Donnerstag, 25. April 2024

Archiv

Mareike Vennen: "Das Aquarium"
Auf den Spuren der Unterwasserwelt

Die Erfindung des Aquariums im Jahr 1850 ermöglichte es, faszinierende Unterwasserwelten mit eigenen Augen zu beobachten. Forscher und Laien waren begeistert. Von den frühen Wegbereitern, Herausforderungen und Rückschlägen der Aquaristik handelt das Sachbuch von Mareike Vennen.

Rezension von Michael Stang | 28.01.2019
    Junge Koi-Karpfen schwimmen in einem Aquarium im Teichwirtschaftlichen Beispielbetrieb des Bezirks Unterfranken im bayerischen Maidbronn.
    "Das Aquarium" erzählt auch aus dem Leben unermüdlicher Freaks und Enthusiasten der ersten Stunde. (picture alliance / dpa / Karl-Josef Hildenbrand)
    Das Wort "Aquarium" stammt vom lateinischen "aquarius" und heißt 'zum Wasser gehörig'. In ihrem gleichnamigen Sachbuch erzählt Mareike Vennen die Geschichte des Aquariums. In den Vereinigten Staaten begann sie im Jahr 1876.
    "Mehr als fünfzehnhundert geladene Gäste hatten sich am Abend des 10. Oktober 1876 zur Eröffnung des Great New York Aquarium an der 35. Straße Ecke Broadway eingefunden. Sie alle wollten den Beginn einer neuen Ära miterleben."
    Die geheimnisvolle Unterwasserwelt, die zuvor in den dunklen Tiefen von Seen und Meeren verborgen war, wurde plötzlich für alle sicht- und beobachtbar. Der Mensch hatte damit einen weiteren Bereich der Natur erobert! Die Eröffnungsfeier des großen Aquariums in New York endete jedoch im Desaster.
    Eine dicke Glasscheibe war dem Druck nicht gewachsen
    "Just in dem Moment, als die Besucher dicht gedrängt die lebenden Salz- und Süßwassersensationen in Augenschein nehmen wollten, ertönte plötzlich vor einem Behältniß, in welchem Aale, Drachen- und ähnliche Fische sich befanden, ein 'furchtbarer Krach'. Eine der zentimeterdicken Glasscheiben war unter dem Wasserdruck zerbrochen, und 'heraus ergoß sich ein Wasserstrom mit den Insassen des Behältnisses auf die verblüfften Beschauer'."
    Trotz dieses Zwischenfalls wuchs die Gruppe sogenannter Aquarianer - wie sich die Anhänger dieser Tierhaltung bis heute nennen – auch in den USA schnell. Doch Mareike Vennens Buch liefert weit mehr als einen historischen Abriss der frühen Geschichte des Aquariums. Die Autorin, die an der Bauhaus-Universität Weimar ihre Doktorarbeit zu diesem Thema geschrieben hat, beschreibt anschaulich die technische Verfeinerung von Gerätschaften, die es erlaubten, im Wasser lebende Organismen erstmals umfassend zu beobachten und zu erforschen.
    "Die besondere Herausforderung der Aquarienpraxis lag in der praktischen Notwendigkeit, für die Tiere eine Minimalwelt herzustellen."
    Der einsame Goldfisch im Glas reichte den ambitionierten Aquarianern nicht mehr. Die Aquarianer wollten - gottgleich - künstliche Welten erschaffen.
    Die Ambitionen waren groß, die Technik unausgereift
    Allerdings vergingen Jahrzehnte, bis die Pump- und Belüftungstechnik ausgereift genug war, um in den künstlichen Unterwasserwelten stabile Temperatur- und Sauerstoffverhältnisse zu gewährleisten. Um die fragilen Ökosysteme im Gleichgewicht zu halten, musste das Wasser regelmäßig gefiltert und der Algenwuchs verhindert werden. Wegbereiter der neuen Disziplin waren neben Hobby-Bastlern auch zahlreiche Wissenschaftler, die sich neue Einblicke in ökologische Zusammenhänge erhofften. Der deutsche Zoologe Karl August Möbius beispielsweise war überzeugt: Statt mühsam in der Natur könnte künftig alles bequem im Labor erforscht werden, in durchsichtigen Wassertanks.
    "Statt die Austern also in ihrer natürlichen Umgebung zu studieren, plädierte er für ihren Transfer ins Aquarium – statt einer Mobilisierung des Feldforschers setzte er auf eine Mobilisierung des Meeresraumes. Und das obwohl zu diesem Zeitpunkt diverses Tauchequipment durchaus schon verfügbar war."
    Mobilisierung der Meerestiere
    Leider liegt für dieses Bild keine Bildbeschreibung vor
    Mareike Vennen: "Das Aquarium: Praktiken, Techniken und Medien der Wissensproduktion" (Wallstein-Verlag)
    Mareike Vennen beschreibt in ihrem Werk kuriose Apparaturen aus einer Zeit, in der auch die Basis für die heutige Grundlagenforschung in Medizin, Biologie und Ökologie geschaffen wurde – von einer Schar unermüdlicher Freaks und Enthusiasten. Die zahlreichen Fußnoten, die teils die Hälfte der Buchseiten füllen, machen das Werk allerdings unübersichtlich. Im Anhang wären diese Informationen besser aufgehoben gewesen. Etwas weniger Fachlatein hätte dem Buch ebenfalls gut getan. Denn hätte die Autorin den Inhalt und die Anekdoten ein wenig populärwissenschaftlicher aufbereitet, hätte ihr Buch das Potenzial gehabt, ein ganz großes Publikum anzusprechen.
    Zielgruppe: Aquarianer, Technik-Fans und Liebhaber kurzweiliger Wissenschaftsgeschichte.
    Erkenntnisgewinn: Im Jahr 1877 wurden weltweit bereits 40.000 Sendungen mit lebenden Tieren verschickt.
    Spaßfaktor: Nicht wie das Angeln im Aquarium, sondern wie das Tauchen im Meer – manchmal dauert es ein wenig, bis etwas Sensationelles auftaucht - doch jede Entdeckung entschädigt dann für die Lektüre der mitunter etwas längeren wissenschaftlichen Ausführungen.
    Das Aquarium
    Praktiken, Techniken und Medien der Wissensproduktion (1840-1910)
    Sachbuch von Mareike Vennen
    Wallstein Verlag, 423 Seiten, 37 Euro