Mark Hertsgaard ist kein typischer Amerikaner. Der typische Amerikaner spricht keine Fremdsprache, ist noch nie im Ausland gewesen und besitzt deshalb auch keinen Reisepass. Hertsgaard dagegen ist jahrelang um die ganze Welt gereist und hat den unterschiedlichsten Menschen immer wieder die gleiche Frage gestellt: "Was denkt ihr über Amerika?" Dabei ist er auf ein zwiespältiges Bild gestoßen, das bekannt sein dürfte: Einerseits werden die USA scharf verurteilt – gerade was ihr außenpolitisches Verhalten gegenüber dem Rest der Welt betrifft –, andererseits wird Amerika weiterhin abgöttisch geliebt – für seinen optimistischen und Reichtum versprechenden "Way of Life". Der US-Journalist Hertsgaard hat nun – noch vor Beginn des Irak-Krieges - ein Buch vorgelegt, das diesen Widerspruch von Amerika-Hass und Amerika-Liebe verständlich machen soll: "Im Schatten des Sternenbanners".
Alles, was unsere politischen, militärischen, wirtschaftlichen, kulturellen und wissenschaftlichen Institutionen tun, hat maßgeblichen Einfluss auf das Leben von Menschen in allen Ländern der Erde; es bestimmt die Antworten auf solche Fragen wie "Werde ich nächsten Monat eine Arbeitsstelle haben?" und "Wird es Krieg geben?" bis hin zur Frage "Was gibt’s heute abend im Fernsehen?".
Die aggressive Außenpolitik der USA im Irak-Konflikt hat weltweit Millionen Menschen zu Demonstrationen gegen Krieg, gegen einen kopflosen Unilateralismus und – ja: gegen Amerika an sich mobilisiert. Da wird es langsam Zeit, sich zu fragen, wo die Amerikaner ihre Fehler machen.
Wie kann das mächtige Amerika zugleich so naiv sein, fragen sich Nicht-Amerikaner, so ahnungslos, was andere Länder, Völker und Sprachen betrifft, und dennoch so fest davon überzeugt, dass es weiß, was das Beste für alle ist? Wie kann, während seine Bürger so offen und großmütig sind, seine Außenpolitik so anmaßend sein? Und wieso erschrecken die USA, wenn die Objekte ihrer Politik sich beschweren oder gar zur Wehr setzen?
Mark Hertsgaard stellt in zehn Kapiteln die Ansichten des Auslands über die einzig verbliebene Supermacht dar und vergleicht dabei stets mit den Auffassungen der Amerikaner. So legt er die eklatanten Unterschiede zwischen der kritischen Außenperspektive und der gänzlich unkritischen Innensicht der USA frei. Wo nötig, greift er tief in seine Geschichts- und Wirtschafts-Wissens-Truhe und erklärt – für Amerikaner und Nicht-Amerikaner, wie er betont – die großen Zusammenhänge, von der Ausrottung der Indianer über die große Religiosität der Amerikaner und ihrer Politiker bis zur Schlammschlacht im Präsidentschaftswahlkampf im Jahr 2000, den George Bush junior nur mit Hilfe einer zweifelhaften Gerichtsentscheidung gegen Al Gore gewann. Und darüber hinaus beschäftigt ihn natürlich der 11. September 2001, der unmittelbar den Afghanistan-Krieg zur Folge hatte und jetzt mittelbar auch den Beginn des Irak-Kriegs beschleunigt hat.
Vor allem eine Frage versucht der Autor zu beantworten: Warum gehen die Amerikaner, Einwohner eines Landes, das nach außen stets Freiheit und Demokratie verkörpert, so unkritisch mit ihren eigenen Politikern um? Die aktuelle Frage würde lauten: Warum steht eine Mehrheit der Amerikaner ohne großes Nachdenken hinter der fragwürdigen und gefährlichen Politik ihres Präsidenten, während die ganze Welt scharf gegen den Irak-Krieg protestiert? Die Verantwortung für diese Situation tragen nach Meinung des Autors vor allem die mehrheitlich regierungshörigen Medien der USA.
Das Washingtoner Pressecorps fungiert als Hofpresse. Auf die Schilderung von Palastintrigen versteht es sich meisterhaft: Was hat der Präsident vor? Wie wird der Kongress reagieren? Wer wird den Kampf gewinnen? Wie stehen die Machtverhältnisse? Nicht, dass das unwichtige Informationen wären, aber sie sind nicht das, was die Bürger brauchen, um ihre Regierung zur Verantwortung zu ziehen.
