und seiner eigenen Rolle als Schaffender gegenüber Distanz einzunehmen. Die multimedialen Vernetzungsstrategien problematisieren die Repräsentation von Kunst: Der Künstler ironisiert und entlarvt zugleich die Macht - und das heißt Marktmechanismen, die Kunst zu Kunst werden lassen, - indem er beispielsweise Alltagsgegenstände verfremdet oder seine Unterschrift selbst zum Kunstwerk erklärt.
Broodthaers subversive Strategien sind vielfältig: Er schlüpfte sogar in die Rolle des Museumsdirektors, machte sich in theoretischen Publikationen, seinen offenen Briefen oder seinen Interviews zum Selbstinterpreten. In einem fröhlich vielgesichtigen Rollenspiel verschmelzen so die ansonsten streng getrennten Positionen von "Entstehung, Vermittlung, Verstehen": Der Künstler selbst untersucht zugleich die inneren und äußeren Rahmenbedingungen seiner Schöpfungen, ihrer institutionellen Vermittlung und ökonomischen Vermarktung, um nicht zuletzt noch durch den Kunstkommentar seine eigene Informationspolitik zu betreiben. Er fungiert also auch als Theoretiker, als Betrachter, ja als Manager seiner selbst.
Eine besondere Rolle kommt in Zwirners Darstellung der zeichentheoretischen Spiele mit Wort- und Bildsinn zu, wie Broodthaers sie im Anschluß an seinen Landsmann René Magritte ad absurdum treibt. Beliebt sind hierfür Muscheln, Eier und auch Pommes Frites, die der Künstler für Collagen oder Montagen verwendet. Neben der Anspielung auf die typisch belgischen Moules und Frittes und die damit nostalgisch verklärte Kultur des Einfachen, Urwüchsigen, spielt Broodthaers hemmungslos mit den Nebenbedeutungen der französischen Wörter wie Moule, das in männlicher Form auch Gußform bedeutet und damit den figürlichen Kontext künstlerischer Bildung aber auch sozialer Formung thematisiert. Zwirner erinnert auch an die allegorische Aufgeladenheit solcher kultureller Archetypen wie Ei oder Muschel, deren Wiederbelebung zu einem Bruch mit dem traditionellen, darstellenden Bild-Begriff führt: Broodthaers "Bilder" spielen immer auch mit der begrifflichen Spannung zwischen Vorstellung und Einbildung; sie sind "Ausdruck dieser Bewegung des Bildens, die das Verhältnis zwischen Vorbild und Abbild immer neu zu bestimmen sucht."
Das Buch verdeutlicht darüber hinaus Broodthaers Interesse an historischen, soziologischen und anthropologischen Fragestellungen der Kunst durch seine vielfältigen Spielformen fiktiver Museen. Die erste Installation des sogenannten "Museums der Modernen Kunst, Abteilung des 19. Jahrhunderts" fand 1968 in der Brüsseler Wohnung des Künstler statt. Als Ausstellung gerade der Rahmenbedingungen von Ausstellungen zeigte sie allerdings nur Transportkisten für Kunstwerke mit aufgeklebten Kunstpostkarten von Gemälden des 19. Jahrhunderts, wie man sie in den Museumsshops kaufen kann. Es folgten vielfältige Variationen dieser Form, unter anderem die 1972 in Düsseldorf realisierte Version mit dem Untertitel "Abteilung der Figuren: Der Adler vom Oligozän bis Heute". Sie wurde zugleich als Dokumentation durch Photographien der Exponate, Informations- und Werbematerial auf der "documenta 5" in Kassel gezeigt. Broodthaers hatte als Leihgaben anderer Museen und Sammlungen über 300 Adlerdarstellungen zusammengestellt, die dieses symbolträchtige Tier in allen Bereichen der politischen Emblematik, der Kunst, der Werbung und des Kitsches wiederentdeckten.
Zwirner verdeutlicht an diesem und anderen Beispielen das broodthaersche Verfahren, auf dem Wege von Fiktion und Simulation, das heißt durch poetische Momente politische Kritik zu formulieren. In diesem Sinne wird auch Broodthaers' Verhältnis zu anderen, politisch orientierten Künstlern seiner Zeit beleuchtet. Interessant ist hierbei die Kontroverse mit Beuys, dessen fundamentalistischer Hang zum Gesamtkunstwerk Broodthaers suspekt war - ein Konflikt, der - denkt man an den Fall Anselm Kiefers - an Aktualität nichts eingebüßt hat.