Donnerstag, 28. März 2024

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Marina Weisband
Das kleine Einmaleins gegen Falschmeldungen

Niemand sei nur Konsument von Nachrichten, meint Marina Weisband. In ihrer Kolumne erklärt sie deshalb dieses Mal Faustregeln, die dabei helfen sollen, Falschmeldungen zu erkennen - und so am politischen Diskurs teilhaben zu können.

Von Marina Weisband | 15.11.2018
    Auf einer Wand steht mit Filzschrift geschrieben: "Allet Lügen. Vertrau auf dich, Herzverstand"
    "Allet Lügen": Alltagspoesie auf einer Hauswand in Berlin (dpa/Wolfram Steinberg)
    Dass im Internet jede Menge falsche Nachrichten kursieren, ist uns nicht erst klar, seit die Pressesprecherin von Trump in der vergangenen Woche ein gefälschtes Video getwittert hat. Es ist stolze Tradition dieser Kolumne, das Wort "Fake News" nicht zu verwenden, weil es ein rechter Kampfbegriff ist. Wir haben wundervolle, zutreffende Worte dafür in der deutschen Sprache - Falschmeldungen und Lügen. Bei Vorträgen zu diesem Thema werde ich immer wieder gefragt, wie man denn nun als Endverbraucher eigentlich echte Meldungen von falschen unterscheiden kann, wenn man darüber stolpert. Wenn eine Pressesprecherin gefälschtes Material verwendet - wie kann man sich dann überhaupt noch in irgendwas sicher sein?
    Porträtfoto von Marina Weisband
    Marina Weisband (Lars Borges)
    Erstens muss ich Ihnen mitteilen, dass Sie, wenn sie auf Facebook oder anderen Plattformen schon mal was geteilt haben, kein Endverbraucher sind. Dann sind Sie wiederum Quelle für Ihre Freunde und Leser. Und damit sind Sie auch ein kleines bisschen Journalist - auch wenn Journalismus und Publizismus nicht dasselbe sind. Sie tragen auch die Verantwortung dafür. Und umso wichtiger ist es, den Informationsgehalt eines Artikels auf seine Echtheit zu prüfen, bevor man ihn teilt.
    Ein paar Faustregeln, um Falschmeldungen zu erkennen
    Einhundertprozentige Sicherheit ist da immer schwer, doch es gibt ein paar Faustregeln, die man immer beachten kann. Wenn die Überschrift keine Information enthält oder nur Andeutungen, sollte man schon mal vorsichtig sein. Solche Überschriften dienen oft dem einzigen Zweck, dass man sie anklickt. Oder ist sie übertrieben emotional formuliert: "Sie werden nicht glauben, was diese Jungs einem armen Mann angetan haben." Dann ist auch höchste Vorsicht geboten. Ein Blick auf das, was der Account, der den Artikel geteilt hat, sonst so postet, hilft, seine Seriosität oder Agenda einzuschätzen. Bilder kann man bei Google mit der Rückwärtssuche darauf prüfen, ob sie möglicherweise aus einem ganz anderen Kontext stammen oder vielleicht gar Stockfotos einer Agentur sind.
    Das Allerwichtigste ist aber, dass man zu jeder Meldung, die man findet, eine unabhängige zweite Quelle finden sollte, ehe man sie teilt. Wie ein Journalist eben. Ein guter Trick hierfür ist zum Beispiel, einen Teil eines zentralen Zitats einfach zu googlen. Über jede wichtige Entwicklung werden mehrere Medien berichten. Wenn nur ein privater Blog über eine skandalöse Aussage eines Präsidenten berichtet, ist dem zu misstrauen. Auch wenn man nicht blind alles glauben sollte, was die größeren Massenmedien und Verlage berichten, sind sie doch ein sehr guter erster Anhaltspunkt für Vertrauen. Denn dort werden Meldungen weit besser geprüft und sind systematisch viel seltener falsch als die Meldung eines einzelnen privaten Blogs.
    "Wir sind Teil des Informationszyklus"
    Für Journalistinnen und Journalisten ist dies das kleine Einmaleins ihres Berufs. Aber ich begegne in meinem Alltag immer wieder Menschen, die mir diese Frage stellen und die dieses Handwerkszeug nicht haben. Vielleicht ist Ihnen das alles nicht neu. Aber dann haben Sie Freunde und Verwandte, die noch nie davon gehört haben. Und in diesem Fall haben Sie eine gewisse Pflicht - ja, Pflicht - ihnen ebenfalls Hinweise zu darauf zu geben, wann sie skeptisch sein müssen und wie sie etwas überprüfen.
    Wir leben im Informationszeitalter. Ein adäquates Bild von der Wirklichkeit und von echten Ereignissen zu haben, befähigt uns erst, politisch aktiv zu sein, Gefahren zu erkennen und unsere Gesellschaft zu gestalten. Deshalb ist dieses Wissen nicht nur wertvoll, sondern auch umkämpft. Und auf sozialen Medien ist keiner von uns nur Konsument von Nachrichten - wir sind Teil des Informationszyklus'.
    Also helfen Sie Ihren Verwandten und Bekannten, kommentieren Sie irreführende Nachrichten und Statistiken, teilen Sie Richtigstellungen. Sonst wissen wir bald alle nicht mehr, was wirklich ist. Und in der Dunkelheit stirbt die Demokratie.