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Maritime Berufe
Mehr als Matrosen

Der Schifffahrtssektor steckt in der Krise. Viele Reedereien sind schon vom Markt verschwunden, große Player fusionieren, um zu überleben. Dennoch kann es sich lohnen, eine Karriere in einem maritimen Beruf zu beginnen - sofern es der richtige ist.

Von Axel Schröder  | 18.05.2016
    Das Kreuzfahrtschiff Queen Mary 2 läuft am 18.08.2014 in Hamburg in den Hafen ein.
    Die Kreuzfahrtbranche wächst: Absolventen mit Schwerpunkt Tourismus- und Eventmanagement können hier Arbeit finden. (picture alliance / dpa / Daniel Bockwoldt)
    Es steht schlimm um die maritime Wirtschaft in Norddeutschland. Das ist das Fazit einer Podiumsdiskussion, die sich die Studierenden der European Business School in Hamburg gerade anhören durften. Banken, die in diesen Bereich investiert hatten, werden zerschlagen, und deutsche Seeleute gibt es kaum noch. Für Student Nils Benecke kein Problem: Der 30-Jährige glaubt, nach seinem Abschluss auch einen Job zu bekommen.
    "Ich bin da ganz optimistisch. Ich komme aus der Schifffahrt. Ob es Schifffahrt auch wieder sein wird, weiß ich nicht. Aber sicherlich dieser Logistikaspekt, der in Hamburg immer noch einen hohen Stellenwert hat. Ich glaube, mit meiner Berufserfahrung, Auslandserfahrung, jetzt noch ein Bachelor, gehe ich da relativ positiv ran."
    Ein Auslandspraktikum und ein Auslandsemester gehören zum Pflichtprogramm an der European Business School:
    "Ich habe mein Auslandsemester in Dublin gemacht und mein Auslandspraktikum in Hongkong bei einer sehr bekannten deutschen Reederei, bei Hapag-Lloyd."
    Hafenwirtschaft oder Kreuzfahrtbranche?
    Trotz der immer noch andauernden Schifffahrtskrise lohne sich ein Studium in diesem Bereich, so der Sprecher der Hochschule Heiko Delventhal:
    "Die Dinge, die rund um Hafenwirtschaft kreisen, die werden mitbedient. Und der ein oder andere landet dann vielleicht auch in einem Speditionsunternehmen, das weltweit tätig ist, weil wir hier auch zwei Fremdsprachen voraussetzen. Weil wir sehr, sehr international ausbilden. Die bewegen sich in diese Unternehmen hinein, die international eine Rolle spielen. Und das ist natürlich in dem einen oder anderen Betrieb der Hafenwirtschaft auch der Fall."
    Und das Studium biete breite Schnittstellen auch zu Berufen außerhalb des maritimen Sektors. Zudem gebe es durchaus Wachstum in diesem Bereich, zum Beispiel in der Kreuzfahrtbranche:
    "Da partizipiert Hamburg ganz erheblich. Mit vielen Anläufen von Kreuzfahrtschiffen und den Büros und zum Teil auch den Hauptgeschäftsstellen der Kreuzfahrtlinien."
    Und in denen könnten die Absolventen mit Schwerpunkt Tourismus- und Eventmanagement mit guten Chancen Arbeit finden.
    Nur noch 6.000 Nautiker und Schiffsoffiziere
    Einfache Seeleute werden in Deutschland allerdings gar nicht mehr ausgebildet. Und auch die Zahl der Nautiker und Schiffsoffiziere war seit Jahren rückläufig und hat sich bei rund 6.000 Beschäftigten stabilisiert, so Christoph Schwander vom Verband Deutscher Reeder:
    "Wir haben seit acht Jahren eine sehr, sehr schwere Krise in der Schifffahrt, einen hohen Kostendruck! Und die Reedereien müssen versuchen, wo es geht, Kosten zu sparen. Und da mittlerweile sehr viele Dinge international vorgeschrieben sind, kann man sich im Wesentlichen noch bei den Personalkosten unterscheiden. Und europäische Seeleute – dazu gehören natürlich auch die deutschen – sind deswegen so teuer, weil sie so hohe Sozialversicherungsbeiträge für die Arbeitgeberseite noch erfordern. Die Lohnnebenkosten sind das Problem."
    Maritimes Know-how in Deutschland halten
    Und deutsche Seeleute sind einfach zu teuer – im internationalen Vergleich. Um trotzdem maritimes Know-how am Standort Deutschland zu halten, werden Reedereien, die deutsches Personal beschäftigen, subventioniert. Die Gelder dafür stammen aus einem Fonds, in den all jene Reeder einzahlen müssen, die auf den Einsatz deutscher Seeleute verzichten. Heißt also: Wer keine deutschen Seeleute an Bord hat, zahlt drauf. Ohne diese Maßnahmen würden immer weniger Fachkräfte für Deutschlands maritimen Sektor zur Verfügung stehen, so Christoph Schwaner:
    "Damit verlieren wir in Deutschland langfristig maritimes Know-how, aus der Schifffahrt. Und sie brauchen Leute, die früher zur See gefahren sind, auch als Lotsen später in den Häfen, im Schiffbau, in der Forschung, überall. Das heißt, wenn es keine deutschen Seeleute mehr gibt, fehlen die auch an Land in den anderen Branchen."
    Unterm Strich, so Schwaner, bietet eine Ausbildung auch unabhängig von der Situation in der deutschen maritimen Branche eine Vielzahl von Möglichkeiten. Schließlich gibt es kaum einen Arbeitsmarkt, der derart international geprägt ist. Einzige Voraussetzung für die Absolventen: Sie müssen Lust darauf haben, auch ins Auslands zu gehen, in Hafenstädte wie Hongkong, Shanghai, nach Los Angeles, Boston oder Singapur.