Anstatt kritische Informationen aus dem Ausland zu liefern, reproduzieren die US-amerikanischen Massenmedien ungefilterte Informationen direkt aus dem Weißen Haus und dem Pentagon oder senden besser gleich Quotenschlager über Sex and Crime. Hertsgaard spricht von einer "pathologischen Seichtheit" des amerikanischen Fernsehprogramms. Verantwortlich macht er dafür in erster Linie den ehemaligen US-Präsidenten Ronald Reagan. Dieser habe in seiner Amtszeit durch eine Rundfunk-Deregulierung die Konzentration von Medienunternehmen ermöglicht und somit zu einer Abstumpfung der Medieninhalte beigetragen.
Eine durchschnittliche abendliche Nachrichtensendung von dreißig Minuten brachte im Jahr 2001 weniger als zwei Minuten Nachrichten aus dem Ausland. Wenn man bedenkt, dass das Fernsehen für die meisten Amerikaner noch immer die Hauptnachrichtenquelle ist, versteht man allmählich, warum wir, was den Rest der Welt betrifft, so strohdumm sind.
Hier verweist der Autor explizit auf europäische Rundfunksysteme, die aufgrund ihres teilweise öffentlich-rechtlichen Charakters eine Qualität erreichten, von denen Amerikas Medienwelt weit entfernt sei. Und so richten sich Hertsgaards Hoffnungen auf eine bessere Zukunft Amerikas vor allem an die Journalisten: Nur sie können die eigene Bevölkerung aufklären über das, was Politiker und Konzernbosse in ihrem Namen im Ausland anrichten. Denn die Amerikaner an sich – und da schließt sich der Autor mit ein, er spricht ja im ganzen Buch auch ständig von "wir Amerikaner" – die Amerikaner an sich seien doch gute, rechtschaffene Menschen.
Es ist vielleicht die größte Lüge, die dem amerikanischen Volk nach dem 11. September aufgebunden wurde, dass die Terroranschläge ein Beweis dafür seien, dass "sie" uns hassen. Aber die Welt hasst nicht uns, das amerikanische Volk. Was Nicht-Amerikaner verärgert, und oft aus gutem Grund, sind unsere Regierung, unser Militär und unsere Konzerne. Wenn wir Amerikaner diese Unterscheidung einmal erfasst haben, werden wir nicht nur besser verstehen, warum unser Land bei anderen Völkern einen zweifelhaften Ruf hat. Wir werden außerdem erkennen, dass "Patriotismus" nicht gleichbedeutend mit "regierungsfreundlich" ist.
Mark Hertsgaard: Im Schatten des Sternenbanners. Amerika und der Rest der Welt. Carl Hanser-Verlag. 256 Seiten. 19 Euro 90.
Alles, was unsere politischen, militärischen, wirtschaftlichen, kulturellen und wissenschaftlichen Institutionen tun, hat maßgeblichen Einfluss auf das Leben von Menschen in allen Ländern der Erde; es bestimmt die Antworten auf solche Fragen wie "Werde ich nächsten Monat eine Arbeitsstelle haben?" und "Wird es Krieg geben?" bis hin zur Frage "Was gibt’s heute abend im Fernsehen?".
Die aggressive Außenpolitik der USA im Irak-Konflikt hat weltweit Millionen Menschen zu Demonstrationen gegen Krieg, gegen einen kopflosen Unilateralismus und – ja: gegen Amerika an sich mobilisiert. Da wird es langsam Zeit, sich zu fragen, wo die Amerikaner ihre Fehler machen.
Wie kann das mächtige Amerika zugleich so naiv sein, fragen sich Nicht-Amerikaner, so ahnungslos, was andere Länder, Völker und Sprachen betrifft, und dennoch so fest davon überzeugt, dass es weiß, was das Beste für alle ist? Wie kann, während seine Bürger so offen und großmütig sind, seine Außenpolitik so anmaßend sein? Und wieso erschrecken die USA, wenn die Objekte ihrer Politik sich beschweren oder gar zur Wehr setzen?
Mark Hertsgaard stellt in zehn Kapiteln die Ansichten des Auslands über die einzig verbliebene Supermacht dar und vergleicht dabei stets mit den Auffassungen der Amerikaner. So legt er die eklatanten Unterschiede zwischen der kritischen Außenperspektive und der gänzlich unkritischen Innensicht der USA frei. Wo nötig, greift er tief in seine Geschichts- und Wirtschafts-Wissens-Truhe und erklärt – für Amerikaner und Nicht-Amerikaner, wie er betont – die großen Zusammenhänge, von der Ausrottung der Indianer über die große Religiosität der Amerikaner und ihrer Politiker bis zur Schlammschlacht im Präsidentschaftswahlkampf im Jahr 2000, den George Bush junior nur mit Hilfe einer zweifelhaften Gerichtsentscheidung gegen Al Gore gewann. Und darüber hinaus beschäftigt ihn natürlich der 11. September 2001, der unmittelbar den Afghanistan-Krieg zur Folge hatte und jetzt mittelbar auch den Beginn des Irak-Kriegs beschleunigt hat.
Vor allem eine Frage versucht der Autor zu beantworten: Warum gehen die Amerikaner, Einwohner eines Landes, das nach außen stets Freiheit und Demokratie verkörpert, so unkritisch mit ihren eigenen Politikern um? Die aktuelle Frage würde lauten: Warum steht eine Mehrheit der Amerikaner ohne großes Nachdenken hinter der fragwürdigen und gefährlichen Politik ihres Präsidenten, während die ganze Welt scharf gegen den Irak-Krieg protestiert? Die Verantwortung für diese Situation tragen nach Meinung des Autors vor allem die mehrheitlich regierungshörigen Medien der USA.
Das Washingtoner Pressecorps fungiert als Hofpresse. Auf die Schilderung von Palastintrigen versteht es sich meisterhaft: Was hat der Präsident vor? Wie wird der Kongress reagieren? Wer wird den Kampf gewinnen? Wie stehen die Machtverhältnisse? Nicht, dass das unwichtige Informationen wären, aber sie sind nicht das, was die Bürger brauchen, um ihre Regierung zur Verantwortung zu ziehen.
Anstatt kritische Informationen aus dem Ausland zu liefern, reproduzieren die US-amerikanischen Massenmedien ungefilterte Informationen direkt aus dem Weißen Haus und dem Pentagon oder senden besser gleich Quotenschlager über Sex and Crime. Hertsgaard spricht von einer "pathologischen Seichtheit" des amerikanischen Fernsehprogramms. Verantwortlich macht er dafür in erster Linie den ehemaligen US-Präsidenten Ronald Reagan. Dieser habe in seiner Amtszeit durch eine Rundfunk-Deregulierung die Konzentration von Medienunternehmen ermöglicht und somit zu einer Abstumpfung der Medieninhalte beigetragen.
Eine durchschnittliche abendliche Nachrichtensendung von dreißig Minuten brachte im Jahr 2001 weniger als zwei Minuten Nachrichten aus dem Ausland. Wenn man bedenkt, dass das Fernsehen für die meisten Amerikaner noch immer die Hauptnachrichtenquelle ist, versteht man allmählich, warum wir, was den Rest der Welt betrifft, so strohdumm sind.
Hier verweist der Autor explizit auf europäische Rundfunksysteme, die aufgrund ihres teilweise öffentlich-rechtlichen Charakters eine Qualität erreichten, von denen Amerikas Medienwelt weit entfernt sei. Und so richten sich Hertsgaards Hoffnungen auf eine bessere Zukunft Amerikas vor allem an die Journalisten: Nur sie können die eigene Bevölkerung aufklären über das, was Politiker und Konzernbosse in ihrem Namen im Ausland anrichten. Denn die Amerikaner an sich – und da schließt sich der Autor mit ein, er spricht ja im ganzen Buch auch ständig von "wir Amerikaner" – die Amerikaner an sich seien doch gute, rechtschaffene Menschen.
Es ist vielleicht die größte Lüge, die dem amerikanischen Volk nach dem 11. September aufgebunden wurde, dass die Terroranschläge ein Beweis dafür seien, dass "sie" uns hassen. Aber die Welt hasst nicht uns, das amerikanische Volk. Was Nicht-Amerikaner verärgert, und oft aus gutem Grund, sind unsere Regierung, unser Militär und unsere Konzerne. Wenn wir Amerikaner diese Unterscheidung einmal erfasst haben, werden wir nicht nur besser verstehen, warum unser Land bei anderen Völkern einen zweifelhaften Ruf hat. Wir werden außerdem erkennen, dass "Patriotismus" nicht gleichbedeutend mit "regierungsfreundlich" ist.
Mark Hertsgaard: Im Schatten des Sternenbanners. Amerika und der Rest der Welt. Carl Hanser-Verlag. 256 Seiten. 19 Euro 90.